Klatsch-Hymnus
O treffliches Kaffeegekrächz,
O liebliches Geschnatter!
Herr Nachbar links, Herr Nachbar rechts,
Sehr würd’ger Herr Gevatter.
Gewärtig eures stillen Winks
Rümpft jeder stolz die Nase,
Herr Nachbar recht, Herr Nachbar links,
Verehrteste Frau Base.
Und wisst ihr’s schon? Nein, nicht ein Wort
Die Welt wird immer netter!
Herr Nachbar hier, Herr Nachbar dort,
Frau Grossmama, Herr Vetter.
So zu verletzen Sitt’ und Pflicht!
Der Don Juan! Die Xantippe!
Wahr ist es, doch sagt’s weiter nicht
Als nur der nächsten Sippe.
Ja freilich, so was – in der That –
Zwar wie man längst sie kannte –
Was sagen sie dazu, Herr Rat,
Herr Doktor und Frau Tante?
Empörend, grässlich allerdings,
Und wie sie noch sich brüstet!
Herr Nachbar recht, Herr Nachbar links,
Sie sind mit Recht entrüstet!
Sie können lächeln, Herr Papa?
O Welt, o Zeit, o Jugend!
Tritt’s der Gesellschaft nicht zu nah
Und – à propos – der Tugend?
Und um Sie ins Vertrau’n zu zieh’n,
Wie weit’s mit ihm gediehen:
Der Frack, in dem er jüngst erschien,
Der Frack war nur geliehen.
Es öffnet sich – o sonnenklar! –
Ein Sittenabgrund schaurig!
Sie wissen’s schon, Herr Kommissar?
Wie amüsant! – Wie traurig!
Weit lieber als die falsche Zier
Ein frommer Strassenkehrer!
Wir sind doch bess’re Menschen, wir,
Nicht wahr, Herr Oberlehrer?
Ja, bess’re Menschen, tugendhaft
Vom Wirbel bis zur Zehe,
Und Mut und Kraft und Leidenschaft,
Die thun uns niemals wehe.
Wir schnarchen dort, wir schnarchen hier,
Sind stets vergnügt und heiter,
Und sind wir alt, dann sterben wir
Und schnarchen ruhig weiter.
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