Erkenntnis

Es quellen die bäume in sommerahnung.
Im wogengehöhlten bette rinnen
Nur schmale güsse auf schlängelndem pfade.
Hier stürzen im lauf sie von felsen sich nieder
Dort einen sie sich in strudelndem bad.
Am ufer jugendliche glieder sich dehnen
Jungfräuliche blumen danach schmachten
Von ihnen geknickt und getötet zu werden.
Das haupt des efeben berührt den boden
Nur leise stüzt es sein ruhender arm.
Sein auge folgt müde dem kieselstein
Den reiner beständiger fluten spiel
In leuchtenden alabaster schleift.
Das luftmeer über der dämmerzone
Wo tod und keimbegierde ringen
Zu ruh und trägem schlummer stimmt.

Mann des glückes! bereits verzweifelnd
Fandest du in dem weltengetöse
Die Erträumte die Göttliche.
Niederem kreis entrissest du sie.
Willig in diese einsamkeit
Die von wonnen übergossen
Und durch fehldinge heilig ist:
Zog sie mit dir vereinigt aus
Ohne orakel und fluchesgeleit.
In deiner hütte wo dich kein wesen
Lästigen ansinnen überliefert
Kein profanes auge dich reizt
Hast du sie ganz – von dir nur geschaut –
Dir nur blüht sie und lächelt sie zu.

O herber schmerz! grausame enttäuschung!
Im paradies das zu pflanzen ich glaubte
Erwächst mir unkraut und dornen-gestrüpp.
Warum von allem anbeginn schon
Wo lusterwartung das sinnen ersticken
Und grübelnde blicke blenden sollte
Ist mir das widrige denkbild erschienen
Das niemals mir zu verwischen gelang?
Wie kann ich frieden und lust mich ergeben
Wenn unwissend noch zu erfahren ich dürste
Ob sie als reine priesterin kam?
Denn unerbittlich mit göttinneneifer
Verwerf ich sie wenn vor anderem altar
Sie opfernd je auf den knieen schon lag.

Leise kommt sie den weg erratend
Gierig nach seiner nähe zauber
Ungesehen von ihm sich vermeinend
Der sie gar wol sah und nicht benötet
Gleichgültig gebaren zu heucheln.
Unschuldig kniet sie zur seite ihm nieder
Streift seine haare in flüchtigem kuss.

Er emporfahrend: rief ich dich weib?
Nahe dich nur wenn ich deiner bedarf!..
Sie erhebt sich – ohne erwidrung –
Denn wozu? wenn der lange blick
Von verzweiflung vorwurf und scham
Ihn nicht rührt. Sie geht hinweg
Schmerzhafte mutter aus freudennot.

Indessen ich in qualen mich winde
Will leichter mühe sie mich erobern ..
Sie stellt sich ob meines zornes betrübt
Vielleicht auch ist sies weil ihre betörung
An mir nicht so leicht wie an andern gelingt.
Ja grade die zärtlich schmeichelnden weisen
Die ihre schwüre bekräftigen sollen
Mit ihrer feinheit und kunst mir verraten:
Sie wurde durch die probe erfahren ..
Nur gaukelspiel ist ihre kindlichkeit.

Und immer noch säum ich .. ein augenblick
Vermöchte mich zu versichern .. weshalb nicht
Erfass ich den schleier mit forschendem finger?
Ich fühle dass ach! noch ein leztes geflacker
Von sterbender hoffnung mir bleibt.
Ich fürchte den grossen tag zu beschwören
Der meinen urteilspruch mir bringt.
Ich könnte wol sagen: Unheilvolle
Jezt bin ich gewiss dass du mich belogst ..
Verachtung dir und verstossung!
Doch könnte ich sagen: ich quälte dich
Beargwöhnte dich die du wahr gewesen?
Ich brüter von schimpflichen gedanken
Bezweifelte trotz deiner küsse und tränen
Dich aller reine und heiligkeit quell?

Ein tag beginnt sein licht zu verteilen.
Sie treten beide über die schwelle
Vorn ersten vollen scheine geblendet
Verändert doch zwiespältiger art:
Das weib in himmlischem glanz erstrahlt
Er niedergedrückt und verstört.
Jezt will er gehen .. ein weibliches wissen
Befiehlt ihr ihn nicht zurückzuhalten
(Nach ungewohntem ist einsamkeit not
Noch flösst das so neue ihm schrecken ein)
Sie lässt ihn .. schlecht ihren jubel verhehlend
Und schlecht – unselige! deutung findend
Für seine miene nach solchem genusse.
Sie schaut ihm lange ahnungslos nach
Sie süsser und herrlicher jezt.
Damit zu voller schönheit und frische
Sie wunderbar sich entfalten konnte
Bedurfte sie nur der küsse regen
Und seliger stunden weckenden tau.

Dem wald entgegen durcheilt er die fluren
Das herz voll gift und reuezorn:
Nun Sinnloser hast du gewissheit!
Verderbliches wissen! lästrische probe!
Ich war verbrecher vom augenblick an
Da ich zum verein an die seite ihr trat
Mit einer schandtat kauft ich die lösung.
Ach endlich glaubte sie mich besiegt
Geheilt von dem übel das sie am meisten
Zerquälen musste .. so wonne-erfüllt
Bedünkten sie die umarmungen echt
Die tierische zuckungen übersüssten
Die liebeseingabe sie geglaubt.

Da ist der sturzbach .. dunkle wellen
Von des gebirges wettern genährt
Wälzen sich wo vor kurzem noch friedlich
Silberne linien und lachen glissen.
Wie er hässlich mein bild mir zurückwirft
Fluch mir verheissend wie alle es tun
Blumen und fluren und bergesgipfel.
Deine klaren wasser bezeugten
Meine zager- und dulderstunden.
Düstere wogen die heulen und schäumen
Machen mir zeichen: sie ziehn mich hinab
Dass ich dort meine verdammnis beginne.

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