Abschied und Wiederkehr
O f f e n b a r u n g
Löst sich die Lust von ihrem letzten Lohn,
so klammert sich ans Herz ein Klageton.
O ewiger Abschied ewiger Wiederkehr —
wohin entrinnst du und wo kommst du her!
Du Echo, das mit einer Nymphe ruft
in der Geschlechter unnennbare Kluft!
Du Stimme, die mit einer Nymphe weint,
weil die Natur so trennt, was sie vereint —
Schmerzvoller Nachhall der Unendlichkeit!
Du Angst des Blickes in die Endlichkeit!
Durch alle Schöpfung blutet dieser Riß —
Echo klagt immer wieder um Narziß.
Hat es der Schöpfer denn gewollt, gewußt?
Lust so von Lust verkürzt, ergibt Verlust.
Lebendige Lust, du klagst am Sarg der Lust,
von deren Tod du selber sterben mußt.
Du Grabwind, Leid und Lied zum eignen Grab,
du willst nicht in den finstem Tag hinab.
So leuchtend war die Nacht; der Tag ist grau.
Entläßt die Nacht den Tag, so weint sie Thau.
Stumm ist die Wonne, der das Wort entspringt.
Lust weckt den Geist, der ihr kein Wort entringt.
Du letzter Laut, der mir von weit her spricht,
mir wird die Sprache, du bist das Gedicht!
Du reichstes Glück, das im Gewinn verlor,
du größte Kraft, die an der Glut erfror,
du Augenblick der Liebestodesangst,
der du dich selber zu verlieren bangst —
verweile Augenblick, du bist so schön!
Ich sag's zu ihm. Ich hab das Aug gesehn!
L e g e n d e
Doch ist er fort. Sie hat ihn mitgenommen
beim Abschied ihrer selbst. Ich stand beklommen.
Wie alles Licht in Rauch und Nebel schwand —-
ein armes Hündchen plötzlich vor mir stand.
Sah zu mir auf und hatte ihren Blick.
Ließ sie mir ihn als Unterpfand zurück?
Und wie es wimmernd immer zu mir schaut,
so war’s ihr Schmerz, so war’s ihr Klagelaut.
Ihr Abschied war’s und war ihr Wiedersehn –
die Zeit bleibt stehn, ein Wunder ist geschehn.
Dies Auge, diesen Ton hab ich gekannt!
Vergehendes ist in die Zeit gebannt.
Die lustverlorne Göttin ward ein Schall;
er rief mich aller Wände aus dem All.
Nun ruf’ ich ihn zurück; ich warte hier –
da ruft er mich verwandelt aus dem Tier.
Wir kennen uns, ich und die Kreatur –
es ist ein Wunder: glaubet, glaubet nur!
Die letzte Spur vom Glück ist neues Glück.
Das Echo ging, ein Echo blieb zurück.
Leid klagt um Lust, ich klage um das Leid;
nun ist es da, so ist die Lust nicht weit.
Verlorner Lust verlorne Klage klingt.
Ich höre nur, daß jetzt ein Engel singt.
Verlorner Lust verlorner Ton ertönt.
Ich sehe eine Seele, die sich sehnt
und wiederkehrt. Der Abschied ist ein Spiel.
Sie ging und suchte, bis sie hin zum Ziel,
vorbei der Menschheit, irdisch unerkannt,
den Weg durch ein verlornes Hündchen fand.
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