Triumph der Tugend, Zwote Erzählung
Ich fand mein Mädgen einst allein
Am Abend so, wie ich sie selten finde.
Entkleidet sah ich sie; dem guten Kinde
Fiel es nicht ein,
Daß ich so nahe bey ihr seyn,
Neugierig sie betrachten könnte.
Was sie mir nie zu sehn vergönnte,
Des Busens volle Blüten wies
Sie dem verschwiegnen kalten Spiegel, ließ
Das Haar getheilt von ihrem Scheitel fallen,
Wie Rosenzweig’ um Knospen, um den Busen wallen.
Ganz auser mir vom niegefundnen Glükk’
Sprang ich hervor; Jedoch wie schmollte
Sie, da ich sie umarmen wollte.
Zorn spraih ihr furchtsam wilder Blikk,
Die eine Hand sties mich zurükk,
Die andre dekte das, was ich nicht sehen sollte.
Geh, rief sie, soll ich deine Kühnheit dir
Verzeyhen; eile weg von hier.
Ich, fliehn? Von heisser Glut durchdrungen -
Ohnmöglich - Diese schöne Zeit
Von sich zu stosen! Die Gelegenheit
Kömmt nicht so leicht zurück. Voll Zärtlichkeit
Den Arm um ihren Hals gezwungen, stand
Ich neben ihrem Sessel, meine warme Hand
Auf ihrem heissen Busen, den zuvor
Sie nie berühret. Hoch empor
Stieg er und trug die Hand mit sich empor
Dann sank mit einem tiefen Athemzug
er wieder,
Und zog die Hand mit sich hernieder.
So stand Dianens Jäger muthig da,
Triumph gen Himmel hauchend, als er sah,
Was ungestraft kein Sterblicher noch sah.
Mein Mädgen schwieg, und sah mich an; ein Zeichen,
Die Grausamkeit fieng’ an sich zu erweichen,
Geschmolzen durch die Fühlbarkeit.
O Mädgen, soll mit list’gen Streichen
Kein Jüngling seinen Zweck erreichen,
So müßt ihr niemals ruhig schweigen,
Wenn ihr mit ihm alleine seyd.
Mein Arm umschlang mit angestrengten Sehnen
Die weiche Hüfte. Fast - fast - doch des Sieges Lauf
Hielt schnell ein glüh’nder Strom von Thränen
Unwiderstehlich auf.
Sie stürzt mir um den Hals, rief schluchsend: Rette
Mich unglükseelige, die niemand retten kann
Als du geliebter. Gott! ach hätte
Dir nie diß Herz gebrandt! Ich sah dich, da begann
Mein Elend; Bald, bald ist’s vollendet.
O Mutter, welchen Lohn
Gab ich den treuen Lehren, die du mir
verschwendet,
Diß Herz zu bilden! Musste sich dein Drohn
So fürchterlich erfüllen:
Würd’ ich eine That
Vor dir verhüllen,
Deinen Rath
Verachten, selbst mich weise dünken;
Würd’ ich versinken.
Ich sinke schon; o rette mich! -
Sey stark mein Freund, o rette dich!
Wir beyde sind verlohren - Freund, Erbarmen!
Noch hielt ich sie in meinen Armen.
Sie sah voll Angst rings um sich her.
Wie Wellen auf dem Meer,
Deß Grund erbebte, schlug die Brust, dem Munde
Entrauscht’ ein Sturm. Sie seufzte: Unschuld - ach wie klang
Diß Wort so lieblich, wenn in mitternächt’ger Stunde
An meinem Haupt’ es mir mein Engel
sang.
Jetzt rauscht’s wie ein Gewitterton vorüber.
Sie rief’s. Es ward ihr Auge trüber,
Sah sternen an. Sie betet: Sieh
Aus deiner Unschuldswohnung, Herr, auf mich herüber,
Erbarme dich! Entzieh
Der reissenden Gefahr mich. Du
Vermagst’s allein; der ist zu schwach dazu,
Der Mensch, zu dem ich vor dir betete.
Naht euch, Verführer, deren Wange nie
Von heilgem Graun erröthete,
Wenn eure Hand gefühllos, wie
Die Schnitter Blumen, Unschuld tödete,
Und euer Siegerfuß darüber tretend, sie
Durch Hohn zum zweyten Male tödete,
Naht euch. Betrachtet hie
Der Vielgeliebten Thränen rollen;
Hört ihre Seufzer, hört die feuervollen
Gebete. Wehe dem, der dann
Noch einen Wunsch zu ihrem Elend wollen,
Noch einen Schritt zum Raube wagen kann!
Es sank mein Arm, aus ihm zur Erd’ sie nieder,
Ich betet’, weint’, und riß mich los, und floh.
Den nächsten Tag fand ich sie wieder
Bey ihrer Mutter, als sie froh,
Der freudbethränten Mutter Unschuldslieder,
Mit Engelstimmen sang.
O Gott, wie drang ein Wonnestrahl durch’s Herz mir! Nieder
Zur Erde blikkend stand
Ich da. Sie fasst mich bey der Hand,
Führt mich vertraulich auf die Seite,
Und sprach: Dank es dem harten Streite,
Daß du zur Sonn’ unschuldig blikst,
Bey’m Anblick jener heil’gen nicht erschrikst,
Mich nicht verachtend von dir schikst.
Freund, dieses ist der Tugend Lohn;
O, wärst du gestern thränend nicht entflohn,
Du sähst mich heute
Und ewig nie mit Freude.
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