Bettlerlied

Betracht’ ich auch jedes Geschäft in der Welt,
Ich weiss mir kein besser’s als betteln;
Da kann ich bequem und so wie mir’s gefällt,
Das Leben, die Tage verzetteln;
Den Bettler nenn’ ich den freiesten Mann,
Der nichts besitzt, nichts verlieren kann.

Die Arbeit, die jeder Vernünftige scheut,
Die heiss’ ich vom Halse mir bleiben;
Der Gott, der dem Sperling sein Futter streut,
Lässt mich’s wie die Sperlinge treiben:
Sie fliegen und flattern munter und frei,
Hungern ein bischen – und leben dabei.

Und eigentlich treib’ ich, was jeglicher thut;
Es betteln die ehrlichsten Leute;
Doch hat nicht jeder den seligen Mut,
Zu sorgen nur immer für heute;
Betrachtet das Treiben der Menschen nur recht –
Es ist mir ein völliges Bettlergeschlecht.

Der bettelt um Reichtum, um Ehren und Macht,
Und jener um gnädige Worte;
Der Liebende lauert in schweigsamer Nacht
Und bettelt sich ein in die Pforte;
Es quält sich der Künstler am Musenaltar,
Erbettelt sich Beifall von thörichter Schar.

Das hilflose Kind, eh’ es sprechen noch kann,
Es bettelt mit Mien’ und Geberde,
Damit es dereinst als völliger Mann,
Ein völliger Bettler auch werde;
Schenk’ diesem die Erde, so weit sie bewohnt,
Er will noch die Sterne und will noch den Mond!

Ich aber will fürder mit fröhlichem Sinn
Durch’s Leben als Bettler nur schleichen;
Demütig reich’ ich die Mütze dir hin,
Und seh’ ich den glücklichen Reichen,
So denk’ ich mir lächelnd: Du Stolzer, nur zu!
Ein Bettelmann bist doch am Ende auch du.

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