Der Gekrönte
Von eines kunstgeweihten Tempels Stufen
Stieg er herab: der Sieger im Gesang.
Im abendlichen Dunkel dicht gedrängt,
In langen Reihen harrte sein die Menge.
Wohin er lächelnd schritt, da brandete,
Brausend im Anprall, die Begeisterung;
Der Fackeln Glut umflog die hohe Stirn
Ganz wie das düst’re Flackerlicht des Ruhms.
Und mit ihm ging die Woge ihres Zurufs
Und trug ihn wie auf holdbewegter Flut.
Erstiegen war der Gipfel – und vergessen
War das verschwiegene Elend langer Jahre,
Sein nie belohntes Ringen um den Preis,
Der Massen Stumpfsinn, Niedertracht und Hohn.
Des Volkes Gunst erhob ihn über alle
Und trug ihn nun gewiß zum sich’ren Hafen.
Und wie er dankend, lächelnd schritt dahin,
Hört’ er Gelächter neben sich – Gelächter ...
Hört’ er dergleichen nicht in frühern Tagen?
Und einen Mann erblickt’ er bald, bedrängt
Von einer Schar von Spöttern. Und sie riefen:
„He, Freundchen, schau: so sieht ein Dichter aus!
Betracht ihn recht! Allein, wie ist mir denn?
Du bist ja auch ein ‚Dichter‘! Wenigstens
Glaubst du es selbst! Ja willst du denn dem Sieger
Nicht deinen Gruß entbieten? Nicht die Hand
Ihm reichen als – Kollege? Hahahaaa!“
Und lauter scholl das Lachen.
Der Geschmähte
Sah fern ins Dunkel, bleich bis in die Lippen;
Die Seele war noch jung genug zum Schmerz.
Der Sieger kannte nicht den so Verhöhnten,
Nicht seines Liedes Kraft. Allein er kannte
Vortrefflich Stimm’ und Antlitz jener Edlen.
Das waren ganz dieselben breiten Fratzen,
Die in den Morgen seines jungen Glaubens
Hineingegrinst, dieselben Stimmen waren's,
Die ihm das reine, adlerfrohe Herz
Mit Geifer überströmt. Der Pöbel war es,
Der ungeheure, der nicht Götter hat,
Nein Götzen nur, Idole, selbstgemachte,
Und der nach vornen nicht kann beten, ohne
Mit Eselshufen hinten auszuschlagen.
Der Seele Gleichgewicht verlangt es so.
Und sah es überall nicht gleiche Züge?
Auch hier – und hier? Und solch Gesindel pries ihn
Und hob ihn jauchzend himmelhoch empor –
Da griff in des Gekrönten Herz das Heimweh
Nach seines Kummers reinen, stolzen Tagen,
Heimweh nach tiefer Nächte heiligen Schatten,
Nach ihrer Stimmen, ihrer Sterne Gruß;
Heimweh nach seines Glaubens Morgenröten,
Nach hohen Festen seiner Einsamkeit,
Nach jener Jünglingsträne, die nicht fließt,
Weil sie des Auges Glut zu rasch verzehrt,
Heimweh nach bitt’rem Jubel, trotziger Lust,
Nach reicher Not und königlicher Schmach.
Und Heimweh zog sein Herz zu seinen Brüdern,
Die er verlassen, die in Staub und Hunger,
Verhöhnt, verfolgt, in dunkler Tiefe keuchten,
Indessen er auf freier Höhe stand ...
Ausstreckt’ er weit die Hand, daß der Verhöhnte
Sie jäh ergriff mit dankbewegter Hast. – –
Wem hohe Kraft die Schöpferseele füllt
– Trägt auch der Menge Gunst ihn bis ans Ende –
An seiner Frühe Leiden hängt sein Herz;
Bei den Verschmähten ist sein Heimatland.
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