Phallus
Der Riese Zeit und das Mannweib Leben
Trafen sich heiß in der Juninacht.
Sie legten sich nieder am Berg in die Reben,
Hoch auf dem Berg standen die Sterne,
Hoch über den Sternen rauschte die Nacht.
Der Riese blaß wie die fernen Gestirne,
Die Dirne warm, Wein brütet der Berg,
Auf mächtigen Brüsten stützt sie die Krüge,
Schwer mit dem dunkelsten Safte gefüllt.
Sie trinkt und bietet zum Trunk dem Riesen,
Beide schlürfen am steinernen Maul,
Haupt an Haupt in der tönernen Höhle.
Sie trinken, die Mitternacht beginnt zu ermatten,
Sie trinken, die Sterne verschwinden im Berg,
Dem blassen Riesen bricht bald die Kehle,
Unversieglich strömt es vom Krugbauch.
Hält inne endlich, Atem zu holen,
Die Dirne lacht und hält ihm den Nacken,
Feuer wuchern in seinem Fleisch.
Er küßt ihr die Wangen, küßt ihr die Brüste,
Küßt ihr die Brüste, küßt ihr die Wangen.
Die Reben brennen, die Steine zerschmelzen,
Riese und Mannweib biegen den Berg.
Nachtwolken stehen tagfeurig und leuchten,
Riese und Mannweib biegen den Erdball.
Im breiten Lande pochen die Glocken,
In nächtigen Städten die scheuen Menschen
Stehen und starren, rot funkelt der Himmel,
Rot in die Fenster, rot in die Tore,
Glüht rot auf tausend ratlose Stirnen,
Glüht rot in tausend schreckoffene Herzen.
Neuntausend Jahre staunen die Menschen,
Neuntausend Jahre Nächte um Nächte,
Riese und Mannweib liegen am Berg,
Im neunten Tausend loschen die Nächte,
Phallus wurde geboren.
Phallus lag sorglos im sorglosen Gras,
Im Westen am Himmelsrand saß sein Vater,
Der schüttet den Sommer über die Erde
Oder die Kälte,
Dann kommen und gehen auf Erden
Alle Gedanken.
Sonne nährt Phallus,
Sie denkt auch für ihn.
Wurzeln sprechen ihm Kräfte ins Ohr,
Die Quellen und alle Metalle tief in der Erde
Machen ihn stark.
Herbst näßt den roten, brünstigen Wald,
Phallus schreit mit den dampfenden Hirschen;
Frühling treibt den Saft ins Gestämm,
Phallus lacht mit dem buhlenden Waldhuhn.
Phallus kannte die Mutter nie,
Sie ließ ihn, wo sie ihn schmerzlos gebar.
Der Vater blies Stürme über die Erde,
Es lebten die letzten der alten Menschen.
An großen Seen von salziger Säure,
Gelagert an gleißenden Kupferbergen,
In urfinstern Häusern von Kohle,
Aber die Rauhsten hausten am Stein,
Der rot ist vom Rost und rot ist vom Schweiß,
Drunter tropft eisenbitter die Quelle.
Phallus, der Nackte, schreitet vom Berg,
Mannstark am Morgen, der ihn gebar.
Sein Aug' gleich dem Brennglas
Durchdringt sieben Häute,
Nackt macht es die Menschen,
Nackt bis zur Herzhaut.
Am Flußufer lagern rauchige Wolken,
Myriaden von Menschen in jeder Wolke,
In heller Sonne nachtdunkel die Menschen.
Phallus durchschreitet die finstere Menge.
Vorbei an den nachtvollen Sorgengesichtern,
Vorbei an den niemüden, gähnenden Gassen,
Vorbei an den Reihen gespenstiger Häuser,
Jeder Ziegel gebacken aus uraltem Staub,
Staub der Ahnen, Eltern, Brüder,
Voll Staub die Lungen und Nasenlöcher.
Sie atmen alle tote Gedanken.
Phallus durchschreitet die finstere Menge,
Alle mit Sorgengarnen bekleidet,
Keiner geht nackt.
Wer wohnt dort im Gletscher,
Der über den Meeren,
Der über dem Rauch
Mit eisigen Gipfeln, mit feurigen Flanken
Ewig sonnig zur Sonne sich dreht?
Dort im ewig sonnigen Pol,
Mit kältenden Gipfeln und lüsternen Flanken,
Über den Meeren, über dem Rauch,
Wohnen die letzten Töchter der Menschen.
In tödlichem Spiegel sind sie geboren,
Sie haben den Spiegel niemals verlassen,
Keine trat je aus seinem Glas,
Niemand kam je zu ihnen hinein.
Der Spiegel aus Eis blendet im Glanzsaal,
Schmachtend am Spiegel liegen die Männer,
Schmachtend zum Bild, das sie niemals erreichen,
Sie sinken alle in zehrende Schwäche.
Phallus der Nackte tritt in den Berg,
Der über den Meeren, der über dem Rauch
Mit eisigen Gipfeln und feurigen Flanken
Ewig sonnig zur Sonne sich dreht.
Leichen füllen die Treppen und Gänge.
In Hallen und Sälen stockt Totenruh.
Mit glasigen Augen, zerbrochener Stirn
Liegen die besten der Männer am Spiegel,
Dem Spiegel, der schmerzhaft und ungeheuer,
Die höchste der Wände füllet im Glanzsaal.
Phallus tritt auf die seufzende Schwelle,
Wütend fliehen gefräßige Fliegen.
Blank und bleich wie Kastanienblumen
Liegen die Jungfraun im schmerzhaften Glas.
»Ihr wohnt im sonnigsten Haus der Erde,
Selber kommt ihr niemals zur Sonne.«
»Möchten gerne kommen zur Wärme,
Wir dulden nicht, Wärme zu teilen mit Toren.«
»Sonne selber duldet die Toren,
Töricht ist es, nicht Sonne zu teilen.
Gähnt nicht im Spiegel und kommt zum Manne,
Kommt zum Manne, ich will euch frein.«
»Nicht Stirn, nicht Faust brechen dies Glas,
Kein Menschenherz schmelzt diesen Spiegel.«
Phallus tritt vom Eingang der Halle,
Bricht mächtig mit Händen die Decke vom Saalbau.
»So komme das Herz des Himmels zu euch.«
Sonne füllt breit den dachlosen Saal,
Heißgereizt lodert der Spiegel.
Lustige Kugeln, Silber und Eis.
Hurtig schmilzt der Spiegel zu Tropfen,
Frei in kühlem weitem Gemach
Liegen die Jungfraun auf silberner Erde.
Phallus tritt auf das kochende Eis,
Da lachen die Frauen ein fernes Gelächter,
Und lachend sind alle verschwunden.
Phallus verbrennt die Sohlen und Hände,
Er bückt sich nach Kieseln, beißt Steine zu Staub,
Er lachte Feuer, er lachte Blut,
Das weckt nur die Leichen der Männer.
Augäpfel, wachsende, sehen ihn an,
Herzen, von Fliegen zerfressen, erwachen,
Die Männer sehen den machtbreiten Mann,
Die Männer fliehen hinaus in den Rauch,
Phallus steht schweigend bei seinem Schatten.
Müde legte sich Phallus zum Gletscher,
Der leuchtet brünstig und wird Vulkan.
Die Männer unten im rauchigen Tal
Bestaunen zitternd solch staunende Kraft,
Sie wollen ihn töten am matten Morgen,
Doch Phallus schläft tief in glühenden Wolken.
In zweiter Nach schläft er bei einer Quelle,
Die Quelle kocht verheerend ins Tal.
In dritter Nacht stürzt er den Adler vom Horst
Und schläft bei der Adlerin sieben Nächte.
Nach neunter Nacht zwingt er die Schlangen zu Müttern,
Und aufrecht gehen seitdem die Schlangen.
In elfter Nacht jagt er die weiße Stute,
Ihr wachsen Flügel, mit ihr besteigt er die Horizonte.
Phallus schläft dreißigmal dreißig Jahre
Im warmen Getümmel der warmen Erde,
Aber am Ende geheiligter Zeit
Wächst ihm von neuem nach nackten Menschen
Die alte unabwendbare Sehnsucht.
Er kehrt zu den dröhnenden Kupferbergen,
Er kommt zu den rauchenden salzigen Seen,
Er liegt ermüdet am rostigen Stein,
Zum erstenmal trifft ihn einsam die Nacht,
Denn kälter noch als der urkalte Raum
Waren auf Erden die Menschen geworden,
Der Himmel zog die Sonne zurück,
Die Menschen im Tal vergaßen den Namen.
Unten an der bittern Quelle
Lagert das letzte Tausend der Männer.
Phallus liegt auf den rostigen Bergen,
Er wärmt die Adern des hohlen Steines.
Tief in den Bergen schlafen die Frauen,
Sie, die das Unsichtbarwerden erlernt.
Sie dachten kaltblütig wie kältende Nacht,
Sie fühlen erwachend die Steine erwärmt.
»Mein Marmorkissen wird siedend lästig?«
»Mir glühen enger und enger die Gürtel?«
»Mir füllen sich seltsam üppig die Wangen?«
»Mir brennen und pochen die Brüste?«
»Wäre es Phallus, der so erhitzt?«
»Kitzelnde Fäden sollten ihn fangen.
Will seine Stirn als mein Diadem,
Will seine Finger als beinernen Kamm,
Will sein Schamhaar als Kissen zum Traum.«
»Aber nie nehmen wir Phallus zum Mann,
Er würde uns zwingen, blutend zu dienen.«
Phallus hört durch den rostigen Stein
Die Frauen, die wachen, im hohlen Berg.
Da sitzt ein Knabe auf kühnem Berg,
Sein Blick greift sicher die rollende Wolke.
»Hast du auch Silber in deinen Gliedern?«
Er fragt das Mädchen auf treibender Wolke.
»Mein Vater ist Phallus, die Wolke die Mutter,
Ich habe Silber in jedem Glied,
Den Leib von Fleisch hat Phallus geschaffen.«
Stolz schüttelt das Mädchen sein schneeweißes Haar.
»Mein Vater ist Phallus, die Adlerin Mutter,
Ich habe Silber in jedem Glied,
Den Leib von Fleisch hat Phallus geschaffen.«
Stolz schüttelt der Knabe die Adlerschwingen.
»Rund um den Salzsee wachen die Feuer,
Dort schlafen im Kreise die finsteren Menschen.
Zeige am Feuer dein silbernes Blut,
Dann will ich nur immer dich küssen.« –
Der Knabe führt die Wolke ins Tal.
Phallus hält Rundschau:
Die Eichentöchter wandeln im Wald,
Bei ihnen buhlen die Söhne der Sturmfrau.
Phallus hält Rundschau:
Die Schwanentöchter liegen am Strand,
Bei ihnen schmeicheln die Söhne der Robbe.
Phallus hält Rundschau:
Die Adlersöhne umkreisen die Wolken,
In sieben Farben lächeln die Wolken.
Phallus hält Rundschau:
Im warmen Getümmel der warmen Erde
Lieben sich alle, die Phallus geschaffen,
All seine Geschöpfe mit silbernem Blut.
An dem schlackigen urtrüben See
Schlafen einsam die letzten Männer,
In den eisigen hohlen Bergen
Liegen einsam die Töchter der Menschen.
Keiner der Männer im Tal geht nackt,
Keine der Frauen im Berge geht nackt,
Alle mit Sorgengarnen bekleidet;
Sie haben nie einander gesehen.
Phallus liegt auf dem Berg und horcht,
Hilferuf stürzt herauf vom See,
Über dem Haupt erstarren die Wolken.
Der Adlerin Sohn, das Mädchen der Wolke,
Von Menschen getötet, fallen am Ufer.
Den Rumpfen enteilt das silberne Blut,
Die Menschen fangen das klagende Silber.
Menschen ohne Weisheit und Wärme,
Die Menschheit verzehrt eine rächende Nacht.
Phallus springt vom zitternden Berg,
Unter ihm schreit die erschrockene Erde,
Phallus schlägt zornig die zornheißen Zähne.
Glut springt vom erbitterten Mund;
Fliehen auch unsichtbar Männer und Frauen,
Keiner enteilt sichtbarem Tod,
Den letzten erschlägt der lohende Fluch;
Die Menschheit verzehrt eine rächende Nacht.
Stille wächst, es wachsen die Berge,
Es wächst der Himmel ernst wie ein Stein
Und deckt die Grüfte und Höhlen und Berge.
Stille wächst, es wachsen die Meere,
Die Wellen waschen die Asche im Tal,
Die Erde wächst, die Erde ist nackt,
Nackt steht die Erde und ohne Ränke.
Phallus sieht auf die nackte Erde,
Da fallen Tränen aus seinem Herzen,
Sein Schluchzen schüttelt die Kerne der Erde:
»Nun werde, Erde, zur klagenden Insel,
Dein Stein sei von Schmerzen gebogen,
Irr spricht der Himmel,
Die Menschen verdarben,
Kein Tod stillt die Leere.«
Phallus weint sechs Tage, sechs Nächte,
Die Träne steht still am siebenten Tag,
Und Phallus ruht auf verwitterter Erde.
Erde spricht dir weisesten Rat,
Höre, Phallus, Weisheit der Erde:
Herzliche Wünsche lenken die Zukunft,
Herzlicher Wunsch lenkt dir alle die Sonnen.
Riesen walten im Feuer der Sonnen,
Urlicht und Urklang.
Urlicht und Urklang rollen die Sterne,
Rollen die Erde.
Sonnen und Sterne, Sterne und Erde dienen dem Urleib;
Urleib der Sonnen, Sterne und Erde,
Urleib dient Urherz.
Erde spricht dir weisesten Rat,
Höre, Phallus, Weisheit der Erde.
Solange ich lebe, dien' ich dem Urherz,
Solange ich lebe, bin ich sein Denken.
Leben ist Herzlust, Leben ist Herzleid,
Sekunden der Freude, Sekunden des Schmerzes,
Alle vereint sind unendlich ein Leben.
Herzlust und Herzleid sind Mosaik,
Und wollen sich ordnen zum Körper des Friedens,
Ordner ist Urherz, Urherz sind alle.
Erde spricht dir weisesten Rat,
Noch höre, Phallus, Weisheit der Erde.
Keiner ist nur auf der Erde geboren.
Es lebt jedes Leben mitten im Himmel.
Sei weise, achte die Seelen des Himmels,
Die Riesenbrüder, die Sonnen und Sterne.
Die Riesengeschlechter sind große Quellen,
Die großen Sterne sind große Quellen,
Die großen Sonnen sind große Quellen,
Ein Gott sind alle mit dir im Urherz.
Keiner ist nur auf der Erde geboren,
Herzlicher Wunsch macht zum Magneten,
Herzliches Wünschen lenkt alle die Sonnen.
Phallus steht unterm nächtigen Bogen
Und blickt zur singenden Straße der Sterne,
Er streichelt heiter die nackte Erde.
»Ich wünsche mir herzlich Herzfreude zum Weib,
Und ich will wünschen und ich will lenken.«
Phallus verläßt die einsame Erde
Und wandert über den Urleib des Himmels.
Am lohenden Sonnenherd sitzen die Riesen,
Urlicht und Urklang, sie dienen dem Urherz.
Urlicht bückt sich ins Feuer und fragt:
Urklang, mich blendet im Feuer ein Feuer.
Urklang bückt sich zum Feuer und horcht:
Ein Ruf trifft Urlicht, ein Ruf trifft Urklang,
Die Riesen stürzen betäubt und geblendet.
Das hastige Feuer schrumpft in den Herd,
Die große Sonne steht dunkel und zittert.
Unten im Abgrund schreit heiser die Erde,
Die Wälder versteinern, Eis wächst im Tal,
Aus allen Wolken fallen die Vögel,
Die Tierherden seufzen und sterben.
Phallus in Sehnsucht ruft seinen Herzschrei,
Beim heftigen Herzruf stockt auch die Sonne:
»Urlicht und Urklang, ihr dient dem Urherz,
Gebt mir das Weib, den Leib heiter und nackt,
Sehnsucht heftiger als die Sonnen
Flammt über den Himmel, verdunkelt den Urleib.«
Die Sonnen halten mächtigen Rat,
Phallus, höre die Worte der Sonnen:
So Einer wünscht und wünschet von Herzen,
Regiert er die Sonnen, sein Wille wird Urherz.
Wir bauen im Urblau dir einen Stern,
Sein Kreis sei runder als jede Sonne,
Die irdische Iris kann ihn nicht fassen.
Wir bauen im Urblau dir eine Wohnung,
Neun Farben, neun Töne,
Die Linie eine und einen Gedanken.
Wir bauen im Urblau dir eine Erde,
Rund dort die Ecken herzlicher Steine,
Und Eine wandelt dort heiter und nackt
Im Takt ihres ewigen Herzens.
Ihr Auge ist rund, sie nenne Herzfreude,
Die irdische Iris kann sie nicht fassen.
Drei Söhne wird sie heiter gebären
Aus Erde, aus Himmeln,
Drei Söhne, Bildner, Pfeifer, Träumer.
Die bringe zur Erde.
Drei Bräute gebiert die Sonne den Söhnen,
Drei Bräute, Lichtlust, Klanglust, Mär.
Drei Söhne, drei Bräute schaffen den Menschen
Nach heiligen Maßen, nach Linien der Mutter.
Heitere Arme, nackender Leib,
Füße, die wandeln im Takte des Herzens,
Rund die Augen und rund das Herz.
Nun glühe, Phallus, und zünde die Sonne.
Komme, der Rasen treibt Wärme und Saft,
Komme, der Garten treibt heiße Bäume,
Honigäpfel liegen zu Paaren,
In zwei Teichen steht dunkel geschrieben
Das Alter der Sonne, das Alter der Erde.
Dort in Lauben aus seltenem Laub
Münden feurig die Straßen der Erde,
Finde das Ende der schmerzlichen Welt.
Phallus betrachtet sein kräftiges Weib.
Du bist Herzfreude, dich will ich umarmen,
Du bist nicht Erde. Wer hat dich geboren?
Schmerz hat dich göttlich geboren.
Phallus umarmt den verschwiegenen Leib,
Warmer Regen fällt vom Gewölk,
Urlicht und Urklang lachen am Herd,
Breit fällt die Wärme zur Erde.
Im Regenbogen war Bildner gewiegt,
An den schön siebenfarbigen Bogen
Knüpfte die Mutter das Bett ihm.
Mit offenen Augen schlief dort das Kind
Unter dem siebenfeurigen Bogen.
Ihm fiel die Sternschnuppe heiß in die Stirn,
Ein Feuer kränzt ihn, von Sternen gefallen.
Pfeifer verlief sich im Vogelwald,
Drei Tage sucht ihn die Mutter,
Am ersten lacht er im Blau mit den Lerchen,
Am zweiten nährt ihn mit Eiern die Wachtel,
Die Nachtigall weinte am dritten mit ihm.
Ihm fiel eine Sternschnuppe heiß in die Stirn,
Ein Feuer kränzt ihn, von Sternen gefallen.
Träumer ist blind geboren und taub,
Doch neun Farben weiß er, die Brüder nur sieben.
Neun Töne kennt er, die Brüder nur sieben.
Die Sternschnuppe fiel ihm heiß in die Stirn,
Nun spricht er Feuer, von Sternen gefallen,
Und Feuer kränzt ihn.
»Vater, ich hörte ein Seufzen im Schlaf.«
»Das war die Erde, mein Sohn,
Die Erde ist arm.«
»Vater, ich hörte ein Schluchzen im Schlaf.«
»Das war die Erde, mein Sohn,
Die Erde ist leer.«
»Vater, mich brannten Tropfen im Schlaf.«
»Das waren Tränen, die Erde will Menschen.«
»Vater, wir schlafen nicht mehr im Himmel,
Wir wollen zur Erde, wir schaffen ihr Menschen.«
»Wollt ihr zur schmerzlich zackigen Erde,
Faßt nie mehr das Auge den Himmel, den runden.
Küßt eure Mutter, seht ihr ins Auge,
Nie seht ihr wieder solch rundes Auge,
Kommt ihr zur schmerzlich zackigen Erde.«
»Wir wollen zur Erde, wir schaffen Menschen,
Rundherzige Menschen wie Augen der Mutter.«
»Ich bin euer Führer, wollt ihr zur Erde,
Ich küsse euch, Söhne, mit herzlichem Rat:
Kommt ihr zur Erde,
Jungfrauen der Sonne nehmt euch zu Bräuten,
Und drei erwarten euch auf der Erde.
Bildner, nimm Lichtlust.
Pfeifer, nimm Klanglust.
Träumer, nimm Mär.
Die Frauen beschlafet jeglichen Tag,
Ungeschwächt werden die Frauen euch lieben.
Stündlich wächst euch männliche Kraft,
Und Jungfrauen werden sie täglich.«
Die Mutter umarmt die fröhlichen Söhne:
»Hört, meine Söhne, kommt ihr zur Erde,
Ein Wurm lebt urgrau unter den Würmern,
Er nagt an der Erde, sie nennt ihn Tod.
Ihn ehret, gebt ihm ersehnte Gestalt,
Gebt ihm junge aufrechte Gestalt,
Gebt ihm Lächeln und rosiges Blut,
Es knirsche nur eisern die eiserne Sohle,
Der fröhliche Schmetterling steig' aus dem Haupt.
Kommt ihr zur Erde,
Im Berg auf Magneten liegt Unheil, die Schlange,
Ihr gebet göttliche Linien, doch keinen Körper,
Ein Schatten, mit Ketten gefesselt an Sonnen,
Er schreite aufrecht in steinernen Ketten,
Dunkel das Zepter, dunkel die Krone.
Kommt ihr zur Erde,
Brandblumen wachsen, Brandblumen schwächen,
Erdlust pflückt euch die Blumen vom Leib;
Erdlust drückt Trauben ins hitzige Haar,
Ehrt Erdlust, Mutter der Tiere und Früchte,
Sie schürt die Feuer im lodernden Laub,
Ehrt ihre Töchter, Erdfeuer, Fleischlüste,
Blutbrand öffnet fangarmig ihr Haar,
Gürtellos ruft vom wirbelnden Berg,
Nie ist ein Tag am wollüstigen Kamm,
Doch keiner fürchte die feurige Höhe,
Dort tanzen die Töchter den rauchenden Tanz
Jährlich sechs Nächte,
Drei Nächte im Maimond,
Drei Nächte im Herbstmond.
Kommt ihr zum Berg auf lockender Asche,
Verliert die Sonne und alle Schatten,
Lebt den Willen des Willenlosen
Jährlich sechs Nächte,
Drei Nächte im Maimond,
Drei Nächte im Herbstmond.
Seid ihr auf Erden,
Nie backt dort Ziegel vom Staub eurer Brüder.
Nie näht von Maulwurffellen euch Mützen,
Schneller geht nie als im Takt eurer Herzen,
Aber schaut tiefer als euer Auge.
In warmen Lauben schafft warme Menschen,
Rund, wie mein Auge, schafft runde Herzen,
Nackt, wie ihr selber, schafft nackte Menschen.«
Ein roter Blitz trägt Phallus zur Erde,
Die Söhne eilen auf fruchtbarer Wolke.
Die blaue Wolke sät blauen Samen,
Drei blaue Hengste stampfen am Erdrand.
Nur junge Blitze fressen die Hengste,
Mit beiden Händen streut Phallus Blitze.
Die stählernen Hengste hat Urblau geworfen,
Sie stampfen und nennen sich Eifer.
Die Hengste stampfen, da blühen die Steine,
Die Steinwälder treiben, und munter grünt Saft.
Die Hengste schnauben, da schwinden die Gletscher,
Die Eisfelder schwinden, und munter blüht Kraut,
Die Hengste schütteln die lachenden Nüstern,
Da lachen die Berge und werden Magneten,
Magneten ziehen die Sonne zur Erde.
»Nun lass' ich euch Söhne am dunkeln Erdrand:
Drei goldne Stuten fliehen am Meer,
Drei goldene Bremsen stechen die Stuten,
Drei goldene Bräute müßt ihr erreichen.«
Phallus kehrt zu Herzfreude im Urblau,
Die Söhne greifen die steigenden Hengste,
Zwölf Monde jagen die Hengste die Stuten,
Zwölf Monde fliehen die Bräute der Sonne.
Siebenmal um den Gürtel der Erde
Und sieben Stuten jagt jegliche Braut.
Einundzwanzig stürzen zu Asche.
Drei des Saturn, drei des Neptun,
Des Uranus drei,
Drei vom Mars, drei der Erde,
Der Venus drei und drei der Sonne.
Die letzten der Stuten zerstäuben im Gras,
Und sonnenweiß stehn in den Aschen die Bräute.
Lichtlust, Klanglust, Märlust, sie warten
Und grüßen Bildner und Pfeifer und Träumer.
»Wir sind geflohn, bis zu Asche die Stuten,
Stahl sind eure Hengste, nie bluten die Hufe.
Stahl seid ihr Fürsten, wir sind eure Mägde.«
Irisfelder blühn aus den Aschen
Und Felder von rundem vierblättrigem Klee,
Die Irisblumen sind Hochzeitsbetten,
Der breite Klee labt den siegenden Hengst.
Die Männer sprechen zu ihren Frauen:
»Wir ehren die Wünsche, ihr strengen Frauen,
Wir wollen im jungen Tau euch erwarten,
Wir wollen mit steigender Sonne euch lieben,
Wir wollen mit fallender Sonne euch lassen,
Jeder Tag soll mit Eifer schaffen,
Menschen rundherzig wie Augen der Mutter.«
»Wir ehren die Wünsche unserer Männer,
Und keinen Tag wollen wir zögern im Himmel,
Jeder Tag soll mit Eifer schaffen
Rundherzig den Menschen.«
Rundherz, der erste rundherzige Mann,
Rundherz, die erste rundherzige Frau,
Beide aus weißen Magneten geschaffen,
Die lagen zusammen im Herzen der Erde.
Sie halten sich sicher mit beiden Händen,
Sie halten sich sicher mit beiden Augen,
Sie halten sich ewig mit beiden Herzen,
Nie kann die zerbrechende Erde sie trennen.
Nicht lange, da wurde Goldklang geboren,
Aus sieben Erzen und sieben Klängen,
Aus sieben Welten und sieben Himmeln,
Sie singt, und sieben Echo erwachen,
Sieben Wälder blühen, sieben Quellen tanzen.
Und weiter nicht lange, da wurde Goldwort,
Goldwort, der Stumme, neun Farben im Auge,
Neun Töne im Ohre, neun Lächeln im Antlitz,
Mit einem Lächeln befriedigt er alle,
Neunmal befriedigt er lächelnd die Erde.
Vier Menschen leben rund unter den Bäumen,
Sie leben glücklich mit glücklichen Tieren,
Sie leben glücklich mit glücklichen Früchten,
Glücklich wie Mutter Herzfreude im Urblau.
Noch einmal wird dann am letzten geboren,
Wer da geboren, niemand wird's wissen.
Nicht von den glücklichen Menschen gekommen,
Nicht von göttlichen Vätern und göttlichen Müttern,
Aus keinem Körper, aus keinem Gedanken,
Sie fassen es nie, die glauben zu fassen.
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