Das Gelöbnis
Will mir die Mädchen aus dem Sinne schlagen!
Gelobt’ ich mir. Doch als der Abend kam,
War’s Aphrodite, die im Fackelwagen,
Von Rosenduft und blauem Tau getragen,
Herniederflog und mich beim Arme nahm:
Die sanfte Welt, in die ich Rosen streute,
Hat dein Gelöbnis wie ein Fluch entweiht!
Doch will ich wachen, bis dein Herz bereute –
Sieh’ hin, die Nacht ist voller Wunder heute,
Und Schauer schweben, meinem Wink bereit …
* *
Ich sah umher … Da stand in schwarzen Flören
Das bleiche Leid vor meinem weissen Haus.
Da kam ein Lied, wie Geigenton zu hören:
Man trug, umrauscht von tiefen Trauerchören,
Auf schwarzer Bahre mich zum Tor hinaus.
Und dunkle Mönche, nächst dem Brückenbogen,
Flüsterten leise in die laue Nacht:
Ein fromm Gelübde, seiner Brust entflogen,
Hat ihm der Frauen holde Gunst entzogen!
Das hat ein Bluten in sein Herz gebracht …
Die Chöre klangen. Und voran dem Zuge
Auf Flammenhengsten ritt der Rache-Gott.
Fern sang die Orgel ihre Geisterfuge …
Doch auf die Bahre, wie im Falterfluge,
Schwang leise gleitend sich der Mädchen Spott:
Er hat gezweifelt! Hat mit weisen Dingen
Den Tag verträumt! Und in des Wissens Qual
Liess er das Glück im Tanz vorüberklingen,
Liess uns, die Mädchen, in den Hütten singen
Und suchte sich ein Eremitental.
Die Rache kam! Denn mit dem warmen Strahle
Der Frauenhuld, die seinem Herzen schwand,
Starb alles Blühen, wie mit einem Male,
Und alles, alles, was sein Herz im Tale,
Einst mit den Göttern und dem All verband!
Ihn rührte nicht mehr das geweihte Schäumen,
Das aus der Scholle rings den Lenz gebar;
Ein Fremdling schritt er in entseelten Räumen
Und fühlte nicht mehr, dass sein Herz den Bäumen,
Den Kindern, Tieren einst verschwistert war.
Das grosse Staunen, das ihn einst bezwungen,
Als seine Seele mit den Kindern litt,
Seit jener Stunde war es stumm verklungen,
Die Bäume schwiegen, die ihm einst gesungen,
Die Tiere mieden seinen kalten Schritt.
Der Götter Atem, der ihn einst umfangen,
Als er noch Pfade zu den Müttern fand,
Blieb nun verweht in alten Wipfeln hangen;
Er aber siechte mit verhärmten Wangen
Und welkem Herzen, bis es träge stand.
Im letzten Frösteln aber rief er leise
Ein Vöglein an, das ihm von Liebe sang:
Dank, Vöglein, Dank für Aphroditens Weise,
Ich lebte nicht der schönen Frau zum Preise,
Da fror im Herzen mir der weiche Klang.
Nehmt meinen Leib, gebt ihn dem Flammenmeere,
Das schönste Mädchen schichte Scheit auf Scheit!
Zur Sühne sei’s! Denn ich vergass die Lehre,
Die göttliche, dass uns vom Geist der Schwere
Nur sanfter Frauen edle Huld befreit!
Ja, sie beflügeln unser armes Leben,
Ihr Hauch gibt Schwingen, gibt uns Takt und Schall!
Sie bringen uns ein Auf- und Niederschweben,
Ein feines Klingen und ein leises Beben …
Denn Frauen sind wie Melodie im All!
* *
Die Schauer schwanden. Es begann zu tagen.
Das Spiel verhuschte, als der Morgen kam,
Und Aphrodite auf bereiftem Wagen,
Von Rosenduft und blauem Tau getragen,
Zum zweiten Male mich beim Arme nahm.
Die sanfte Welt – sprach sie madonnenmilde –
Hat dein Gelöbnis wie ein Fluch entweiht.
Doch sahst du jetzt im nächtlichen Gefilde
Ein drohend Schicksal wie im Spiegelbilde …
Bist du vom Geist der Schwere nun befreit?
Ich schwieg … und schwieg … und bin ins Knie gesunken,
Und weinend, weinend sah ich Venus an.
Das war ein Knistern wie von tausend Funken …
Der Himmel schien von gelbem Weine trunken –
Und düftestreuend flog sie leis hinan.
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