Durch die stummen Wälder irrte

Durch die stummen Wälder irrte
Ohne Lämmer, ohne Liebe,
Träumerisch ein armer Hirte,
Unbekümmert, wo er bliebe.

Leichten Sinn in schwerem Herzen
Trug er durch des Tags Gewimmel,
Bittre Freuden, süße Schmerzen
Zogen über ihm am Himmel.

Diesem trüben Wolkenfluge,
Dicht verschleiernd ihm die Sterne
Folgt er mit geheimem Zuge,
In die sehnsuchtsvolle Ferne.

Ohne Ruhe seine Füße,
Über Berg und Tal hinunter,
Seine Lippen ohne Grüße –
Traurig Herz, wie bist du munter!

O ihr grünen treuen Buchen!
O ihr ew'gen ernsten Eichen!
Sagt ihm, was ist wert zu suchen,
Gebet seinem Weg ein Zeichen.

Gieb o Fels ihm eine Stimme,
Flüstre zu ihm fromme Quelle,
Welchen Gipfel er erklimme,
Daß sich ihm das Herz erhelle.

Stilles Röslein aus dem Strauche
Ihm mit trauten Augen winke,
Klarer Lilienkelch, o hauche,
Süß ihm zu, daß Trost er trinke.

Ist ein Heiland wo geboren?
Heil'ge Nacht, Kometen schwingend
Zeig den Pfad, den er verloren,
Ihn gen Bethlehem, hinbringend.

Stumm bleibt Fels und Tal und Bäume
Blumen duftlos, Quell ohn' Klarheit,
Und sein Schlummer ohne Träume,
Und sein Wachen ohne Wahrheit,

Und er sitzet bei den Weiden
Läßt die traurigen Gedanken,
Wie verwaiste Lämmer weiden
Unter wilden Epheuranken.

Als ihn auf dem nahen Grunde,
Den ein dichter Nebel decket,
In der stillen Abendstunde,
Laut ein Hirtenspiel erwecket.

Bei dem Klange der Schalmeien
Hört er zu dem frohen Spiele,
Und sie singen, und sie reihen,
Ohne daß sein Blick hinfiele.

Doch bald hört er tief erquicket,
Eine nur aus all den Stimmen,
Wie man gern auf Blüten blicket,
Die auf lauten Quellen schwimmen.

Zwar verschlungen in dem Spiele
Hört er sie doch ganz alleine,
Gleich als ob die Sonne ziele
Zu ihr mit vertrautem Scheine.

Also weilt auf Waldes Gipfel
Gern das Auge in den Kronen,
Die die Sonne in die Wipfel
Hänget, wo die Nimpfen wohnen.

Also, wenn der Tag gesunken,
Folgen gern der Sehnsucht Blicke
Schweifenden Johannisfunken
Zu geträumtem Liebesglücke.

So schien ihm das Tal der Spiegel
Eines Nacht anschaunden Flusses,
Und die Stimme schien das Siegel
Eines klaren Mondeskusses.

Und das Licht der eignen Blicke
Zündend an der Stimme Schimmer,
Sprach er: find' ich keine Brücke,
Werde ich ein sel'ger Schwimmer.

Dieses Antlitz will ich schauen,
Das mit solchem Zauber redet,
Das mir Friede und Vertrauen,
In die tote Brust gebetet.

Und der Hirte eilte singend,
Fand da bei den Weiden sitzend
Einen Jüngling Körbe schlingend
Und gezierte Pfeile spitzend.

Diesen fraget nun der Hirte
Weißt du Flechter, wo sie wohne,
Die mir meinen Gram entwirrte
Mit der Stimme liebem Tone.

Ob ich's weiß, lacht da der Schlaue
Diese Körbe, diese Pfeile
Sind für sie, zu ihrer Aue
Führ' ich dich in kurzer Weile.

Und er folgt, im Mondenscheine
Wunderbare Träume spinnend,
Daß sie also ihm erscheine
Sich ein falsches Bild ersinnend,

Blaue Augen, blonde Locken
Und ein Mund voll stiller Freuden,
Wie die süßen Blumenglocken,
Die den lieben Mai einläuten.

Und mit seligem Verstummen
Lauscht er auf die goldnen Bienen
Die mit süß berauschtem Summen
Ihm zu ihr zu schweben schienen.

Und er schreitet durch die Pforte
Und er stehet in dem Garten
Ist nun an dem lieben Orte
Seine Freude zu erwarten.

Ach welch wunderbar Erstaunen,
Die sein Traum sich golden sonnte
Sie gehöret zu den Braunen,
Und er dacht' an eine Blonde.

Als er zu ihr niedersitzet,
Nimmt sie still des Flechters Körbe
Und die Pfeile süß gespitzet –
Ob am Korb am Pfeil ich sterbe?!

Denkt der überraschte Hirte,
Schauend in den dunklen Bronnen
Ihrer Augen, und verwirrte
Sich in tausend Zauberwonnen.

Der die Hirtin wollte finden
Hat die Zauberin gefunden,
Der nur Kränze wollte winden,
Ward mit Frauenhaar gebunden.

Mit den Pfeilen spielend, drückte
Sie den Pfeil ins Herz dem Hirten,
Den die Stimme hoch entzückte,
Macht der Anblick zum Verwirrten.

Nimmermehr vor ihr zu stehen,
Gieng er von ihr fest entschlossen
Hat sie nochmals angesehen
Und die Pforte dann geschlossen.

Wo die Wälder tiefer dunkeln
Hörte er den Flechter lachen:
Sahst du ihre Augen funkeln,
Träumend kamst du, lerne wachen.

Wen dies braune Kind gerühret,
Der wird nimmermehr genesen,
Amor ist, der zu ihr führet,
Amor bin ich dir gewesen.

Und der Hirte gieng erzürnet
In den Hain, der nun ihm rauschte,
Und sein Himmel war gestirnet
Stimmen hört er, wo er lauschte.

Ja, weil sie sein Herz erhoben,
War die ganze Welt belebet,
Tief im Tal, am Himmel oben,
Überall die Braune schwebet.

Manche Blume muß er pflücken,
Ordnet sie zum Bilderstrauße,
Schickt sie deutend sein Entzücken
Zu der braunen Zaubrin Klause.

Und der Strauß sprach, dich du Blonde
Ich in meines Traumes Sonnen
Also töricht liebend sonnte,
Daß du braune Glut gewonnen.

Und du mußtest mich bestrafen,
Aus der braunen Nacht der Augen,
Mich zwei Sterne zielend trafen,
Die mir nie mehr untertauchen.

Als er später wieder nahte,
War er stumm und sie war gütig,
Ihre Augen voller Gnade,
Nein sie ist nicht übermütig!

Sieh, da trat zu ihrer Zelle
Fest ein Mann mit tapfrem Wesen,
Ihre Blicke wurden schnelle,
In den Augen ihm zu lesen.

Und er war so schön gerüstet,
Mit den Narben deutsch geschmücket
In der Brust so treu gebrüstet,
Daß sie seine Hände drücket.

Und der Hirte still gerühret,
Müßte sich des Manns erfreuen,
Säh' er, im Triumph geführet,
Seinen Strauß selbst vor ihm streuen.

Und als er nun von ihr gehet
Solche Neigung nicht zu stören,
Schön die Braune vor ihm stehet
Läßt ihn güt'ge Worte hören:

Ich will gern dich wiedersehen,
Du darfst mir den Strauß erklären,
Er soll mir nicht untergehen
Welkend sich mir nicht verzehren.

Und der Hirte spricht: du Fromme
Er ist tapfer, ich bescheiden,
Und wenn ich nun zu dir komme
Bist du himmlisch allen beiden.

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