Die Frau von Altdorf

Zu Altdorf war ein stolzes Weib,
In Sammet ging ihr schöner Leib;
Sie saß im hohen Saale,
Und Becherklang und Jubelruf,
Die wälzten sich zu Thale.

Doch horch’! wer pocht und klopft am Thor?
Die Frau von Altdorf trat hervor:
„Wer hat mich angerufen?“
Drei Kinder und ein Bettelweib,
Die saßen auf den Stufen.

„Brod meinen Kindern!“ – „Weg die Brut!
Ha! muß ob euch ein adlich Blut
Vom Feste niedersteigen?
Wer keine Kinder nähren kann,
Der muß auch keine zeugen!“

„Ihr Reichen! ihr habt von der Welt
Genommen, was euch wohlgefällt,
Was ist’s, was uns noch bliebe,
Wenn nicht das bischen Sonnenlicht,
Wenn nicht das bischen Liebe?

Da nimm noch meinen Fluch und geh’!
Zwölf Kinder soll mit Ach und Weh
Dein stolzer Leib gebären,
Und dennoch sollst du Mutterlust
In Ewigkeit entbehren!“

Die Frau von Altdorf ging mit Hohn;
Doch ach! Im Schoose spürt sie schon
Geheimnißvolle Schmerzen,
Und junges Leben sproßt und quillt
Ihr mächtig unterm Herzen.

Da lag sie nun in Weh und Pein;
Schon ist aus ihres Leibes Schrein
Ein weinend Kind genommen;
Doch Kind um Kindlein ringt sich los,
Bis zwölf zur Welt gekommen.

Da trat der Burgherr wild herein:
„Kehrt so bei mir der Segen ein?
Sechs Mägdlein und sechs Knaben?
Ha! treulos Weib! – da nehmt die Brut
Und werft sie in den Graben!“

Was ringst du nun die Hände wund?
Was schaust du weinend in den Grund
Mit aufgelösten Haaren?
Hast du nun Mutterlust und Qual,
Du Stolze, selbst erfahren?

Und fortan klagt sie den Verlust:
„O Mutterweh, o Mutterlust!
Du willst nicht von mir weichen;
Dich gab Natur dem Weib in’s Herz,
Dem armen, wie dem reichen.“

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