Neuer Baustil
Die alte Kirche ragt so hoch empor,
Ein festes Haus, obgleich schon lang ergraut,
Als würfe sie den andern Häusern vor,
Wie sie so blinkend und so schwach gebaut.
Den Vorwurf nimmt die Stadt gar übel auf,
Sie wünscht sich eine Kirche, die wohl paßt
Zu ihren Häuschen, rings gebaut zum Kauf,
Die Kirche scheint ein fremder, stolzer Gast.
Viel Meister senden ihre Plane ein,
Kein einziger der Bürgerschaft gefällt,
Sie scheinen alle für den Platz zu klein,
Zu großem Bau fehlt doch das alte Geld;
Bis sich der jüngste Meister hat erdacht,
Wie droben an den alten Thurm sich stellt
Ein römisch Säulenheer, und jung ihn macht,
Indem er es in Vaterarmen hält.
Ein römisch Basrelief ist angebracht,
Und Götter, die zu Heil'gen umgetauft,
Auch der Titanen alte Riesenschlacht
Als Satans Fall rings um die Simse lauft;
Es wird kein Stein des Alten abgehaun,
Nur wie die Schwalbe klebt ihr kleines Nest,
So ist das neue Werk im Plan zu schaun,
Ihn wählt und rühmt die Stadt und hält dran fest.
Gar bald umkleidet sich das alte Werk
Mit glattem Marmor weiß, mit Porphir roth,
Und trägt das alles, denn es hat die Stärk',
Und mancher Bildner findet da sein Brot.
Im Wettkampf mit antiker Bildnerei
Meint jeder Künstler, daß er schaffe neu,
Doch bleibt es beim gewohnten Einerlei,
Denn wer nicht vorwärts dringt, trifft nebenbei.
Das Kleid ist angelegt dem Kirchenthurm,
Und nächtlich wird die Rüstung abgethan,
Da rauscht am Morgen Jubelschrei wie Sturm,
Und macht sich froh durch alle Gassen Bahn,
Und jeder bringt ein dreifach Lebehoch
Dem jungen Meister, der den Bau vollbracht,
Der wie ein Sieger früh zum Werke zog,
Das jetzt so jung und frisch zum Himmel lacht.
Die Stadt läßt ihm zur Ehr die Glocke ziehn,
Sie war's die sonst verkündet Fest und Sieg,
Die große Glocke, die von Alter grün,
Und die beim Bau so lange traurig schwieg:
Doch wie er kaum den ersten Ton gehört,
So sieht er wanken seiner Säulen Pracht,
Die Schwingung hat den Steinverband zerstört,
Der Neu und Alt zu einem Bau gemacht.
Die Säulen, Bilder stürzen in den Staub,
Gern hemmte er den starken Glockenklang;
Doch die da läuten, sind dem Rufe taub,
Kein Schrein durch diese Glockenstimme drang;
Die Glockenzieher hören nicht die Noth,
Der mächt'ge Klang ihr ganzes Ohr erfüllt,
Sie läuten, wie die Bürgerschaft gebot,
Die volle Stunde, bis die Uhr sie stillt.
Ja, als sie nun zur Thüre gehn hinaus,
Sie sehn verwundert angehäufte Stein',
Als wär zerschossen dieses Gotteshaus,
Als ob der Erde Toben brach herein;
Der Meister hat der Menge sich versteckt,
Daß ihn ihr blindes Wüthen nicht erfaßt,
Da ist's, als ob ein Freudenruf ihn weckt,
Und ihn entreißt des Vorwurfs schwerer Last.
Wohl ist es Freude, die so laut erschallt,
Und die ihm leicht vergiebt sein Ungeschick,
Der Anblick ist so neu und auch so alt,
Erinnerung erfüllt mit Glanz den Blick,
Denn aus dem Abgefallnen unversehrt
Steht da der alte Thurm in Glaubensmacht,
Der schwarze Staub ist von ihm abgekehrt,
Die alte Zeit erscheint in neuer Pracht.
Hört, wie das falsche Kleid herniederfiel,
So war es wie ein Ruf aus aller Brust:
Der alte Bau war ächter deutscher Styl,
Laßt jenen Römern ihre eigne Lust:
Ein wahrhaft Neues was dies Alte einst,
Ein Strahl des Ew'gen in den Geist der Zeit,
Wenn du im Geist zu neuem Werk erscheinst,
Gieb neuem Bau des Alten Haltbarkeit.
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