Frühlings- und Sommerlust
Vöglein kommen hergezogen,
Setzen sich auf dürre Aeste: –
»Weit, ach weit sind wir geflogen,
Angelockt vom Frühlingsweste.«
Also klagen sie, die Kleinen:
»Schmetterlinge schwärmen schon,
Bienen sumsen ihren Ton,
Suchen Honig, finden keinen.
Frühling! Frühling! komm hervor!
Höre doch auf unsre Lieder,
Gieb uns unsre Blätter wieder,
Horch, wir singen dir in's Ohr.
Kömmt noch nicht das grüne Laub?
Laß die kleinen Blätter spielen,
Daß sie warme Sonne fühlen,
Keines wird dem Frost zum Raub;« –
»Was singt so lieblich leise?
Spricht drauf die Frühlingswelt,
Es ist die alte Weise,
Sie kommen von der Reise,
Keine Furcht mich rückwärts hält.«
Auf thun sich grüne Aeugelein,
Die Knospen sich erschließen
Die Vögelein zu grüßen,
Zu kosten den Sonnenschein.
Durch alle Bäume geht der Waldgeist
Und sumst: Auf Kinder! Der Frühling ist da;
Storch, Schwalbe, die ich schon oftmals sah,
Auch Lerch' und Grasemück' ist hergereißt.
Streckt ihnen die grünen Arm entgegen,
Laßt sie wohnen wie immer, im schattigen Zelt,
Daß sie von Zweig zu Zweig sich regen,
Und jubeln und singen in frischer Welt.
Nun regt sich's und wühlt in allen Zweigen,
Alle Quellen mit neuem Leben spielen,
In den Aesten Lust und Kraft und Wühlen,
Jeder Baum will sich vor dem andern zeigen.
Nun rauscht's und alle stehn in grüner Pracht,
Die Abendwolken über Wälder ziehn,
Und schöner durch die Wipfel glühn,
Der grüne Hain von goldnem Feuer angefacht.
Gebiert das Thal die Blumen an das Licht,
Die die holde Liebe der Welt verkünden,
Es lächelt und winkt in stillen Gründen
Des sanften Veilchens Angesicht,
Das sinnige Vergißmeinnicht.
Sie sind die Winke, die süßen Blicke,
Die dem Geliebten das Mädchen reicht,
Vorboten vom zukünft'gen Glücke,
Ein Auge, das schmachtend entgegen neigt.
Sie bücken sich mit schalkhaftem Sinn
Und grüßen, wer vorübergeht,
Wer ihren sanften Blick verschmäht
Dem reichen sie die weissen Finger hin.
Doch nun erscheint des Frühlings Frühlingszeit,
Wenn Liebe Gegenliebe findet
Und sich zu Einer Lieb' entzündet,
Dann glänzt die Pracht der Blumen hell und weit.
Die Rosen nun am Stock in's Leben kommen,
Und brechen hervor mit liebreizenden Prangen,
Die süsse Röthe ist aufgeglommen
Daß sie vereinter Schmuck dicht an einander hangen.
Dann ist des Frühlings Frühlingszeit,
Mit Küssen, mit Liebesküssen der Busch bestreut.
Rose, süße Blüthe, der Blumen Blum',
Der Kuß ist auf deinen Lippen gemahlt,
O Ros' auf deinem Munde strahlt
Der küssenden Lieb' Andacht und Heiligthum.
Höher kann das Jahr sich nicht erschwingen,
Schöner als Rose der Frühling nichts bringen,
Nun läßt Nacht'gall Sehnsuchtslieder klingen.
Bei Tage singt das ganze Vögelchor,
Bei Nacht schwillt ihr Gesang hervor.
Und wenn Rose, süß' Rose die Blätter neigt,
Dem Sommer wohl das Vögelchor weicht,
Nachtigall mit allen Tönen schweigt.
Die Küsse sind im Thal verblüht,
Dichtkunst nicht mehr durch Zweige zieht.
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