An das Wasser
Wir stehen an des Jahres Schwelle,
Ein Thor der Zeit ist aufgethan;
Doch hinter uns wogt deine Welle,
Du tobend Element, uns an.
Wir blicken rückwärts noch mit Schrecken;
Folgst du uns durch die Pforte nach?
Willst wieder unsre Fluren decken
Und wallen über unser Dach?
Was in der Zukunft sei verborgen,
Wir brüteten darob ein Jahr,
Wir stritten uns um unsre Sorgen –
Da braust uns nahe die Gefahr;
Die Völker hören auf zu hadern,
Sie schweigen staunend, graun-erfüllt,
Indeß dein Strom aus allen Adern
Der alten Erde zornig quillt.
Willst du den Boden wieder fressen,
Der einst entstiegen deinem Schooß?
Zürnst du dem Menschen, der vermessen
Dich furchet auf dem stolzen Floß?
Der spielend, mit beseelten Dämpfen,
Durch deine wilden Wogen schlüpft,
Und trotz der Winde grimmen Kämpfen
Das leichte Boot an's Ufer knüpft?
Du wirst ihn doch nicht unterwerfen:
Aus deiner Tiefe strömst du nur,
Ihm dessen Willen einzuschärfen,
Der Herr ist über die Natur;
Erkennet er des Schöpfers Stärke,
Und übt in Demut seinen Geist,
So schützt ihn der bei'm guten Werke,
Der deine Flut sich legen heißt.
Er brauchet dich zu seiner Ehre,
Sein Wort bezeichnet dir die Bahn;
Hier schwellest du den Fluß zum Meere,
Und klopfest an Pallästen an;
Dort schützest du der Helden Nachen,
Die stolzer Dränger Schrecken sind,
Und wiegst die Freiheit im Erwachen
Auf deinem Pfühl, das zarte Kind.
Und wo mit unbarmherz'gen Fluten
Dein Strom des Armen Flur erreicht,
Da öffnet Gott die Hand der Guten,
Da wird des Nachbarn Herz erweicht;
Da sprießt in tausend goldnen Aehren
Die reiche Saat des Mitleids auf,
Und, wo er meinte zu verheeren,
Entkeimet Segen deinem Lauf.
So diene denn dem Herrn der Erde
Im neuen Jahr, du dunkle Kraft!
Wir glauben, daß er schirmen werde,
Was Leib und Seele Heil verschafft.
Und ob den Himmel Nacht umzogen,
Und ob ein Sturm die Welt durchweht:
Wir sehen seinen Friedensbogen,
Der über allen Wassern steht.
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