Vogelin-Prinzeß

Es war einmal ein Vögelein,
Kanaria von Geschlecht,
Es war so schön, so gelb, so fein,
Wie's Vögeln eben recht.

Doch ach, das arme Vögelein
Im goldnen Käfig saß,
Und mit den kleinen Aeugelein
Den großen Himmel maß.

Ein frecher Sperling flog vorbei
Und sang ihr zum Exzeß:
»Ich lieb' Dich bis zur Raserei,
»O, Vogelin-Prinzeß!«

»O, Vogelin, Dein Köpfchen klein
Gefällt mir gar zu gut!«
Da kocht des stolzen Vögelein
Kanarisch heißes Blut!

»Ich mag Dich nicht, ich brauch' Dich nicht,
Mir ist nach Dir nicht bang,
Wohl sehn' ich mich nach Himmelslicht,
Und nach des Künstlers Sang!«

Doch nach des frechen Sperlings Lied
War mir noch niemals bang,
»Denn – singt sie himmlisch – nie erglüht
Mein Herz bei niedrem Klang!« –

Selbst noch eine Menschenblüte,
Trug ich Kummer im Gemüte,
Groß genug für eine Welt.

Jeder Wahn, der sie betörte,
Den sie – grausam – hoch verehrte,
Diese kleine Menschenwelt. – –

Sieh, er ward in mir zur Wunde,
Schmerzend, blutend jede Stunde,
Immer tiefer dringend ein. –

Fremdes Leid und eigne Schmerzen
Trug ich in dem weichen Herzen,
Wandte aufwärts meinen Blick:

Helfen wollt' ich, lindern, retten,
Glück an dieses Weltall ketten,
Rosig bilden sein Geschick.

Solche Freuden, diesen Segen,
Betend sich die Lippen regen,
Gott mich's ahnen ließ! –

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