Keiner Seele darf ich Antwort geben
Ihr im Sommer leeren Dächer, Dielen,
Höfe, und ihr weißen Villen, deren
schöne Fraun und Herrn an fernen Seen
mit der Lässigkeit des Freiseins gehen;
Bühnenhäuser, ausgebrannt wie Gruben;
und ihr grün verstummten Vorstadtstuben,
wo jetzt Stieglitze Verstecken spielen;
Schulen, die in Ferien verwildern,
Staub auf Bänken, Tafeln, Kaiserbildern,
o wie lehnt ihr arm in eurer Leere,
jede stöhnt: »Wie ich Getrieb entbehre!
Wo sind meiner flinken Schwärme Füllen,
daß sie mich in lauter Wärme hüllen,
daß sie mich mit ihrem immer wachen
Atemwind zu einer Harfe machen?«
Ach, den Glocken auf den Korridoren
ist die strenge Stimme wie erfroren,
und die Geige hat Gefühl und Jung-Sein
und die Uhr ihr Augenlicht verloren,
und der Treppen frühes Auf-dem-Sprung-sein
hängt wie umgebracht und ungeboren!
O wie fühl ich eure arme Leere
tief im Herzen mit und dieser bangen
langen Weile laue Sonntags-Schwere!
Und der Barren und die Kletterstangen
und der lustige Rundlauf sind Gespenster
wie die Furcht der lautlos starren Fenster,
die zuvor wie Morgenwälder sangen,
wenn das Lineal verstohlen Takt schlug
und das Pfeifen auf dem Federkasten
einen Träumer zur beglänzten Schlacht trug . . .
Wie vergeh ich im erzwungnen Fasten
der Buffets und ungedeckten Tische,
wo die hellen Frauen rastend saßen
und mit schmalen Gesten tastend aßen,
und im Garten sterben eure Fische,
denen Fremde gutzutun vergaßen!
Wie vergeh ich mit den leeren Stühlen
der Parkette und der Logen-Lücken,
und im Staub, wie eingestürzte Brücken,
Trümmern so geblieben von Kulissen
und Maschinen jäh gehemmt wie Mühlen,
deren Rad mit Eins auf Halt gerissen!
Wie vergeh ich mit den Sofakissen
und den Vasen und dem Aschenbecher
hinter den geschlossnen Jalousien --
wann wird wieder heimlich an gewissen
Sonntagnachmittagen Schal und Fächer
bei euch sein und jemand auf euch knien,
wann Beschwörung immer schwüler, wilder
und verwirrter Zärtlichkeit Geraun
rinnen über Spiegel, Buch und Bilder
und euch wieder in das Leben baun?
Wie vergeh ich grau in eurem Graun!
Aber ihr seid nur für kurze Zeit
leichthin weggelegt und fast vergessen,
nur für Wochen sachte eingeschneit,
ihr habt Pflicht und Werk besessen,
und es wird euch immer wieder werden,
wenn mit weichen Wiederkehr-Geberden
sich Willkommenkränze wehend winden
und die ausgeruhten, muntern Füße
euren Fliesen flinkre Tänze finden,
und die alten guten Morgengrüße
und die alten guten Schluß-Choräle
wieder Glied an Glied zur Kette binden.
Wie beneid' ich eure lauten Säle!
Denn ich bin ein ganzes banges Leben
hilflos leergelassen und verschüttet,
keiner Seele darf ich Antwort geben,
keinem Lied im gleichen Echo schweben,
keine müde Schwester betten, keiner
Dürstenden den Krug zum Munde heben;
niemand, wär' er noch so wüst zerrüttet,
der vor meinem Haus um Obdach bittet,
niemand, der mich »lieben Lehrer« nennt!
Ungenützt verkümmern meine Gaben,
weder Sommer darf, noch Herbst ich haben,
und wie junges, grünes Gras verbrennt,
geh' ich ungeerntet aus als einer,
der die eignen Kinder nicht erkennt.
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