Der Frau Generalin v. Varnbüler
Das edle, das geliebte Angesicht
Nun wiedersehend, ach, wie fang ich's an,
In Worte würdig unseren Willkomm
Zu fassen, bei des Herzens Ungestüm?
Dieselbige, wie wir dich immer kannten,
Kamst du zurück, dein gütig Auge sagt's,
Der Liebe aber ist's, der Ehrfurcht eigen,
Daß sie, nach kurzem Fernesein, befangen,
Verwirrt vor ihrem Gegenstande steht,
Gleich als vor einem ungewohnten Gast,
Wenn uns sein stiller Blick mit Lächeln prüft.
Dieselbe, ja du bist es, teure Mutter!
Nur trägt dein Antlitz, o wie hell, die Spur
Der Heiligen, die dich berührt! Umsonst
Nicht fleht man ihr; sie wirft dem Wagenden
Aus eisiger Nacht die tauende Rose zu.
Wir waren oft bei dir, du glaubst es kaum,
Leibhaftig eben nicht; doch wenn du pflegtest,
Im Tannenschatten auf das Moos gebettet,
Balsamische Luft zu atmen, zweimal täglich,
Elise dir zur Seite mit viel andern,
Da kamen wir, zu leichten Traumgestalten
Verkleinert, schlüpften durch die hohen Äste
Mit jenen runden Lichtern leis herab,
Die deines Kleides Saum und Hand und Schultern
Zudringlich küßten. Kanntest du sie nicht?
– Wenn nun die ganze Schar in einen Rahmen
Gefangen, eins am andern, dicht gedrängt,
Sich wieder zeigte – ob du sie wohl kennst?
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