Die Wachtel und ihre Kinder
Hoch wallte das goldene Weizenfeld
Und baute der Wachtel ein Wohngezelt.
Sie flog einst früh in Geschäften aus
Und kam erst am Abend wieder nach Haus.
Da rief der Kindlein zitternde Schar:
Ach, Mutter, wir schweben in grosser Gefahr!
Der Herr dieses Feldes, der furchtbare Mann,
Ging heut mit dem Sohn hier vorbei und begann
Der Weizen ist reif, die Mahd muss gescheh’n,
Geh, bitte die Nachbarn, ihn morgen zu mäh’n,
O, sagte die Wachtel, dann hat es noch Zeit!
Nicht flugs sind die Nachbarn zu Diensten bereit.
Drauf flog sie des folgenden Tages aus
Und kam erst am Abend wieder nach Haus.
Da rief der Kindlein zitternde Schar:
Ach, Mutter, wir schweben in neuer Gefahr!
Der Herr dieser Feldes, der furchtbare Mann,
Ging heut mit dem Sohn hier vorbei und begann:
Uns liessen die treulosen Nachbarn im Stich!
Geh rings nun zu unsern Verwandten und sprich:
Wollt ihr meinen Vater recht wohlgemut seh’n,
So helfet ihm morgen sein Weizenfeld mäh’n!
O, sagte die Wachtel, dann hat es noch Zeit!
Nicht flugs ist die Sippschaft zur Hilfe bereit.
Drauf flog sie des folgenden Tages aus
Und kam erst am Abend wieder nach Haus.
Da rief der Kindlein zitternde Schar:
Ach, Mutter, wir schweben in höchster Gefahr!
Der Herr dieses Feldes, der furchtbare Mann,
Ging heut mit dem Sohn hier vorbei und begann:
Uns liessen auch unsre Verwandten im Stich;
Ich rechne nun einzig auf dich und auf mich.
Wir wollen, wann morgen die Hähne kräh’n,
Selbander uns rüsten, den Weizen zu mäh’n.
Ja, sagte die Wachtel, nun ist’s an der Zeit!
Macht schnell euch, ihr Kinder, zum Abzug bereit;
Wer Nachbarn und Vettern die Arbeit vertraut,
Dem wird ein Schloss in die Luft gebaut;
Doch unter dem Streben der eigenen Hand
Erblüht ihm des Werkes vollendeter Stand. –
Die Wachtel entfloh mit den Kleinen geschwind,
Und über die Stoppeln ging tags drauf der Wind.
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