Martin Luther

Martin Luther

10.11.1483 - 18.02.1546

Deutscher Theologe und Reformator

Martin Luther (* 10. November 1483 in Eisleben, Grafschaft Mansfeld; † 18. Februar 1546 ebenda) ist die zentrale Persönlichkeit der Reformation, deren Wirken kirchengeschichtliche und weltgeschichtliche Bedeutung gewann. Als zu den Augustiner-Eremiten gehörender Theologe sah er in Gottes Gnadenzusage und in der Rechtfertigung durch den Glauben das Wesen des christlichen Glaubens und orientierte sich fortan ausschließlich an Jesus Christus als dem „fleischgewordenen Wort Gottes“. Auf der Basis dieser Überzeugungen wollte Luther von ihm als Fehlentwicklungen wahrgenommene Erscheinungen der Kirche seiner Zeit beseitigen und sie in ihrer ursprünglichen evangelischen Gestalt wiederherstellen („re-formieren“). Entgegen Luthers Absicht kam es jedoch durch die Bildung evangelisch-lutherischer Kirchen zu einer Kirchenspaltung und im Laufe der Entwicklung zur Entstehung weiterer Konfessionen des Protestantismus.

Obgleich die Reformationsbewegung als Ganzes in vielfältiger Weise die Kontinuitätslinien spätmittelalterlicher Vorstellungen, aus unterschiedlichen innerkirchlichen Erneuerungsbewegungen und individueller Frömmigkeit, aufgriff und weiterentwickelte, wurde letztlich die europäische, christliche Religiosität grundlegend verändert.

Luthers einflussreiche Theologie und Kirchenpolitik wie auch seine Sprache in Bibelübersetzung, Predigt und Lieddichtung trugen entscheidend zu den tiefgreifenden Veränderungen der im christlichen Glauben fundierten Gesellschaft und Kultur der frühen Neuzeit bei.

Auch die spätere Neuordnung der politischen Verhältnisse Deutschlands und Europas und die Umgestaltung des Verhältnisses von Kirche und Staat sind ohne die Reformation nicht zu erklären. Günstige Umstände, so der politische Schutz vor allem durch Friedrich den Weisen und die breite mediale Aufmerksamkeit und Bereitschaft, sich seiner Schriften anzunehmen, waren dabei ebenso bedeutungsvoll, wie der fortwährende Diskurs mit seinen Weggefährten aber auch den Widersachern der Reformation; darunter befanden sich etwa Konrad Wimpina, Silvester Mazzolini, Thomas Cajetan, Ambrosius Catharinus, Johannes Cochläus, Johann Tetzel und Johannes Eck. So etablierte sich das Reformationsgeschehen in einem sozialen Netzwerk. Mehrere Weggefährten und Schüler Luthers waren einflussreiche Reformatoren auf dem Boden des Heiligen Römischen Reiches, darunter Andreas Bodenstein, Philipp Melanchthon, Caspar Aquila, Georg Spalatin, Justus Jonas der Ältere, Thomas Müntzer und Johannes Bugenhagen.

Leben

Luthers Eltern waren der Bauer, Bergmann, Grubenbesitzer und spätere Ratsherr Hans (1459–1530), der aus Möhra stammte, und dessen Ehefrau Margarethe, geb. Lindemann (1459–1531), geboren in Neustadt an der Saale. Die Familie führte ihren Nachnamen in unterschiedlichen Varianten: Lüder, Luder, Loder, Ludher, Lotter, Lutter oder Lauther. Damit führte sie sich auf den seit etwa 1302 in Möhra ansässigen Ritter Wigand von Lüder zurück, der aus dem Adelsgeschlecht von Lüder aus Großenlüder stammte. Auch dieser Ort wurde abwechselnd Luodera, Lutra, Luttura und Lutar geschrieben. Der Familienname Luder kann aber auch auf eine Form des Vornamens Lothar zurückgeführt werden.

Martin Luther wählte seine Nachnamensform etwa 1512 oder 1517. Er leitete sie vom Herzog Leuthari II. oder vom griechischen Wort ἐλεύθερος (eleutheros = frei) ab und benutzte vorübergehend die daraus abgeleitete Form „Eleutherios“ (der Freie). Gemäß Jürgen Udolph gab Luther nach seinem Aufstieg in die Wittenberger Oberschicht seinem Namen Luder, den Udolph als ursprünglich niederdeutsch ansieht, eine hochdeutsche Form, um das hochdeutsche Missverständnis seines Namens („liederlicher Mensch“) zu vermeiden. Das „th“ habe in seiner Zeit als „schick“ gegolten.

Luther wurde als erster oder zweiter Sohn seiner Eltern in Eisleben geboren und hatte vermutlich neun Geschwister. Am folgenden Martinstag, dem 11. November 1483, wurde er auf den Namen des Tagesheiligen in der St.-Petri-Pauli-Kirche getauft. Er wuchs im benachbarten Mansfeld auf, wo der Vater als Hüttenmeister im Kupferschieferbergbau bescheidenen Wohlstand erwarb. Beide „Lutherstädte“ liegen im Mansfelder Land, heute im Landkreis Mansfeld-Südharz in Sachsen-Anhalt, und hatten damals einige tausend Einwohner. Luthers Eltern waren kirchentreu, jedoch nicht übermäßig fromm.

Schulausbildung und Grundstudium

Vom Donnerstag, den 12. März 1491 an bis 1497 besuchte er die Mansfelder Stadtschule; heute in der Junghuhnstraße 2. Der siebenjährige Martin Luther lernte, mit etwa fünfzehn weiteren Kindern, in der Trivialschule Lesen, Schreiben, Rechnen, Singen und grundlegende Kenntnisse des Lateinischen. In der, dem Schulgebäudes gegenüberliegenden, St.-Georg-Kirche diente er als Ministrant. Die Stadt Mansfeld wurde seit dem Jahre 1400 als „Vallis Mansfeld“ dokumentiert und war seit dem Jahre 1408 mit einem Mauerring umgeben. Die Stadt wurde durch drei Schultheißen und neun Ratsherren (auch Thalherren) verwaltet, selbst einen Stadtschreiber wies die Gemeinde auf. Je einer der Schultheißen und drei der Ratsherren bildeten im jährlichen Wechsel ein Ratsmittel, das die Stadt verwaltete. Auch Hans Luder war ab 1491 ein Mitglied dieses Rates.

Hiernach zog er zusammen mit Hans Reinicke für ein Jahr, vom Frühjahr 1497 bis Ostern 1498, in die Magdeburger Domschule. Mit ihm verband Luther eine lebenslange Freundschaft. Dort unterrichteten ihn die Brüder vom gemeinsamen Leben, eine spätmittelalterliche Erweckungsbewegung. Luther war bei Paul Moßhauer untergebracht, einem ebenfalls aus einer Mansfelder Bergbauunternehmerfamilie stammenden Beamten des Magdeburger Erzbischofs, einem erzbischöflichen Offizial.

Von 1498 bis 1501 schickten ihn die Eltern auf die Pfarrschule zu St. Georgen in Eisenach, wo er seine Lateinkenntnisse so vervollständigte, dass er diese Sprache fließend sprechen und schreiben konnte. Sein Großonkel mütterlicherseits Konrad Hutter war Küster in St. Nikolai, die Familie war arm und so musste Luther als Kurrendensänger seinen Unterhalt bestreiten. Zu dieser Zeit wohnte er zunächst kurze Zeit bei diesen Verwandten mütterlicherseits und zog später in das Haus der Familie Cotta in welchem auch die Familie Schalbe lebte ein. Das Haus der Ursula Cotta, der Ehefrau des Vierherrn Konrad (Kunz) Cotta, lag am heutigen Lutherplatz 8. Ursula Cotta war Luther beim Kurrendensingen begegnet und man bot in Unterkunft bei den beiden Familien an. Heinrich Schalbe war von 1495 an bis zum Jahre 1499 Eisenacher Bürgermeister.

Nach Aussagen des Stadtschreibers Johann Biermast aus dem Jahre 1466 war Eisenach eine kleine Stadt von ungefähr 3500 Einwohner, dessen wirtschaftliche Prosperität zum 16. Jahrhundert hin im schwinden war. Es gab sieben Klöster, drei Kirchen, mehrere Kapellen und Einsiedelein. Hierzu kamen etwa dreihundert Kleriker.

Ob Luther in seiner Eisenacher Zeit auch den später in Klosterhaft lebenden Johann Hilten kennengelernt hat, bleibt umstritten.

Ein namentlich bekannter Lehrer aus jener Zeit war Wigand Güldenapf, der aus Fritzlar stammte. Bei seinen Gastfamilien nahm Luther am „Kollegium Schalbense“ teil, einem Kreis von Bürgern und Mönchen aus dem nahe gelegenen Franziskanerkloster. Später hat er sich in einem Brief aus dem Jahre 1507 an den Vikar des Marienstiftes ausgesprochen lobend über diesen Kreis geäußert.

m Frühjahr 1501 begann Luther sein Studium an der Universität Erfurt und bezog dort bis zum Jahr 1505 Quartier in der Georgenburse. Er besuchte wie im Mittelalter üblich zunächst die Artistenfakultät, die Grundkenntnisse in den „Septem artes liberales“ (Grammatik, Rhetorik, Dialektik, Arithmetik, Geometrie, Musik und Astronomie) vermittelte. Im Januar 1505 schloss Luther mit dem „Magister artium“ seine akademische Grundausbildung ab. Inwieweit Luther schon zu dieser Zeit Eobanus Hessus kennengelernt haben könnte, bleibt unbelegt; da aber alle Studenten an den Heiligen Messen in der Michaeliskirche teilnahmen, ist eine Begegnung ab dem Jahre 1504 möglich. Anschließend, im Zeitraum vom Montag den, 19. Mai bis Juni 1505, besuchte er die Vorlesungen in der Juristenschule. In einer Zeit, zwischen 1504 bis 1505, in der in Erfurt und Umgebung eine (Pest-)Epidemie grassierte.

Während seines Studiums der Theologie in den Jahren 1507 bis 1511, die Vorlesungen fanden im Erfurter Dom statt, lernte er die Philosophie des Aristoteles kennen, die seit Thomas von Aquin die mittelalterliche Scholastik bestimmte. Jodocus Trutfetter und Bartholomäus Arnoldi, die seinerzeit an der Erfurter Artistenfakultät lehrten, machten ihn mit dem Nominalismusstreit bekannt. Im April des Jahres 1508 wurde er bereits dritter Lektor des Generalstudiums. Im folgenden Wintersemester 1508/1509 beorderte man ihn dann an die Universität Wittenberg, wo er im März 1509 seinen ersten theologischen Grad, den „Baccalaureus biblicus“, erlangte. Schon im Herbst 1509 hielt Luther im Auditorium Coelicum am Dom zu Erfurt seine bedeutende Sentenzenvorlesung; seine Ernennung zum „Baccalaureus sententiarius“ folgte hiernach. In der Zeit seines Erfurter Theologiestudiums nutzte er auch intensiv die Bibliotheca Amploniana. Kurz vor seiner Romreise im Jahre 1510 promovierte man Martin Luther zum „Baccalaureus formatus“.

Schon zu Beginn seiner Ordenszeit setzte sich Luther mit der Hebräischen Sprache auseinander, so erwarb er bald nach dem Erscheinen im Jahre 1506 das von Johannes Reuchlin verfasste Werk „De rudimentis hebraicis“. Die Schrift eröffnete die Möglichkeit zum Selbststudium des Hebräischen, sie bestand aus einer Grammatik mit einem Wörterbuch. Luther arbeitete die „De rudimentis hebraicis“ systematisch durch und erwarb darüber hinaus die im Jahre 1512 von Reuchlin, zum besseren Erlernen des Stoffs, herausgegebene Monographie „Septem psalmi poenitentiales“ ein mit dem hebräischen Text der sieben Bußpsalmen und den dazugehörigen lateinische Übersetzungen sowie grammatikalischen Erklärungen versehenen Schrift.

Augustinermönch (1505–1511) und Theologiestudium zu Wittenberg (1508–1509)

Auf väterlichen Wunsch setzte Luther zum Sommersemester am 19. Mai 1505 sein Studium an der Juristenfakultät fort. Doch am 2. Juli 1505 wurde er nach dem Besuch seiner Eltern in Mansfeld auf dem Rückweg nach Erfurt bei Stotternheim von einem schweren Gewitter überrascht, hatte Todesangst und gelobte der Heiligen Anna, der Mutter Marias und Schutzheiligen der Bergleute, er werde ein Mönch werden, wenn sie ihn rette. Weshalb der junge Luther gerade dieses Gelübde ablegte und einen klösterlichen Lebensweg einschlug, erklärt sich nach Meinung einiger Lutherforscher zur Gänze weder aus seiner Erziehung noch seiner Todesangst und führte zu verschiedenen mehr oder weniger gut belegten Hypothesen.

Am 16. Juli 1505 feierte Luther mit seinen Freunden ein Abschiedsmahl. Um am nächsten Tag über die Lehmannsbrücke, von seinen Freunden begleitet, an den Pforten der Augustinereremiten in der Comthurgasse zu stehen. Vorerst noch gegen den Willen seines Vaters trat er am 17. Juli 1505 in das Kloster der Augustiner-Eremiten in Erfurt ein. Hier befolgte er die Ordensregeln so genau und streng, dass er schon am 27. Februar 1507 zum Diakon und am 4. April desselben Jahres zum Priester geweiht wurde. Trotz täglicher Bußübungen litt Luther unter großer Gewissensnot, er verzweifelte an seiner unüberwindlichen Sündhaftigkeit (incurvatus in se).

Schon während des Generalstudiums im Erfurter Augustinerorden begann Luther mit seinem theologischen Studium. Er las die Schriften des Tübinger Nominalisten Gabriel Biel, um den Verlauf der Messliturgie, „Epitoma Expositionis sacri canonis Missae“ (um 1500) zu verstehen. Später erhielt er durch den augustinischen Regens Johann Nathin († 1529), einen Schüler Gabriel Biels, eine gründliche Schulung in der scholastischen Theologie, die er in ockhamistischer Ausrichtung interpretierte. Ein grundlegendes Werk der scholastischen Theologie, so die „Sententiae“ (ca. 1280) des Petrus Lombardus, studierte Luther aus der Perspektive der ockhamistischen Auslegung. Neben Gabriel Biel war auch der Pariser Theologe Pierre d’Ailly wichtiger Leitfaden; er studierte beide so gründlich, dass er Biel und d’Ailly noch in späteren Jahren auswendig zitieren konnte.

Seine theologische Ausgangsfrage war deshalb: „Wie kriege ich einen gnädigen Gott?“ Diese Frage entzündete sich am Sakrament der Buße, die neben der obligatorischen Beichte aller Sünden die aufrichtige Reue aus Liebe zu Gott, nicht aber aus Angst vor Gottes Bestrafung voraussetzte. Luther nahm diese Forderungen sehr ernst. Er erlebte sich als unfähig, aus Liebe, nicht Angst, Gottes Forderungen zu erfüllen, so dass er an der verheißenen Vergebung zweifelte, und stürzte deshalb in verzweifelte Heilsungewissheit darüber, ob er diese Voraussetzung erfüllen könne oder vielmehr mit einer ungültigen Absolution ewige Verdammnis auf sich ziehen würde.

Sein Beichtvater, der Augustiner Johann von Staupitz, der Generalvikar der Kongregation, empfahl Luther daraufhin für ein Theologiestudium und versetzte ihn zu diesem Zwecke im Herbst 1508 nach Wittenberg. An der dortigen Universität lernte er die Theologie des Wilhelm von Ockham, der Gottes Freiheit ebenso wie die menschliche Willensfreiheit betonte, sowie die Kirchenväter, vor allem – vermittelt durch die Sentenzen des Petrus Lombardus – Augustinus, kennen. Im März 1509 erwarb Luther den Grad des „Baccalarius biblicus“, was ihm erlaubte, kürzere biblische Abschnitte mit den Scholaren zu lesen. Wenige Monate später wurde er „Baccalaureus sententiarius“ und durfte somit nun selbst die „Lombardischen Sentenzen“ auslegen. Kurz darauf rief ihn der Augustinerorden zurück nach Erfurt.

Romreise (um 1511–1512)

Ende 1510, nach neueren Forschungen jedoch vermutlich erst im Spätsommer 1511, begab sich Luther zusammen mit einem Mitbruder nach Rom. Die ältere Forschung nahm an, er habe dort im Auftrag seines Erfurter Konvents gegen die von oben befohlene Vereinigung der strengen Observanten mit den liberaleren Augustinerklöstern der sächsischen Provinz protestiert.

Neuen Forschungsergebnissen zufolge fand die Reise hingegen erst nach der erneuten Übersiedlung Luthers von Erfurt nach Wittenberg statt; also im Spätsommer 1511. Luther dürfte das ordensintern umstrittene (und letztlich gescheiterte) Unionsprojekt dabei im Auftrag des Generalvikars von Staupitz, der den jungen Ordensmann durch die Entsendung nach Rom fördern wollte, vor dem Ordensgeneral verteidigt haben. Jedenfalls legte er in Rom seine dritte Generalbeichte ab und erklomm auf Knien die „Heilige Treppe“ am Lateran, um Sündenvergebung für sich zu erlangen und seine verstorbenen Verwandten aus dem Fegefeuer zu befreien. Er zweifelte also damals noch nicht an der römischen Buß- und Ablasspraxis, war gleichwohl schon entsetzt über den Unernst und Sittenverfall, die ihm in Rom begegneten. Die Romreise war die längste und weiteste Reise im Leben Luthers, der den thüringisch-sächsischen Raum zuvor noch nie verlassen hatte; sie gilt als ein Schlüsselerlebnis und wurde von Luther selbst in späteren Schriften und Reden immer wieder erwähnt.

Die Rückreise von Rom hätte zu Jahresbeginn 1512 stattgefunden. Bald danach, im Mai 1512, nahm Luther an einer Ordensversammlung in Köln teil, auf der ein Kompromiss in der strittigen Unionsfrage geschlossen wurde, die durch die Reise geklärt werden sollte, was die Hypothese einer späteren Reisedatierung stützt.

Professur für Bibelauslegung (1512)

Auf Staupitz’ Betreiben – möglicherweise im Zusammenhang mit dem ordensinternen Streit um die Vereinigung, in dem das Erfurter Kloster zu den Gegnern des Generalvikars gehörte – siedelte Luther im September 1511 nach Wittenberg um, wo er sich für ein theologisches Doktorat bewarb. Luther und von Staupitz verband bis zu dessen Tod 1524 eine enge Freundschaft. Im Oktober 1512 wurde Luther zum „Doctor theologiae“ promoviert. Er übernahm als Nachfolger von Staupitz den Lehrstuhl der „Lectura in Biblia“ (Bibelauslegung) an der Wittenberger Universität und behielt ihn bis zu seinem Lebensende. Denn am 21. Oktober 1512 nahm man Luther als Mitglied in die theologische Fakultät zu Wittenberg auf.

Ab dem Wintersemester 1513/1514 hielt er zunächst zwei bis drei Stunden pro Woche seine Vorlesungen. In den folgenden Jahren hielt Luther Vorlesungen über die Psalmen und Paulusbriefe. Davon sind einige Originalmanuskripte, wörtliche Nachschriften und Arbeitstexte wie der Wolfenbütteler Psalter erhalten. Sie erlauben es, Luthers Entwicklung bis zum Bruch mit den römisch-katholischen Lehren im Detail nachzuvollziehen. Er folgte anfangs noch dem Schema des vierfachen Schriftsinns und deutete das Alte Testament allegorisch auf Christus. Dabei hielt er sich an die überlieferte Bibeldeutung des Ockhamismus, Neuplatonismus, der Mystik oder der „Devotio moderna“, formte sie jedoch bereits ganz auf den Glauben des Einzelnen hin um. Dessen auswegloser Verlorenheit stellte er schon die unmittelbare Gnade Gottes gegenüber, noch ohne deren Vermittlung durch Kirche und Sakramente, das Papsttum und kirchliche Dogmen zu thematisieren.

1514 wurde Martin Luther zum Provinzialvikar ernannt und übernahm damit bereits in jungen Jahren zusätzlich zu seiner Lehrtätigkeit in Wittenberg Leitungsaufgaben in seinem Orden, die mit einer erheblichen Visitations- und Reisetätigkeit verbunden waren. Als Vikar unterstanden ihm elf Konvente, darunter sein ehemaliger Heimatkonvent in Erfurt, in dem er 1516 Johannes Lange zum Prior einsetzte.

Luther stellte sich als Professor für Bibelauslegung an der Universität Wittenberg vier biblischen Schriften. Zunächst kommentierte er von 1513 bis 1515 insgesamt 150 Psalmen aus der Fassung der damals geläufigen Biblia vulgata. Dabei ging er auf die einzelnen Verse auf der Basis von und in Auseinandersetzung mit antiken, kirchenväterlichen und mittelalterlichen philosophischen und theologischen Autoritäten sowie gängigen Bibelglossen ein. Zwischen 1515 und 1516 hielt er Vorlesungen über den Brief des Paulus an die Römer. Im Wintersemester 1516/1517 las er den Brief des Paulus an die Galater und im Wintersemester 1517/1518 den Hebräerbrief.

Reformatorische Wende

In der Lutherforschung ist umstritten, wann Luther das Prinzip der Gerechtigkeit Gottes sola gratia (allein aus Gnade) zuerst entdeckte und formulierte. In einer späteren Eigenaussage beschrieb Luther diesen Wendepunkt als unerwartete Erleuchtung, die ihm in seinem Arbeitszimmer im Südturm des Wittenberger Augustinerklosters widerfahren sei. Manche datieren dieses Turmerlebnis auf die Jahre 1511 bis 1513, andere um 1515 oder um 1518, wieder andere nehmen eine allmähliche Entwicklung der reformatorischen Wende an. Datierung und nähere inhaltliche Bestimmung dieser Entdeckung hängen wechselseitig voneinander ab.

Unstrittig ist, dass Luther sein Erlebnis als große Befreiung empfand. In der einsamen Meditation über den Bibelvers Röm 1,17 LUT habe er plötzlich entdeckt, was er seit einem Jahrzehnt vergeblich gesucht hatte:

„Denn darin wird offenbart die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, welche aus dem Glauben kommt und zum Glauben führt; wie geschrieben steht: Der Gerechte wird aus dem Glauben leben.“

Dieser Bibelvers führte schließlich zu seinem neuen Schriftverständnis: Gottes ewige Gerechtigkeit sei ein reines Gnadengeschenk, das dem Menschen nur durch den Glauben an Jesus Christus gegeben werde. Keinerlei Eigenleistung könne dieses Geschenk erzwingen. Auch der Glaube, das Annehmen der zugeeigneten Gnade, sei kein menschenmögliches Werk. Damit war für Luther die gesamte mittelalterliche Theologie mit ihrer kunstvollen Balance zwischen menschlichen Fähigkeiten und göttlicher Offenbarung (Synergismus) zerbrochen. Von nun an nahm er die Kirche, die sich in all ihren Formen und Inhalten als Vermittlungsanstalt der Gnade Gottes an den Menschen sah, zunehmend kritisch in den Blick.

In der Römerbrief-Vorlesung von 1515 lag Luthers neues Verständnis der Rechtfertigung allein aus der Gnade Gottes, sola gratia, bereits ausformuliert vor, wenngleich noch vermischt mit Denkschemata Augustins und der Mystik von Johannes Tauler. 1516 veröffentlichte er zudem die Theologia deutsch, das Werk eines unbekannten Mystikers (genannt der „Frankfurter“), das er vermeintlich eben jenem Johannes Tauler zuordnete und das ihn in seiner wachsenden Ablehnung äußerlicher kirchlicher Riten bestärkte. Es wurde zunächst als fragmentarisches Tractat 1516 in der Druckerei von Johann Gronenberg erstellt und später 1518 in einer Leipziger Druckerei als vollständiger Text wiedergegeben.

Ablass, 95 Thesen (1517) und Heidelberger Disputation (1518)

Der Ablass bezeichnet einen in der römisch-katholischen Theologie geregelten Gnadenakt fußend auf dem Gnadenschatz, durch den nach kirchlicher Lehre zeitliche Sündenstrafen erlassen (nicht dagegen die Sünden selbst vergeben) werden. Durch die Praxis der Ablassbriefe sollten den Gläubigen einen dem Geldbetrag entsprechenden Erlass zeitlicher Sündenstrafen im Fegefeuer für sie oder für bereits gestorbene Angehörige bescheinigt werden können.

Ein Jahr vor der Veröffentlichung seiner Thesen in Wittenberg predigte Luther erstmals öffentlich gegen die Ablasspraxis. Im Sommer 1517 las er die vom Mainzer Erzbischof Albrecht verfasste Instructio Summarium, eine Anweisung für die im Land umherreisenden Ablassprediger. Mit einem Teil der Einnahmen aus dem Verkauf von Ablassbriefen wollte der Erzbischof seine Schulden bei den Fuggern bezahlen. Diese hatten ihm den Stuhl des Erzbischofs von Köln finanziert, der ihn zum Kurfürsten und zum Reichserzkanzler des Reiches machte.

Aber Luthers Kritik war nicht nur gegen die Missbräuche gerichtet, die sich aus der Praxis des Ablasses ergaben, für ihn wurde der „Ablass“ zu einer fundamentalen theologischen Frage bzw. zu Fragen zum Bußverständnis, zur Rechtfertigungslehre und zur Ekklesiologie. Die römisch-katholische Kirche war im Verlauf ihrer Geschichte mit der Entwicklung des Ablass’ aus dem Gnadenschatz und der Vorstellung des Fegefeuers zu einer Position gelangt, die einen Sonderweg innerhalb der christlichen Kirchen darstellte.

Am 4. September 1517 stellte Luther zunächst 97 Thesen vor, um einen Disput über die scholastische Theologie unter seinen Mitdozenten anzuregen. Im Oktober verfasste er weitere 95 Thesen, die direkt auf den Ablass Bezug nahmen, schickte sie in einem Brief an Albrecht und verbreitete sie unter Anhängern. Philipp Melanchthon zufolge soll er diese Thesen am 31. Oktober am Hauptportal der Schlosskirche in Wittenberg angeschlagen haben. Der Thesenanschlag wurde lange Zeit als Legende ohne historisches Fundament betrachtet, gilt jedoch nach der Entdeckung einer handschriftlichen Notiz von Georg Rörer, Luthers langjährigem Sekretär, im Jahr 2006 wieder als wahrscheinlicher. Fest steht allerdings, dass die Ablassthesen schon vor ihrem möglichen Anschlag an der Kirchentür bekannt waren, kursierten und von den Gelehrten diskutiert wurden, sodass der Aushang nicht erst als Anlass der ablasstheologischen Diskussion angesehen werden kann, sondern allenfalls bereits auf deren Höhepunkt stattfand.

Die Thesen fanden großen öffentlichen Widerhall. Luther protestierte darin weniger gegen die Finanzpraktiken der römischen Kirche, die auch vielen Fürsten und Bürgern missfielen, als gegen die im Ablasswesen zum Ausdruck kommende verkehrte Bußgesinnung. In einem ebenfalls am 31. Oktober 1517 verfassten Brief an den Mainzer Erzbischof prangerte Luther die Praxis an, dass Ablassprediger den Anschein erweckten, als wäre für einen Ablassbrief keine Reue nötig. Diese scheinbare Milderung bezog sich allerdings nur auf die Käufer des Ablassbriefes, nicht auf diejenigen, deren Sünden vergeben werden sollten. Diese mussten sehr wohl in Reue gestorben sein. Dem Brief an den Erzbischof lag der Tractatus de indulgentiis bei, in dem Luther eine Theologie des Ablasses entwirft. Er zeigte sich hierbei durch die augustinische Bußspiritualität bestimmt. Der Ablasshandel war für ihn nur der Anlass, um der allgemeinen Forderung einer grundlegenden Reform der ganzen Kirche „an Haupt und Gliedern“ Ausdruck zu verleihen. Dabei griff er den Papst noch nicht direkt an, sondern wähnte ihn – zumindest rhetorisch – noch auf seiner Seite. Allerdings sah er die Funktion des Petrusnachfolgers beim Nachlass der Sündenstrafen nur in der Fürbitte für die Gläubigen und sprach ihm damit die verbindliche Schlüsselgewalt ab, die den Gläubigen nach der schultheologischen Ablasslehre letzte Gewissheit über die Aufhebung jenseitiger Sündenstrafen verschaffen sollte. Verständlich waren die Ablassthesen nur dem gelehrten Fachpublikum, das die Feinheiten der theologischen Debatten um die Wirkweise des Ablasses kannte. Für die breitere Bevölkerung verfasste Luther deshalb 1518 den in einfacher und verständlicher Weise abgefassten Sermon von dem Ablass und Gnade. Luther bediente sich hierin erstmals der Volkssprache und verließ damit die akademische Welt. Die göttliche Genugtuung wird, plakativ gesagt, auf seine Gnade statt auf käuflichen Ablass zurückgeführt.

Albrecht von Mainz, inzwischen vom Papst zum Kardinal ernannt, zeigte Luther daraufhin in Rom an. Tetzel reagierte mit Gegenthesen auf die Disputationsreihe vom September, bei der ihn der Ingolstädter Theologe Johannes Eck unterstützte.

Im April 1518 durfte Luther im Auftrag von Staupitz vor der Augustinerkongregation in der Heidelberger Disputation seine Theologie erläutern. Das eigentliche Generalkonvent fand höchstwahrscheinlich vom 25. April bis zum 27. April 1518 statt. Es war eine öffentliche Disputation im Rahmen des Generalkapitels der Augustiner in Heidelberg in der Luther dann am 26. April 1518 sprechen konnte. Hier grenzte er die exklusive Relation von Gnade zum Glauben scharf gegen Aristoteles und die menschliche Willensfreiheit ab. Er gewann eine Reihe von Anhängern, die später zu Reformatoren wurden, darunter Martin Bucer, Erhard Schnepf, Johannes Brenz, Sebastian Franck. Im August 1518 berief die Universität Wittenberg an den neueingerichteten Lehrstuhl für Griechische Sprache Philipp Melanchthon, der bald Luthers engster Freund und Schüler wurde.

Luthers Kurfürst Friedrich III. war entschieden gegen den Ablasshandel in seinem Territorium. Grund war seine umfangreiche Reliquiensammlung, denn Betrachten und Berühren der Gegenstände religiöser Verehrung erließen dem Besucher eine bestimmte Anzahl von Tagen im Fegefeuer. Friedrich sah im Ablasshandel eine schädliche Konkurrenz für seine Pilgerstätte, (Reliquiensammlung) in Wittenberg.

Der römische Prozess, der Augsburger Reichstag (1518) und die Leipziger Disputation (1519)

Im Juli 1518 eröffnete die römische Kurie ein Verfahren gegen Luther, dessen Ergebnis ihm als citatio am 7. August 1518 zugestellt wurde. Er soll sich binnen 60 Tagen in Rom einfinden, um sich gegen den Vorwurf der Häresie zu rechtfertigen. Grundlage des Verfahrens waren u. a. die von Silvester Mazzolini, genannt Prierias verfassten, scharfen Angriffe auf Luther im „Dialogus de potestate papae“ (1518), auch „Prierias-Gutachten“. Noch vor dem Termin wurde die Anklage auf notorische Häresie verschärft: Spitzel in Luthers Wittenberger Vorlesungen hatten ihn mit gefälschten Thesen denunziert. Luther ersuchte aus gesundheitlichen Gründen um eine Anhörung auf deutschem Gebiet unter Berufung auf die Gravamina deutscher Nation. Friedrich der Weise, sein sächsischer Kurfürst, unterstützte ihn bei seinem Ersuchen. Am 21. August 1518 publizierte Luther seine „Resolutiones disputationum de indulgentiarum virtute“ worin er nicht nur die 95 Thesen präzisierte und erläuterte, sondern auch eine Vielzahl von Missständen innerhalb des römischen Klerus anführte. Gleichzeitig am 23. August wurde die Zitation nach Rom aufgehoben und Kardinal Thomas Cajetan, ein Dominikaner, beauftragt, Luther beim Reichstag zu Augsburg zu verhören.

Papst Leo X. benötigte die Stimme Friedrichs III. für seinen Kandidaten bei der anstehende Kaiserwahl und verfügte Luthers Anhörung in Augsburg. Damit geriet Luthers Prozess in ein politisches Fahrwasser. Cajetan, der päpstliche Legat, wohnte während des Reichstags im Stadtpalast des Jacob Fuggers und auch die Anhörungen fanden dort statt. Luther hingegen wurde im Karmeliterkloster Augsburgs unmittelbar neben St. Anna beherbergt, dessen Prior Johannes Frosch ein Ordensbruder aus den Erfurter Studientagen war. Luther fand Unterstützung durch eine Gruppe Augsburger Bürger, so etwa durch Konrad Peutinger.

Vom 12. bis 14. Oktober 1518 sprach Luther mit Cajetan im Fuggerschen Stadtpalast, wobei Urbanus von Serralonga die Gespräche moderierte. Am dritten und letzten Tag seines Verhörs durch Cajetan thematisierte Luther die Bedeutung des Gnadenschatzes und des Glaubens im Sakrament. Dabei ging es nicht um die Abschaffung „guter Werke“, sondern ihre Bedeutung in Bezug auf die römisch-katholische Kirche und Gott. Nicht weil der Mensch gute Werke tut, liebt ihn Gott, sondern weil Gott ihn liebt, wird er als Gläubiger frei, gute Werke zu tun, sich dem Menschen zuzuwenden.

Als Luther sich weigerte zu widerrufen, es sei denn, man würde ihn mit Zitaten aus der Bibel widerlegen, war er für Cajetan als Häretiker überführt. Luthers Freunde rechneten mit einer Verhaftung. Dieser entzog er sich, unter Mithilfe des Bürgermeistersohnes Christoph Langenmantel, durch seine Flucht aus Augsburg, in der Nacht vom Mittwoch auf den Donnerstag, dem 20. /21. Oktober 1518. Nach einer örtlichen Volksüberlieferung habe ihn Christoph Langenmantel überdies zu seinem Schutz nach Hohenschwangau gebracht, was allerdings historisch nicht belegt ist.

Im Januar 1519 starb Kaiser Maximilian I.; er hatte seinen Enkel, den spanischen König Karl I., als Nachfolger vorgesehen. Der Papst wollte dies verhindern, da er wegen Karls Besitztümern in Italien eine Umklammerung des Kirchenstaates fürchtete. Deshalb ließ er Luthers Prozess zunächst ruhen und beauftragte Karl von Miltitz, Kurfürst Friedrich für eine friedliche Lösung in der Glaubensfrage zu gewinnen. Der römische Gesandte erreichte immerhin, dass Luther sich zum Schweigen verpflichtete.

Während der Verfahrenspause stellte Eck Thesen für ein Streitgespräch mit Luthers Wittenberger Dozentenkollegen Andreas Bodenstein (genannt Karlstadt) auf. Sie richteten sich so klar gegen Luther, dass dieser sein Schweigen brach und vom 4. bis 14. Juli 1519 persönlich an der Leipziger Disputation teilnahm. Dort spitzte Eck den Konflikt auf die Frage der Papstautorität zu; Luther wagte die These, der Papst sei erst seit 400 Jahren – dem Decretum Gratiani, das päpstliches mit kanonischem Recht gleichstellte – Führer der Christenheit.

Eck versuchte Luther als Anhänger des 100 Jahre zuvor als Häretiker verbrannten Jan Hus zu überführen; Luther warf Rom im Gegenzug die Abspaltung der Ostkirche vor. Er ordnete das Konzil von Konstanz der Autorität der Heiligen Schrift unter. Dieses hatte das Nebeneinander von drei Päpsten zwar beendet, dabei jedoch die Autoritätsfrage – Konzil oder Papst – nicht geklärt. In diesem Kontext fiel Luthers Satz: „Auch Konzile können irren.“ Damit stellte er die individuelle Gewissensfreiheit im Hören auf die Bibel über autoritative Konsensentscheidungen der Bischöfe. Dies war faktisch der Bruch mit der katholischen Kirche.

Nachdem Karl am 28. Juni 1519 zum Kaiser gewählt worden war, nahm die Kurie Luthers Häresieprozess im Frühjahr 1520 wieder auf. Nach einem weiteren ergebnislosen Verhör vor Cajetan erließ der Papst am 15. Juni 1520 die Bannandrohungsbulle Exsurge Domine. Sie verdammte 41 aus dem Zusammenhang gerissene und teilweise verdrehte Sätze Luthers ohne Begründung und Widerlegung, setzte ihm eine Frist von 60 Tagen zur Unterwerfung und drohte ihm den Kirchenbann (Ausschluss) an.

Reichstag zu Worms (1521)

Dennoch widmete Luther im Oktober 1520 Papst Leo seine Schrift Von der Freiheit eines Christenmenschen und appellierte an ein neues Konzil. Am 10. Dezember aber vollzog er den endgültigen Bruch, indem er auf Verbrennungen seiner Bücher mit der Verbrennung der Bulle sowie einiger Schriften der Scholastik und des kanonischen Rechts vor dem Wittenberger Elstertor antwortete. Daraufhin wurde er am 3. Januar 1521 mit der Bannbulle Decet Romanum Pontificem exkommuniziert.

Dies und seine reformatorischen Hauptschriften machten Luther im ganzen Reich bekannt. Der Buchdruck, die allgemeine soziale Unzufriedenheit und politische Reformbereitschaft verhalfen ihm zu einem außergewöhnlichen publizistischen Erfolg: Bis zum Jahresende waren bereits 81 Einzelschriften und Schriftsammlungen von ihm erschienen, vielfach in andere Sprachen übersetzt, in insgesamt 653 Auflagen. In vielen Ländern regten sich ähnliche Reformbestrebungen, die sehr stark von den politischen Spannungen zwischen Fürstentümern und Zentralmächten bestimmt wurden.

Kurfürst Friedrich der Weise erreichte durch zähes Verhandeln, dass Luther seine Position vor dem nächsten Reichstag nochmals erläutern und verteidigen durfte.

Luther begab sich mit seinen Gefährten am 2. April 1521 auf die Reise nach Worms, seine Weggefährten waren sein Ordensbruder Johannes Petzensteiner (1487-1554), die Rechtsgelehrten Nikolaus von Amsdorf und Hieronymus Schurff. Auf seiner Reise predigte er u. a. in Erfurt, Gotha und Eisenach.

Am 17. April 1521 stand Luther vor Kaiser Karl V. und dem Reichstag zu Worms, wurde vor den versammelten Fürsten und Reichsständen verhört und letztmals zum Widerruf aufgefordert. Nach einem Tag Bedenkzeit und im Wissen, dass dies seinen Tod bedeuten könne, lehnte er mit folgender Begründung ab:

mein Gewissen in den Worten Gottes gefangen ist, ich kann und will nichts widerrufen, weil es gefährlich und unmöglich ist, etwas gegen das Gewissen zu tun. Gott helfe mir. Amen.

Die oft zitierte Version „Hier stehe ich, ich kann nicht anders, Gott helfe mir, Amen“, ist nicht belegt. Sie findet sich auf einem Holzschnitt aus dem Jahr 1556.

Darauf verhängte der Reichstag am 26. Mai 1521 das auf den 8. Mai rückdatierte, vom Kaiser gezeichnete Wormser Edikt über ihn: Es verbot unter Berufung auf die Bannbulle des Papstes im gesamten Reich, Luther zu unterstützen oder zu beherbergen, seine Schriften zu lesen oder zu drucken, und gebot, ihn festzusetzen und dem Kaiser zu überstellen. Die Reichsacht wurde den Ständen jedoch erst nach dem offiziellen Reichstag mitgeteilt, so dass ihre Rechtsgültigkeit vielfach bestritten wurde. Auch so hätte jeder Luther töten können, ohne dafür belangt zu werden: Er war nunmehr „vogelfrei“. Gemäß der Zusage an seinen Kurfürsten erhielt er freies Geleit. Später bereute Karl V. diese Zusage, weil die folgende Reformation die Einheit seines Reiches zerstörte.

Der Geächtete wurde am 4. Mai 1521 zwischen 17 und 18 Uhr nahe Schloss Altenstein in Bad Liebenstein durch den Ritter Burkhard Hund von Wenkheim und Hans Sittich von Berlepsch zum Schein gefangen genommen, entführt und auf der Eisenacher Wartburg festgesetzt, um ihn der Gefahr zu entziehen. Hans von Berlepsch war vom Jahre 1517 bis 1525 Burghauptmann auf der Wartburg, dort war er im Auftrag des Kurfürsten Friedrich mit der Betreuung des Staatsgefangenen Martin Luther vom 4. Mai 1521 bis zum 1. März 1522 beauftragt. Neben Luthers Schutz sollte er ihn auch in Lebenswelt der adligen Junker einführen. Hierzu zählten etwa das Reiten und die Jagd sowie sein gesamtes Auftreten als Edelmann.

Wartburgzeit (1521–1522), Bibelübersetzung und sprachprägende Wirkung

Auf der Wartburg blieb Luther vom 4. Mai 1521 bis zum 1. März 1522 inkognito als „Junker Jörg“. Auf Anraten Melanchthons übersetzte er im Herbst 1521 das Neue Testament in nur elf Wochen ins Deutsche. Als Vorlage diente ihm ein Exemplar der griechischen Bibel des Erasmus von Rotterdam, zusammen mit dessen eigener lateinischer Übersetzung sowie der Vulgata. Eine erste Auflage des Neuen Testaments erschien im September 1522 („Septembertestament“). 1523 erschien die erste Teilübersetzung des Alten Testaments; beide zusammen erlebten bis 1525 bereits 22 autorisierte Auflagen und 110 Nachdrucke, so dass rund ein Drittel aller lesekundigen Deutschen dieses Buch besaß. Bis 1534 übersetzte Luther zusammen mit einem Kreis aus Reformatoren und Professoren-Kollegen das übrige Alte Testament aus damals wiederentdeckten Handschriften der Masoreten; beide Testamente zusammen – einschließlich der Apokryphen – bilden die berühmte Lutherbibel.

Damit machte Luther biblische Inhalte dem einfachen Volk zugänglich. Zwar gab es vorher schon vierzehn hochdeutsche und vier niederdeutsche gedruckte Bibelausgaben, jedoch waren diese Übersetzungen durch ihre oft am lateinischen Urtext orientierte Wort-für-Wort-Übersetzung und die meist oberdeutsche Sprachfärbung schwer verständlich. Vor allem aber fußten sie auf der Vulgata, der die griechische Septuaginta zugrunde lag: Sie hatten also zuvor mindestens zwei Übersetzungsschritte hinter sich. Luther dagegen bemühte sich wie die Humanisten um eine möglichst direkte Übersetzung der hebräischen und griechischen Urtexte. Dabei benutzte er auch frühere Übersetzungen wie die Zainer-Bibel (vergleiche auch Vorlutherische deutsche Bibeln).

Er übersetzte nicht wortgetreu, sondern versuchte, biblische Aussagen nach ihrem Sinn (sensus literalis) ins Deutsche zu übertragen. Dabei legte er die Bibel gemäß seiner Auffassung von dem her aus, „was Christum treibet“, und dies hieß für ihn, auszugehen von Gottes Gnade in Christus als Ziel und Mitte der ganzen Schrift. Er wollte außerdem eine gehobene, aber zugleich volksnahe Übersetzung erstellen. Deshalb schaute er „dem Volk aufs Maul“ und gebrauchte eine kräftige, bilderreiche, volkstümliche und allgemein verständliche Ausdrucksweise. Seine sprachliche Gestaltung wirkte bis zur Gegenwart stil- und sprachbildend und trug dazu bei, durch Ausgleich dialektaler Formen eine überregional verständliche deutsche Allgemeinsprache zu schaffen. Im Bereich des Wortschatzes ersann er Ausdrücke wie „Feuertaufe“, „Bluthund“, „Selbstverleugnung“, „Machtwort“, „Schandfleck“, „Lückenbüßer“, „Gewissensbisse“, „Lästermaul“ und „Lockvogel“. Auch metaphorische Redewendungen wie „Perlen vor die Säue werfen“, „ein Buch mit sieben Siegeln“, „die Zähne zusammenbeißen“, „etwas ausposaunen“, „im Dunkeln tappen“, „ein Herz und eine Seele“, „auf Sand bauen“, „Wolf im Schafpelz“ und „der große Unbekannte“ gehen auf ihn zurück. Neben diesen Neuerungen bewahrte er aber auch historische Formen der Morphologie, die schon weitgehend durch Apokope verschwunden waren, wie das „lutherische e“ in Plural, Präteritum und anderen Wortformen. Für die Rechtschreibung führte seine Übersetzung dazu, dass die Großschreibung der Nomen beibehalten wurde.

Die Prinzipien seiner Übersetzungsarbeit hat Luther selbst in seinem Sendbrief vom Dolmetschen von 1530 ausführlich dargestellt und gegen den katholischen Vorwurf der Textverfälschung gerechtfertigt. Man hatte ihm zum Beispiel vorgeworfen, bei dem Ausdruck „allein durch den Glauben“, das die katholische Lehre von den guten Werken ausschließende „allein“ ohne Textgrundlage (lat. „sola“) eingefügt zu haben, ein Zusatz, den Luther aus dem Sinn des Textes begründete.

„Wahr ist’s. Diese vier Buchstaben stehen nicht drinnen. Aber wo man’s will klar und gewaltiglich verdeutschen, so gehöret es hinein.
[…]
Man muss nicht die Buchstaben in der lateinischen Sprache fragen, wie man soll Deutsch reden, wie diese Esel tun, sondern man muss die Mutter im Hause, die Kinder auf der Gassen, den gemeinen Mann auf dem Markt drum fragen und denselbigen auf das Maul sehen, wie sie reden, und darnach dolmetschen; da verstehen sie es denn und merken, daß man deutsch mit ihnen redet.“

Luthers Sprachform war das Ostmitteldeutsche seiner Heimat, in dem nord- und süddeutsche Dialekte schon teilweise verschmolzen waren, was eine große Verbreitung seiner Schriften ermöglichte. Luthers Sprache ist nach Werner Besch außerdem eingebunden in die maßgebliche kursächsische Schreibtradition Wittenbergs. Erst durch Luthers theologische Autorität gab seine Bibelübersetzung dem obersächsisch-meißnischen Dialekt den Impuls zum allgemeinsprachlichen Frühneuhochdeutsch in ganz Deutschland, vor allem im niederdeutschen Raum, später auch im Oberdeutschen. „Das Deutsch seiner Bibel ist wohl der wichtigste Steuerungsfaktor in der jüngeren Sprachgeschichte“, so das Fazit Werner Beschs zu seiner sprachgeschichtlichen Forschung.

Luthers Bibel gilt daneben auch dichterisch als große Leistung, da sie bis in den Silbenrhythmus hinein durchdacht ist.

Protestanten verwenden die Lutherbibel in ihren revidierten Neuauflagen bis heute. Sie ist eine wichtige Basis der Kirchenmusik: viele Kompositionen verwenden Luthers Textfassung für Choräle, Kantaten, Motetten und andere musikalische Formen.

Reformation in Wittenberg

In Wittenberg predigte Karlstadt inzwischen für weitreichende Gottesdienstreformen: gegen die Klöster, Opfergebete, Bilder in Kirchen und für das Abendmahl mit dem Laienkelch. Ab 1522 setzte der Stadtrat die Neuerungen um und beschloss Maßnahmen gegen Armut und Unzucht, wie sie Luther in seinen Schriften von 1520 vorgeschlagen hatte. Viele Nonnen und Mönche in Sachsen verließen die Klöster. Es kam zu Ausschreitungen gegen Geistliche, die dem alten Glauben anhingen, und die Tumulte ebbten nicht ab: Die Zwickauer Propheten, die unter dem Visionär Nikolaus Storch und dem Lutherschüler Thomas Müntzer gegen die Kindertaufe vorgingen und deshalb aus Zwickau ausgewiesen worden waren, verschärften die Unruhen.

Daraufhin folgte Luther dem Hilferuf der Stadtväter und kehrte im März über Borna, wo er den Aschermittwochbrief an den Kurfürsten Friedrich den Weisen verfasste, nach Wittenberg zurück. Mit den acht Invokavitpredigten überzeugte er die Bürger binnen einer Woche von maßvolleren Reformen. Die Liebe, nicht äußere Dinge seien entscheidend; Bilderbeseitigung sei unnötig, da Bilder nicht schadeten. Bis auf die Opfergebete ließ er die römische Messordnung unverändert, führte daneben jedoch das evangelische Abendmahl ein. Sogar die im Vorjahr vom Rat verbotene Fronleichnamsprozession ließ er 1522 zunächst wieder wie früher stattfinden. Nachdem der alte Stadtpfarrer Simon Heins Anfang September 1523 gestorben war, wurde Johannes Bugenhagen auf Luthers Empfehlung um den 25. Oktober 1523 vom Rat der Stadt und den Vertretern der Gemeinde Wittenberg als Stadtpfarrer an der Stadtkirche gewählt. Damit kehrte Ruhe ein, und Karlstadt verließ die Stadt. Am 9. Oktober 1524 gab Luther seine Lebensform als Mönch auf.

Mit Luthers Abgrenzung von den „Schwärmern“ fiel eine Vorentscheidung für den Verlauf der Reformation: Der radikale Bruch mit katholischen Gottesdienstformen blieb ebenso aus wie gleichzeitige tiefgreifende Sozialreformen. Dafür erfuhr Luther nun Unterstützung der Böhmischen Brüder und der Utraquisten (gemäßigten Hussiten). Diese bewahrten unter seinem Einfluss ihre hussitische Tradition. Am 29. Oktober 1525 hielt er die erste deutsche Messe ab. Ab Weihnachten wurde sie in Wittenberg üblich. Im folgenden Jahr veröffentlichte Luther eine Gottesdienstordnung.

Heirat (1525) und Familie, Krankheiten

Katharina von Bora war gemeinsam mit weiteren acht Nonnen zu Ostern im April 1523 aus dem Kloster Nimbschen (Zisterzienserinnen) geflohen und lebte seitdem in Wittenberg. Luther verlobte sich mit ihr am Dienstag den 13. Juni und heiratete sie am Dienstag den 27. Juni 1525. Die Heirat entsprach seiner Lehre, dass die Ehe kein Sakrament sei. Zudem hatte er den Zölibat abgelehnt und die Auflösung der Klöster verlangt.

Katharina unterstützte ihn privat und sorgte durch Unterbringen von Studenten in ihrem Haus, die zahlreiche Aussprüche Luthers aufschrieben, für Einkommen. Luther hatte mit ihr drei Töchter und drei Söhne, die alle in Wittenberg geboren wurden:

Johannes (1526–1575),
Elisabeth (1527–1528),
Magdalena (1529–1542),
Martin (1531–1565),
Paul (1533–1593),
Margarete (1534–1570).

Nachkommen Luthers und Luthers Geschwistern sind als „Lutheriden“ organisiert.

Luthers Wappen war die „Lutherrose“, deren Symbolik er in einem Brief vom 8. Juli 1530 beschrieb.

Luther litt fast sein ganzes Leben lang an zahlreichen Krankheiten, so kann man aus den Darstellungen folgende vermuten: Magenbeschwerden, Verstopfungen, Schwindelanfällen, Angina pectoris, Nierensteinleiden und Tinnitus. Tinnitus (Ohrensausen), Schwindelanfälle und Schwerhörigkeit waren von 1527 bis zu seinem Tod bei Luther auftretende Zeichen eines als Menièresche Krankheit zu betrachtenden Anfallsleidens (einer anfallsweise auftretenden Hörminderung mit Tinnitus und Schwindelanfällen). Seine Leiden gelten großenteils auch als Folge seiner enormen physischen und psychischen Belastungen und seines Lebenswandels. Im Jahre 1537 wurde Luther von einem heftige Blasen- bzw. Nierensteinleiden geplagt, es traf ihn auf seinem Weg von Schmalkalden zurück nach Wittenberg. In Erfurt traf er bei seinem Freund Georg Sturtz (1490–1548) ein, einem der reichsten Bürger der Stadt, der von 1516 bis 1526 auch Rektor der dortigen Universität war; er quartierte ihn in der Engelsburg ein wo man Luther medizinisch betreute.

Konsolidierung der Reformation

Nach dem Massaker an etwa 5000 aufständischen Bauern bei Frankenhausen (1525) verlor die Reformation ihren Charakter als Volksbewegung und wurde zur Angelegenheit der Landesfürsten, die aus der Niederlage der Bauern gestärkt hervorgingen. Konsequenz der Zwei-Reiche-Lehre wäre ein völliger Neuaufbau der Kirche auf alleiniger Basis der reformatorischen Theologie gewesen. Luther hielt jedoch wie die meisten Zeitgenossen eine konfessionelle Vielfalt innerhalb eines Territoriums für undurchführbar und empfahl Andersgläubigen auszuwandern. Da sich in deutschsprachigen Gebieten zunächst kein katholischer Bischof der Reformation anschloss und eine willkürliche Ausgrenzung Andersgläubiger für Luther von Gott verbotene Amtsanmaßung war, bat er 1525 den sächsischen Kurfürsten darum, als herausragendes Mitglied der Kirche deren Visitation, also die Überprüfung des Klerus auf Glaubenstreue und Amtsführung im Sinne des Evangeliums, anzuordnen. Dieses pragmatische und situationsbedingte Notkonzept wurde in evangelischen Gebieten bald zur Regel und begünstigte dort die Entwicklung zu konfessionellen Landeskirchen, die von den Landesfürsten geschützt, aber auch gelenkt und abhängig waren.

Als die katholischen Reichsstände 1529 auf dem zweiten Reichstag zu Speyer die Aufhebung der bisherigen partiellen Duldung der Evangelischen durchsetzten, legten die evangelischen Stände (fünf Fürstentümer und 14 Städte aus Oberdeutschland) die Protestation zu Speyer ein. Seitdem nennt man die evangelischen Christen auch Protestanten. Beim folgenden Reichstag zu Augsburg 1530 wollten Luthers Anhänger den protestantischen Glauben reichsrechtlich anerkennen lassen. Dazu verfasste Melanchthon das protestantische Glaubensbekenntnis, die „Confessio Augustana“, die Kaiser Karl auf dem Augsburger Reichstag überreicht und schließlich von ihm geduldet wurde. Luther konnte als Geächteter nicht daran teilnehmen und unterstützte seine Anhänger von der Veste Coburg aus, kritisierte aber auch einige der Kompromissformeln Melanchthons als zu entgegenkommend.

Am 15. April 1530 kam Martin Luther zusammen mit den Theologen Philipp Melanchthon und Justus Jonas als Begleiter des Kurfürsten Johann des Beständigen auf dem Weg von Augsburg nach Coburg. Da der Reformator unter Kirchenbann und Reichsacht stand, musste er auf der sicheren Veste Coburg zurückbleiben und konnte nicht am Reichstag zu Augsburg teilnehmen. Er lebte und arbeitete vom 24. April 1530 bis zum 4. Oktober 1530 auf der Veste zusammen mit seinem Sekretär Veit Dietrich und seinem Neffen Cyriacus Lindemann. Es standen ihm ein Arbeitszimmer und ein Schlafraum zur Verfügung. Luther stand mit seinen Freunden in Augsburg in engem brieflichen Kontakt. Er verfasste in der Zeit 16 Schriften („Sermone“), übersetzte Bücher des Alten Testaments, die Fabeln des Äsop und schrieb rund 120 Briefe. Anlässlich der 500-Jahres-Feier des Thesenanschlags in Wittenberg wurde von Mai bis November 2017 in der Veste Coburg die vom Haus der Bayerischen Geschichte kuratierte Bayerische Landesausstellung mit dem Titel Ritter, Bauern, Lutheraner gezeigt. Auf der Veste Coburg wurde Luther im Juni 1530 von seinem jüngeren Bruder Jacob Luther (1490–1571) besucht. Jacob hatte Martin Luther auch 1521 auf seine Weg zum Reichstag in Worms begleitet.

Spätzeit und Tod (1535–1546)

Nach dem Augsburger Reichstag trat Luther nur noch als Seelsorger und Publizist hervor. Er hielt bis 1545 Vorlesungen in Wittenberg, ab 1535 fast ausschließlich über die Schöpfungsgeschichte. Mit verschiedenen Stellungnahmen zu theologischen und politischen Einzelfragen versuchte er zudem weiterhin, den Fortgang der Reformation zu beeinflussen, jedoch mit weit weniger direkter Wirkung.

In den Türkenkriegen (1521–1543) benutzte Luther die Gefahr der osmanischen Expansion zunächst für seine kirchenpolitischen Zwecke. Er erklärte, dass es zunächst gelte, den „inneren Türken“, also den Papst zu besiegen, bevor man sich daran machen könne, gegen den Großtürken von Istanbul loszuschlagen, die er beide für Inkarnationen des Antichristen hielt. Als die Gefahr mit der Belagerung Wiens durch die Truppen Sultan Süleymans 1529 auch Mitteleuropa betraf, differenzierte er seine Haltung. In seiner Schrift Vom Kriege wider die Türken erläuterte er, dass der Papst den Türkenkrieg bisher nur als Vorwand zum Kassieren von Ablassgeldern benutzt habe. Die Misserfolge in der Abwehr der osmanischen Expansion erklärte er mit seiner Zwei-Reiche-Lehre: Es sei nun einmal nicht Aufgabe der Kirche, zu Kriegen aufzurufen oder sie selbst zu leiten – dies eine deutliche Anspielung auf den ungarischen Bischof Pál Tomori, der als einer der Kommandanten für die verheerende Niederlage von Mohács verantwortlich war. Für die Verteidigung gegen die Türken sei allein die weltliche Obrigkeit zuständig, der jeder Mensch Gehorsam schulde, die mit dem Glauben jedoch nichts zu tun habe. Mit dieser Argumentation war jede Vorstellung von einem Kreuzzug gegen die Osmanen unvereinbar. Den Krieg gegen die Türken selbst rechtfertigte Luther als Verteidigungskrieg und mahnte zu gemeinsamem Handeln.

Diese strikte Trennung von geistlichen und weltlichen Zuständigkeiten hob Luther wenige Monate später wieder auf, als er im Herbst 1529 in seiner Heerpredigt wider die Türken diese als Feinde Christi und eschatologische Vorzeichen des bevorstehenden Jüngsten Gerichts hinstellt und es zur Aufgabe gerade der Christen erklärt, „getrost dreinzuschlagen“. Mit diesen entschiedenen Tönen wollte er Vorwürfen den Boden entziehen, er habe sich durch Untergraben der Einheit des Christentums zum Handlanger der Türken gemacht.

So befürwortete er gegen seinen Grundsatz „Ketzer verbrennen ist wider den Willen des Heiligen Geistes“ (1519) die Verfolgung der Täuferbewegung. 1535 beendeten katholische und evangelische Fürsten gemeinsam das Täuferreich von Münster. 1543 erschien Von den Jüden und jren Lügen, 1545 Wider das Papsttum zu Rom, vom Teufel gestiftet.

Trotz eines schon länger währenden Herzleidens reiste Luther im Januar 1546 über Halle nach Eisleben, um einen Streit der Grafen von Mansfeld zu schlichten. Er starb am Zielort am 18. Februar 1546. Das heutige Haus Andreaskirchplatz 7 wird als sein Sterbehaus bezeichnet, gilt aber nach letzten Forschungen nicht mehr als der historische Ort, an dem Luther verstarb – das wirkliche Sterbehaus war vermutlich das Stadtschloss (Markt 56), in dem sich heute das Hotel „Graf von Mansfeld“ befindet. Sein Leichnam wurde nach Wittenberg überführt und am 22. Februar in der Schlosskirche beigesetzt. Vormund seiner Kinder wurde sein treuer Anhänger und Freund, der Arzt Matthäus Ratzenberger.

Als seine letzten schriftlichen Worte wird eine lateinische Notiz auf einem Zettel vom 16. Februar betrachtet, der nach Luthers Tod gefunden wurde:

Die Hirtengedichte Vergils kann niemand verstehen, er sei denn fünf Jahre Hirte gewesen. Die Vergilschen Dichtungen über die Landwirtschaft kann niemand verstehen, er sei denn fünf Jahre Ackermann gewesen. Die Briefe Ciceros kann niemand verstehen, er habe denn 25 Jahre in einem großen Gemeinwesen sich bewegt. Die Heilige Schrift meine niemand genügsam geschmeckt zu haben, er habe denn hundert Jahre lang mit Propheten wie Elias und Elisa, Johannes dem Täufer, Christus und den Aposteln die Gemeinden regiert. Versuche nicht diese göttliche Aeneis, sondern neige dich tief anbetend vor ihren Spuren! Wir sind Bettler, das ist wahr.

Dieser Artikel basiert auf dem Artikel Martin Luther aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Lizenz Creative Commons CC-BY-SA 3.0 Unported (Kurzfassung). In der Wikipedia ist eine Liste der Autoren verfügbar.