Herbstlied
Die grünen Blätter sind gefallen,
Die Schwalben fortgezogen sind,
Da will zu seiner Heimat wallen,
Bin armes elternloses Kind.
Als Führer auf der weiten Reise,
Fliegt vor ihm hin ein Schmetterling,
Ihr Bündelchen trägt selbst die Waise,
Ihr Hab und Gut ist sehr gering.
Der Vater ist ihm früh gestorben,
Die Mutter hat es weggesandt,
Im Ausland hat es nichts erworben,
Und arm kehrt es zum Vaterland.
Und wie sie durch die Wälder gingen,
Der Schmetterling zum Kinde spricht:
»Um meinen Lohn ist noch zu dingen,
Den kleinen Freund vergesse nicht.
Ich werde nicht mehr lange leben
Und möchte mich noch einmal freun,
Zu deiner Heimat will ich schweben,
Zum Lohn gieb mir ein Blümelein.«
Das Kind sprach: »Keins ist hier zu sehen,
Doch ist in meinem Vaterland
Ein stiller Garten, darin stehen
Der süßen Blumen allerhand.
Ein Engel gehet in dem Garten,
Der giebt dir sicher doppelt Lohn,
O wolle bis zur Heimat warten,
Ich irre, wenn du mir entflohn.
In einem stillen Tale wohnet
Der Engel und ich bin sein Kind,
Ich weiß, daß er dich reich belohnet,
Drum laß uns eilen, schnell geschwind.«
Der Führer hebt die bunten Schwingen,
Der kleine Wandrer folgt ihm schnell.
Er spricht: »hörst du die Vöglein singen,
Im Garten singen sie so hell.
Ich atme schon die Blumendüfte,
O lieber Führer eile schnell.«
»Ich fühle nur die kühlen Lüfte,«
Spricht da der bunte Reis'gesell.
»O willst du nicht den Lohn mir geben,
Ich sterb', eh' ich die Heimat seh',
Ich werde nicht mehr lange leben,
Die kühlen Lüfte tun mir weh.«
»So nehme alles, was ich habe,«
Sprach weinend da das arme Kind,
»Von jenem Engel eine Gabe,
Die welken Rosenblätter sind.«
Der Führer stirbt und in den Rosen,
Weiht ihm das Kind ein frommes Grab.
Schon hört es nah des Stromes Tosen,
Und steiget zu dem Tal hinab.
Da steht es an der Heimat Schwellen,
Und ruft: »o Mutter höre mich,
O führ' mich zu dir durch die Wellen,
Zum süßen Garten führe mich!
Mein armer Führer ist gestorben,
Da Freude floh und Sonnenschein,
Zum Lohn hat er ein Grab erworben,
Wohl in den süßen Rosen dein.«
Die Mutter höret nicht sein Klagen,
Da ward dem Kinde Mut verliehn.
Die Wellen es hinübertragen,
Es eilet zu dem Garten hin.
Die Blumen all die Kelche neigen,
Und gießen still die Liebe aus,
Die Mutter will sich nirgends zeigen,
Im Garten nicht, und nicht im Haus.
»O Heimat in dem Frühlingsscheine,
O Jugend liebste Mutter mein,
Dein Kind die Liebe ist alleine,
O wollet nicht verloren sein!«
Da sprach ein Vöglein von dem Baume,
»Gott grüß' dich, bist du wieder hier?
Es denkt mir dunkel wie im Traume,
Du trugst einst treue Lieb' zu mir.
Im Maie wardst du hier geboren,
Da lernte ich ein Lied von dir,
Ist Mai, und Jugend auch verloren,
Dein süßes Lied, das bleibet mir.«
Da fing das Vöglein an zu singen,
»Der Frühling blüht, der Sommer glüht,
Die Liebesblumen süß entspringen,
Der Zweig ist müd, die Frucht ihn zieht.
Die Liebe kehrt zur Heimat wieder,
Zur Fremde sie getrieben ward,
Der Herbst sinkt zu der Erde nieder,
Die Lieb' erstarrt im Winter hart.«
Und was das Vöglein freundlich singet,
Wohl schmerzlich zu dem Kinde klang,
Die Zeit wohl streng zur Wahrheit bringet,
Was einst das Kind prophetisch sang.
Die Mutter hat es hart verstoßen,
Wo es der Frühlingsschein gewiegt,
Da ist sein Grab nun bei den Rosen,
Und treu das Vöglein niederfliegt,
Und deckte es mit welken Blüten
Aus alter, treuer Freundschaft zu,
Dem Vöglein mög' es Gott vergüten,
Es sang das Kind wohl in die Ruh'.
»O Heimat in dem Frühlingsscheine,
O Jugend, harte Mutter sein,
Dein Kind, die Liebe ich beweine
Sein einz'ger Freund ein Vögelein.«
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