Freigeisterei der Leidenschaft
Nein – länger, länger werd ich diesen Kampf nicht kämpfen,
Den Riesenkampf der Pflicht.
Kannst du des Herzens Flammentrieb nicht dämpfen,
So fodre, Tugend, dieses Opfer nicht.
Geschworen hab ichs, ja, ich habs geschworen,
Mich selbst zu bändigen.
Hier ist dein Kranz. Er sei auf ewig mir verloren,
Nimm ihn zurück, und laß mich sündigen.
Sieh, Göttin, mich zu deines Thrones Stufen,
Wo ich noch jüngst, ein frecher Beter, lag,
Mein übereilter Eid sei widerrufen,
Vernichtet sei der schreckliche Vertrag,
Den du im süßen Taumel einer warmen Stunde
Vom Träumenden erzwangst,
Mit meinem heißen Blut in unerlaubtem Bunde,
Betrügerisch aus meinem Busen rangst.
Wo sind die Feuer, die elektrisch mich durchwallten,
Und wo der starke, kühne Talisman?
In jenem Wahnwitz will ich meinen Schwur dir halten,
Worin ich unbesonnen ihn getan.
Zerrissen sei, was du und ich bedungen haben,
Sie liebt mich – deine Krone sei verscherzt.
Glückselig, wer, in Wonnetrunkenheit begraben,
So leicht wie ich den tiefen Fall verschmerzt.
Sie sieht den Wurm an meiner Jugend Blume nagen
Und meinen Lenz entflohn,
Bewundert still mein heldenmütiges Entsagen,
Und großmutsvoll beschließt sie meinen Lohn.
Mißtraue, schöne Seele, dieser Engelgüte!
Dein Mitleid waffnet zum Verbrecher mich,
Gibts in des Lebens unermeßlichem Gebiete,
Gibts einen andern schönern Lohn – als dich?
Als das Verbrechen, das ich ewig fliehen wollte?
Entsetzliches Geschick!
Der einzge Lohn, der meine Tugend krönen sollte,
Ist meiner Tugend letzter Augenblick.
Des wollustreichen Giftes voll – vergessen,
Vor wem ich zittern muß,
Wag ich es stumm, an meinen Busen sie zu pressen,
Auf ihren Lippen brennt mein erster Kuß.
Wie schnell auf sein allmächtig glühendes Berühren,
Wie schnell o Laura, floß
Das dünne Siegel ab von übereilten Schwüren,
Sprang deiner Pflicht Tyrannenkette los,
Jetzt schlug sie laut, die heißerflehte Schäferstunde,
Jetzt dämmerte mein Glück –
Erhörung zitterte auf deinem brennenden Munde,
Erhörung schwamm in deinem feuchten Blick,
Mir schauerte vor dem so nahen Glücke,
Und ich errang es nicht.
Vor deiner Gottheit taumelte mein Mut zurücke,
Ich Rasender! und ich errang es nicht!
Woher dies Zittern, dies unnennbare Entsetzen,
Wenn mich dein liebevoller Arm umschlang? –
Weil dich ein Eid, den auch schon Wallungen verletzen,
In fremde Fesseln zwang?
Weil ein Gebrauch, den die Gesetze heilig prägen,
Des Zufalls schwere Missetat geweiht?
Nein – unerschrocken trotz ich einem Bund entgegen,
Den die errötende Natur bereut.
O zittre nicht – du hast als Sünderin geschworen,
Ein Meineid ist der Reue fromme Pflicht.
Das Herz war mein, das du vor dem Altar verloren,
Mit Menschenfreuden spielt der Himmel nicht.
Zum Kampf auf die Vernichtung sei er vorgeladen,
An den der feierliche Spruch dich band.
Die Vorsicht kann den überflüßgen Geist entraten,
Für den sie keine Seligkeit erfand.
Getrennt von dir – warum bin ich geworden?
Weil du bist, schuf mich Gott!
Er widerrufe, oder lerne Geister morden,
Und flüchte mich vor seines Wurmes Spott.
Sanftmütigster der fühlenden Dämonen,
Zum Wüterich verzerrt dich Menschenwahn?
Dich sollten meine Qualen nur belohnen,
Und diesen Nero beten Geister an?
Dich hätten sie als den Allguten mir gepriesen,
Als Vater mir gemalt?
So wucherst du mit deinen Paradiesen?
Mit meinen Tränen machst du dich bezahlt?
Besticht man dich mit blutendem Entsagen?
Durch eine Hölle nur
Kannst du zu deinem Himmel eine Brücke schlagen?
Nur auf der Folter merkt dich die Natur?
O diesem Gott laßt unsre Tempel uns verschließen,
Kein Loblied feire ihn,
Und keine Freudenträne soll ihm weiter fließen,
Er hat auf immer seinen Lohn dahin!
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