Die Schlacht bei Reutlingen
Zu Achalm auf dem Felsen, da haust manch kühner Aar,
Graf Ulrich, Sohn des Greiners, mit seiner Ritterschar;
Wild rauschen ihre Flüge um Reutlingen, die Stadt;
Bald scheint sie zu erliegen, vom heißen Drange matt.
Doch plötzlich einst erheben die Städter sich zu Nacht,
Ins Urachtal hinüber sind sie mit großer Macht,
Bald steigt von Dorf und Mühle die Flamme blutig rot,
Die Herden weggetrieben, die Hirten liegen tot.
Herr Ulrich hat's vernommen, er ruft im grimmen Zorn:
»In eure Stadt soll kommen kein Huf und auch kein Horn!«
Da sputen sich die Ritter, sie wappnen sich in Stahl,
Sie heischen ihre Rosse, sie reiten stracks zutal.
Ein Kirchlein stehet drunten, Sankt Leonhard geweiht,
Dabei ein grüner Anger, der scheint bequem zum Streit.
Sie springen von den Pferden, sie ziehen stolze Reihn,
Die langen Spieße starren; wohlauf! wer wagt sich drein?
Schon ziehn vom Urachtale die Städter fern herbei,
Man hört der Männer Jauchzen, der Herden wild Geschrei,
Man sieht sie fürder schreiten, ein wohlgerüstet Heer;
Wie flattern stolz die Banner! wie blitzen Schwert und Speer!
Nun schließ dich fest zusammen, du ritterliche Schar!
Wohl hast du nicht geahnet so dräuende Gefahr.
Die übermächt'gen Rotten, sie stürmen an mit Schwall,
Die Ritter stehn und starren wie Fels und Mauerwall.
Zu Reutlingen am Zwinger, da ist ein altes Tor,
Längst wob mit dichten Ranken der Efeu sich davor,
Man hatt es schier vergessen, nun kracht's mit einmal auf,
Und aus dem Zwinger stürzet gedrängt ein Bürgerhauf.
Den Rittern in den Rücken fällt er mit grauser Wut,
Heut will der Städter baden im heißen Ritterblut.
Wie haben da die Gerber so meisterlich gegerbt!
Wie haben da die Färber so purpurrot gefärbt!
Heut nimmt man nicht gefangen, heut geht es auf den Tod,
Heut spritzt das Blut wie Regen, der Anger blümt sich rot.
Stets drängender umschlossen und wütender bestürmt,
Ist rings von Bruderleichen die Ritterschar umtürmt.
Das Fähnlein ist verloren, Herr Ulrich blutet stark,
Die noch am Leben blieben, sind müde bis ins Mark.
Da haschen sie nach Rossen und schwingen sich darauf,
Sie hauen durch, sie kommen zur festen Burg hinauf.
»Ach Allm–« stöhnt' einst ein Ritter, ihn traf des Mörders Stoß;
Allmächt'ger! wollt er rufen, man hieß davon das Schloß.
Herr Ulrich sinkt vom Sattel, halbtot, voll Blut und Qualm,
Hätt nicht das Schloß den Namen, man hieß es jetzt Achalm.
Wohl kommt am andern Morgen zu Reutlingen ans Tor
Manch trauervoller Knappe, der seinen Herrn verlor.
Dort auf dem Rathaus liegen die Toten all gereiht,
Man führt dahin die Knechte mit sicherem Geleit.
Dort liegen mehr denn sechzig, so blutig und so bleich,
Nicht jeder Knapp erkennet den toten Herrn sogleich.
Dann wird ein jeder Leichnam von treuen Dieners Hand
Gewaschen und gekleidet in weißes Grabgewand.
Auf Bahren und auf Wagen, getragen und geführt,
Mit Eichenlaub bekränzet, wie's Helden wohl gebührt,
So geht es nach dem Tore, die alte Stadt entlang,
Dumpf tönet von den Türmen der Totenglocken Klang.
Götz Weißenheim eröffnet den langen Leichenzug,
Er war es, der im Streite des Grafen Banner trug,
Er hatt es nicht gelassen, bis er erschlagen war,
Drum mag er würdig führen auch noch die tote Schar.
Drei edle Grafen folgen, bewährt in Schildesamt,
Von Tübingen, von Zollern, von Schwarzenberg entstammt.
O Zollern! deine Leiche umschwebt ein lichter Kranz:
Sahst du vielleicht noch sterbend dein Haus im künft'gen Glanz?
Von Sachsenheim zween Ritter, der Vater und der Sohn,
Die liegen still beisammen in Lilien und in Mohn,
Auf ihrer Stammburg wandelt von altersher ein Geist,
Der längst mit Klaggebärden auf schweres Unheil weist.
Einst war ein Herr von Lustnau vom Scheintod auferwacht,
Er kehrt' im Leichentuche zu seiner Frau bei Nacht,
Davon man sein Geschlechte die Toten hieß zum Scherz,
Hier bringt man ihrer einen, den traf der Tod ins Herz.
Das Lied, es folgt nicht weiter, des Jammers ist genug,
Will jemand alle wissen, die man von dannen trug:
Dort auf den Rathausfenstern, in Farben bunt und klar,
Stellt jeden Ritters Name und Wappenschild sich dar.
Als nun von seinen Wunden Graf Ulrich ausgeheilt,
Da reitet er nach Stuttgart, er hat nicht sehr geeilt;
Er trifft den alten Vater allein am Mittagsmahl,
Ein frostiger Willkommen! kein Wort ertönt im Saal.
Dem Vater gegenüber sitzt Ulrich an den Tisch,
Er schlägt die Augen nieder, man bringt ihm Wein und Fisch;
Da faßt der Greis ein Messer und spricht kein Wort dabei,
Und schneidet zwischen beiden das Tafeltuch entzwei.
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