An die Jugend

Deutsche Jugend, sturmesmächtig,
Glockenläutend, frühlingsprächtig
Ruft dich auf mein stolzer Sang.
Einig Band hält uns umschlossen,
Hört mich, wachsende Genossen,
Bruderbund in Sturm und Drang!

Allen Spöttern schenkt Verachtung,
Die in nebelnder Umnachtung
Eure Sehnsucht nicht verstehn!
Die da lachen und euch höhnen,
Sollt sie nie mit euch versöhnen,
Blindlings laßt sie untergehn!

Die am Golde sich genügen,
Schmähend euch mit feilen Lügen,
Säend Arglist und Verrat:
In den Kot die Sinnesdirnen!
Hebt zur Sonne eure Stirnen,
Ratet und vollführt die Tat!

Eins ist not, ach nur dies eine:
Daß des Menschen Bild erscheine,
Rein von Schminke die Natur.
Daß mit innerstem Verstehen
Augen sich in Augen sehen,
Eins ist not, dies eine nur!

Alle Ketten, die da lauern,
Alle morschen Scheidemauern
Schmettert in den tiefsten Grund!
Arbeit soll die Arbeit achten,
Faule Schlemmer sollen schmachten
Einsam mit verdorrtem Mund!

Freie Arbeit – schöne Tugend,
Höre mich, du deutsche Jugend,
Zukunftschaffendes Geschlecht!
Schöne Tugend, edles Wagen –
Selbstverkümmernd Jochertragen
Preist voll Demut nur der Knecht.

Lauscht dem Worte hoher Meister,
Tiefer Seelen, klarer Geister,
Ehrt des Genius' goldne Saat!
Vor dem Rohen scheu und scheuer,
Nährt der Sitte reines Feuer,
Das euch stählt zur höchsten Tat:

Tat der Wahrheit, Tat der Freiheit,
Tat der Schönheit, heilige Dreiheit,
Komm, wie dich der Seher sieht!
Deutsche Jugend, sturmesmächtig,
Glockenläutend, frühlingsprächtig
Ruft dich auf mein stolzes Lied.

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