An eine junge Mahlerinn

Geliebte! für die Kunst des Raphael geboren,
Wirst du nicht Bildnerinn von Thieren, Holz und Stein;
Nein, Wesen mahlest du, die Gott sich auserkohren
Dem Unerschaffenen am ähnlichsten zu seyn.
Du sprichst ein schöpferisches: Werde!
Und zauberst durch des Pinsels Allgewalt
Die seelenvolleste Gestalt
Aus mannigfacher schön gefärbter Erde.

Durch Fleiß und Scharfblick kannst du Leben
Dem Bilde, wie Prométheûs geben;
Und mahlest mit dem Geist des Zeuxis angefüllt,
Nicht Trauben, um die Vögel zu berücken,
Nein, bestes Mädchen! Menschen zum Entzücken
Mahlst du, man wird getäuscht, eilt hin — und küßt das Bild.
Den Schmerz der Trennung zu besiegen,
Stellst du in nachgeahmten Zügen,
Den Freund, der unser Alles war,
Getreu vor unsre Augen dar.
Wie gern läßt sich das Herz beym Anschaun nicht betrügen,
Fühlt unaussprechliches Vergnügen,
Und trinkt aus seinem liebevollen Blick
Der Erdbewohner höchstes Glück!
Du rufest den, den uns der Tod entrissen,
Zurück von Lethens Strand;
Wir sehn ihn, wie er lebend vor uns stand,
Und wähnen ihn nur halb zu missen.

Durchforscht der Nachwelt Wißbegier
Dereinst die Thaten großer Männer,
Dann wünschet sich der Menschenkenner:
„Ach! hätt’ ich doch ein Bild von dir!
„Sorgfältig späht’ ich dann in deinen edlen Zügen
„Dem Geiste nach, der sich der Menschheit Glück geweiht. –“
Wohl dir! du schenktest dieß Vergnügen
Durch deine Meisterhand der späten Folgezeit.
So fahre fort die Laufbahn zu beschreiten.
Die zu der Ehre steilen Zinne führt:
Der Kunstgott selbst wird deine Schritte leiten,
Bis einst dein Bild den Tempel ziert,
Wo Timarete und Aristarete glänzen,
Und unsrer Therbusch Urne Genien umkränzen.

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