Tells Tod
Grün wird die Alpe werden,
Stürzt die Lawin einmal;
Zu Berge ziehn die Herden,
Fuhr erst der Schnee zu Tal.
Euch stellt, ihr Alpensöhne,
Mit jedem neuen Jahr
Des Eises Bruch vom Föhne
Den Kampf der Freiheit dar.
Da braust der wilde Schächen
Hervor aus seiner Schlucht,
Und Fels und Tanne brechen
Vor seiner jähen Flucht.
Er hat den Steg begraben,
Der ob der Stäube hing,
Hat weggespült den Knaben,
Der auf dem Stege ging.
Und eben schritt ein andrer
Zur Brücke, da sie brach;
Nicht stutzt der greise Wandrer,
Wirft sich dem Knaben nach,
Faßt ihn mit Adlerschnelle,
Trägt ihn zum sichern Ort;
Das Kind entspringt der Welle,
Den Alten reißt sie fort.
Doch als nun ausgestoßen
Die Flut den toten Leib,
Da stehn um ihn, ergossen
In Jammer, Mann und Weib;
Als kracht' in seinem Grunde
Des Rotstocks Felsgestell,
Erschallt's aus einem Munde:
Der Tell ist tot, der Tell!
Wär ich ein Sohn der Berge,
Ein Hirt am ew'gen Schnee,
Wär ich ein kecker Ferge
Aus Uris grünem See
Und trät in meinem Harme
Zum Tell, wo er verschied,
Des Toten Haupt im Arme,
Spräch ich mein Klagelied:
»Da liegst du, eine Leiche,
Der aller Leben war;
Dir trieft noch um das bleiche
Gesicht dein greises Haar.
Hier steht, den du gerettet,
Ein Kind wie Milch und Blut;
Das Land, das du entkettet,
Steht rings in Alpenglut.
Die Kraft derselben Liebe,
Die du dem Knaben trugst,
Ward einst in dir zum Triebe,
Daß du den Zwingherrn schlugst.
Nie schlummernd, nie erschrocken,
War Retten stets dein Brauch,
Wie in den braunen Locken,
So in den grauen auch.
Wärst du noch jung gewesen,
Als du den Knaben fingst,
Und wärst du dann genesen,
Wie du nun untergingst,
Wir hätten draus geschlossen
Auf künft'ger Taten Ruhm:
Doch schön ist nach dem großen
Das schlichte Heldentum.
Dir hat dein Ohr geklungen
Vom Lob, das man dir bot,
Doch ist zu ihm gedrungen
Ein schwacher Ruf der Not.
Der ist ein Held der Freien,
Der, wann der Sieg ihn kränzt,
Noch glüht, sich dem zu weihen,
Was frommet und nicht glänzt.
Gesund bist du gekommen
Vom Werk des Zorns zurück,
Im hülfereichen, frommen
Verließ dich erst dein Glück.
Der Himmel hat dein Leben
Nicht für ein Volk begehrt,
Für dieses Kind gegeben,
War ihm dein Opfer wert.
Wo du den Vogt getroffen
Mit deinem sichern Strahl,
Dort steht ein Bethaus offen,
Dem Strafgericht ein Mal;
Doch hier, wo du gestorben,
Dem Kind ein Heil zu sein,
Hast du dir nur erworben
Ein schmucklos Kreuz von Stein.
Weithin wird lobgesungen,
Wie du dein Land befreit,
Von großer Dichter Zungen
Vernimmt's noch späte Zeit;
Doch steigt am Schächen nieder
Ein Hirt im Abendrot,
Dann hallt im Felstal wider
Das Lied von deinem Tod.«
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