Einer Jungfrau bei dem Geschenk der Sakontala
Ein kluges mir geliebtes Wesen
Sprach gestern:
Dieses Buchs Gestalt
Schwebt mir im Sinn, seit ich's gelesen
Mit einer rührenden Gewalt.
Ich kann mir es nicht anders denken,
Als jener mag'schen Linie Spur,
In die sich Huld und Unschuld senken
Zu rein jungfräulicher Figur.
Unschuld'ger ist's als eine Blume,
Es denkt unschuldig – ist ein Geist,
Den, wie ein Kelch die Heiligtume,
Ein klar durchsicht'ger Leib verschleußt.
Hier ist nicht Nacktheit, ist nicht Hülle,
Hier ist nicht Schuld, nicht Kampf – hier ist,
Daß ich die Form mit Geist erfülle,
Ein Wesen, wie du Freundin bist.
Als im verlorenen Paradiese
Du aus des Schöpfers Händen giengst,
Auch du so klar und rein wie diese
Sakontala den Geist empfliengst.
Und diesen Schein willst du nicht lassen,
Er ist ein Strahl aus Gottes Geist,
Will alle Farbe auch erblassen,
Dies Licht kein Tod dir je entreißt.
Ich aber bringe dir den Spiegel,
Du schaust hinein, und kennst dich nicht,
Dein Sehen deckt der Demut Siegel,
Das nur dein Richter einst zerbricht,
So wäre auch nach ihrem Wesen,
Sakontala, die dir wohl gleicht,
Für solchen Spiegel blind gewesen,
Hätt' man dein Bild ihr dargereicht.
Doch klingt ein Griff verwandter Töne,
Den Gott in unsre Harfen tut,
Von je und jetzt in gleicher Schöne,
Denn alles ist in ihm ja gut!
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