Der Schüler

Dass ich nun bald den höheren grad erringe
Versprechen mir die väter die mich lieben.
Ja ehren und zu manchem rate ziehn.
Mir öffnen sich gemach und hof und garten
Sowie der dichten schriften nachtgewölbe
Die sich den Einfach-Frommen nie erschliessen.
Fast bin ich herr wenn auch im zöglingskleid ..
Und stolzen pochens hört ich längst das raunen
Der beiden Ältesten: dass ich dereinst
Die zierde sei der ganzen bruderschaft.

In düstren hallen flossen meine tage
Bei frommer übung .. und in schwerem sinnen
Auf manches dunklen Weisen blatt gebeugt
Entschwanden mir die nächte .. unterbrochen
Nur hie und da vom lauten festes-chor.
Mir klar erschienen alle dinge droben
Und hier von einst und jezt mit jener klarheit
Wie sie die lehre bringt .. mir ward zum lohn
Fern von der menschen sündigem eitlem streben
Die friedlichkeit der frommen wo allein
Der zweifel blieb: wie solche helle leuchte
Nicht alle sterblichen durchdringen müsse.

Was bringt nun diese wandlung? doch nicht einzig
Mein schweifen in den unbetretenen erkern
Wo ich bei manchem seltsamen gerät
Den spiegel glänzenden metalls entdeckt
Vor dem ich meines eigenen leibs geheimnis
Und anderer zuerst bedenken lernte.
Auch wäre frevel länger noch zu glauben
Dass jenes blonde kind der jüngste schüler
Das oft mich mit den grossen augen sucht
So gänzlich meinen sinn erschüttern könne.

Dann kam die reise .. welch ein wink der fügung!
Nur selten merkte ich in meiner zelle
Den wandel der gestirne und der jahre
Und ob ich gleich durch unsre gärten ging
Ich gab nicht acht auf blühen und auf welken ..
Ein tiefer freund des denkens fühlt das kaum.
Doch dort in andrer luft in andrem land
Entdeckt ich als ein andres fluss und flur.
Ich sah die hellen und die bleichen himmel
Die wälder gaukelten mir bilder vor
Und aus dem duft der morgendlichen wiesen
Aus ferne winkenden gekrönten mauern
Und aus der menschen schritten und gebaren
Und ihrer sänge rätselvollem sehnen
Erhoben sich mir unbekannte welten.

Und als der neue mond die rückkehr heischte
Befiel mich eine wilde angst: ich wäre
Gegangen nur wie mit verbundnen augen ..
Es gäbe glück von dem kein wissen redet
Und enge sei die feste welt der lehrer.
Ich schlürfte trunken jeden laut von aussen
Ich fühlte innres rasen .. meine glieder
Als drängten sie zu neuen diensten bebten
Und schauerten .. es drang in mich ein hauch
Und wuchs zu solchem brausen so gewaltig
Und schmerzlich dass ich selbst mich nicht mehr kannte.

Ich kehrte heim und hoffte zu genesen
In dem gewohnten leben .. rief mir freuden
Erhebungen und pflichten alle vor.
Auch dachte ich mit fasten und gebeten
Zu bannen was vielleicht versuchung war ..
Mit doppelter ergebung alle freuend
Von denen ich mich täglich mehr entfernte.
Mein widerstand bleibt schwach und ohne hilfe
Nichts mehr ist hier mir wert – auch nicht dies kleid.
Ich folge stumpf den täglichen gebräuchen
Und harre nur der stunde wo ich einsam
Befreit von allen blicken durch den abend
Der blauen ferne meine seufzer sende.

Morgen im frührot lass ich diese stätte.
Kein wort wird mich entschulden .. von den vätern
Ist keiner mir gewiss der es begriffe.
Sie hatten meinen dank solang ich weilte.
Ich weiss nicht ganz was mich auf einmal so
Von ihnen und den früheren freunden trennt
Noch welchem nächsten ziel ich mich ergebe.
Ich weiss nur dass ich einen ort des friedens
Verlasse und vielleicht jezt vielen leiden
Entgegengehe .. Doch es treibt mich auf
Der alten toten weisheit zu entraten
Bis ich die lebende erkannt: der leiber
Der blumen und der wolken und der wellen.

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