Der Gemsen-Jäger und die Sennerin
Nimm mich verirrten Jäger,
Du gute Sennerin, auf;
Es lockte mich über die Gletscher
Die Gemse mit flüchtigem Lauf.
Bin fremd auf dieser Alpe,
Verlassen für und für;
In rauher Nacht verschließe
Nicht hart mir deine Tür. –
Muß, Jäger, wohl sie verschließen,
Ich bin ja ganz allein,
Gar eng ist meine Hütte,
Für dich kein Lager darein. –
Nur Schutz an deinem Herde,
Ein Lager begehr ich nicht;
Ich scheide, sobald die Gletscher
Sich färben mit rötlichem Licht. –
Und wenn ich ein dich ließe...,
O Jäger, laß mich in Ruh,
Nachrede gäb's und Geschichten;
Was sagte der Hirt dazu? –
Der Hirt soll mich nicht hören,
Das, Gute, versprech ich dir:
Ich halte mich friedlich und stille,
Befürchte doch nichts von mir. –
Und willst du dich halten, o Jäger,
Ein stiller und friedlicher Gast,
So werd ich herein dich lassen;
Die Nacht ist zu grausig doch fast.
Sie öffnete leise die Türe
Und ließ den Jäger herein;
Es loderte gastlich vom Herde
Die Flamme mit freundlichem Schein.
Und bei dem Scheine sahen
Die beiden sich staunend an –
Die Nacht ist ihnen vergangen,
Der Morgen zu dämmern begann.
Wie ließ ich dich ein, o Jäger,
Ich weiß nicht, wie es kam;
Nun rötet der Morgen die Gletscher
Und meine Wangen die Scham.
O lieber, lieber Jäger,
So schnell vergangen die Nacht!
Auf, auf! du mußt nun scheiden,
Bevor der Hirt noch erwacht.
Und muß für heut ich scheiden,
So bleibe, du Gute, mir hold;
Hast keinen Grund zu weinen,
Nimm diesen Ring von Gold.
Ein Haus, das mir gehöret,
Dort drüben im anderen Tal,
Mein Stutzer, auf Gletscher und Felsen
Die flüchtigen Gemsen zumal:
Ich kann dich ehrlich ernähren,
Du liebe Sennerin mein;
Und steiget zu Tal der Winter,
Soll unsere Hochzeit sein.
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