Der Nil
Aus dem Verborgenen quillt das Heilige. Keiner ist jemals
Seinem Brunnen genaht, noch kennt er die Rätsel des Ursprungs,
Welchen die Sage verhüllt in goldene Wundergewölke;
Aber es strömt Jahrtausende durch und erquickt die Geschlechter.
Also, mächtiger Nil, umwallt vom Dufte der Fabel,
Steigst auch du zu den Völkern herab und bewahrst das Geheimnis
Deiner Geburt in verschlossener Brust. Wir fragen vergebens,
Ob du gigantischen Seen dicht unter der Sonne des Gleichers
Selbst ein Gigant entstiegst, ob tausend hüpfende Quellen
Dir, von Güssen geschwellt, vielarmig die Wiege bereitet.
Schweigsam wandelst du her durch Urwaldnacht, in das Brausen
Riesiger Wipfel vertieft und das Lied weissagender Vögel,
Mit breitblättriger Blumen Geflecht schwermütig dich kränzend.
Aber es wirft sich dir jetzt vom Aufgang kommend der wilde
Zwillingsbruder ans Herz, und froh der Vereinigung flügelst
Du den gemessenen Schritt und bezwingst nicht länger die Sehnsucht,
Die allmächtig den Jüngling ergreift, in die Ferne zu schweifen.
Ob ins untere Tal des Gebirgs Felsriegel die Pforte
Dir zu sperren versucht, du zersprengst ihn jauchzend und ruhst nicht,
Bis du den Arm um Meroë schlingst, wie ein fürstlicher Sieger
Um die gewonnene Braut, die hold ihm lächelt, zu weilen.
Doch sie lächelt umsonst; du entreißest dich ihr, und beharrlich
Über der Klippen Gestuf durch unendlicher Strudel und Fälle
Mühsal schreitest du fort, der erhabneren Pflichten gedenkend.
Denn schon wartet das Tiefland dein, und verschwenderisch sollst du
Über das weite Gebiet bis hinunter ans Meer, wie ein König,
Deine Gaben verstreun und das Horn ausschütten des Segens. –
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