An meinem Geburtstage
Der junge Tag läßt Thal und Höhn
Im Abglanz seines Lächelns glimmen;
Von allen Seiten schallt Getön
Der Herden, die an Felsen klimmen;
Die goldnen Sommerfäden schwimmen
Wie Boote durch der Lüfte Meer;
Es tönt gleich tausend Liebesstimmen
Der Vögel Zwitschern um mich her.
Dort unten fließt der alte Rhein;
Ich sehe muntre Kinder spielen;
Ich seh' im heitern Sonnenschein
Die Blüten an den schlanken Stielen
Geschaukelt von des Windes Flügel;
Doch ich mag nimmer fröhlich sein
Und schaue vom bemoosten Hügel
Mit trübem Blick ins Land hinein.
Wie ruht' ich einst so sanft und tief,
Eh zu des Erdenlebens Kummer,
Mich dieser Tag ins Dasein rief!
Das Nichtsein ist der beste Schlummer!
Wer bist du, namenloses Wesen,
Das mich geweckt, als ich ihn schlief?
Wer ist der Bittende gewesen?
Wer reichte dir den Vollmachtsbrief?
Noch schwebt vor meinem Geist ein Bild
Aus meinen frühsten Kindertagen,
Als mich die Mutter engelmild
An ihrer lieben Brust getragen;
Sie ließ den Lebensquell mich saugen,
Der aus dem Mutterbusen quillt,
Und sang und sah mir in die Augen,
Bis sie den Weinenden gestillt.
Sie sah mich tief und tiefer an,
Und traur'ger wurden ihre Lieder,
Und eine heiße Thräne rann
Auf das geliebte Kind hernieder;
Sie hatte wohl zu tief gesehen
Und ahnt' im kindlichen Gesicht
Schon all die Leiden und die Wehen,
Vor denen jetzt mein Herz zerbricht.
Der Sommer flieht, der Herbst beginnt!
Schon sinken matte Schmetterlinge
Und Blätter sterbend in den Wind;
Die Schwalbe prüft zum Flug die Schwinge,
Und bange zittert's durch die Reiser,
Wie sie der kältre Hauch durchrinnt,
Und flüstern hör' ich's leis' und leiser:
Komm schlafen, armes, müdes Kind!
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