Textarchiv - August Wilhelm Schlegel https://www.textarchiv.com/august-wilhelm-schlegel Deutscher Übersetzer und Schriftsteller. Geboren am 8. September 1767 in Hannover. Gestorben am 12. Mai 1845 in Bonn. de Aus einem ungedruckten Roman https://www.textarchiv.com/august-wilhelm-schlegel/aus-einem-ungedruckten-roman <div class="field field-name-body field-type-text-with-summary field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" property="schema:text content:encoded"><p>Die Jugend flieht, die Hofnung ist zerronnen,<br /> Des Lebens Blüthen fallen welkend ab,<br /> Und unerreichbar fern sind meine Wonnen,<br /> Und stumm und einsam bin ich, wie ein Grab.<br /> Im ganzen weiten Reich der Wesen<br /> Hast du allein die Zaubermacht,<br /> Mich von dem Gram zu lösen,<br /> Der jeden Trost verlacht.</p> <p>Und ach! ich muß vor deinem Willen schweigen;<br /> Was er verhängt, wird hoch von mir geehrt.<br /> Was hülf’ es auch zu reden? – Ihn zu beugen?<br /> So kühner Wahn hat nimmer mich bethört.<br /> Du kennst das höchste Ziel des Lebens,<br /> Und zeichnest deine Bahn dir vor.<br /> Mein Flehen schlug vergebens<br /> Voll Inbrunst an dein Ohr.</p> <p>Zwar gingest du nicht taub vor mir vorüber;<br /> Du bist ein Weib, und Weichheit ist dein Stolz.<br /> Mein Busen bebte mir in jeder Fiber,<br /> Als nun um mich dein Blick in Thränen schmolz.<br /> Den süßen Thau der holden Augen<br /> Verschlang mein Herz, wie dürres Land.<br /> Weh mir! ihn einzusaugen,<br /> Das nährte nur den Brand.</p> <p>Ich kämpfte mich empor und wollte flüchten;<br /> Ich stieß die dargebotne Hand zurück.<br /> »O zürne mir, sonst wirst du mich vernichten!<br /> «Mich peinigt dieser göttlich milde Blick.<br /> »War’s Frevel, daß ich so entglühte?<br /> »O! du bist edel! Gieb mich los!<br /> »Laß ab mit deiner Güte!<br /> »Wo nicht: sei minder groß!«</p> <p>So rief ich aus. Was half mein Widerstreben?<br /> Ich fühlte mich von unsichtbarer Kraft,<br /> Vom Schicksal selbst in deine Hand gegeben,<br /> Die, was sie will, aus meinem Herzen schafft.<br /> Ich klage nicht; ich will es tragen.<br /> Dank dir! Mich adelt dieses Leid.<br /> Gestählt durch mein Entsagen,<br /> Besteh’ ich jeden Streit,</p> <p>Der Jugend Flur voll heller Gaukelszenen,<br /> Der Träum’ und Wünsche lächelndes Revier,<br /> Wohin ich sonst mit hofnungsvollem Sehnen<br /> Mich oft verirrt, liegt öde hinter mir.<br /> Gleichgültig steh’ ich im Getümmel,<br /> Das nach Genuß sich drängt; für mich<br /> Wär’ auch der Sel’gen Himmel<br /> Ein Chaos ohne dich.</p> <p>Das Glück ist arm; ich spotte seiner Gaben.<br /> In mir ist mehr, als es mir bieten kann.<br /> Ich habe das, und werd’ es ewig haben,<br /> Was ich von dir durch heiße Qual gewann.<br /> Dein Bild hab’ ich dir abgedrungen,<br /> Und in mein ganzes Selbst verwebt,<br /> Mit Liebeskraft umschlungen,<br /> Durch Liebeshauch belebt.</p> <p>Mir hallen in der Seele tiefsten Tiefen<br /> Die Melodieen deiner Worte nach;<br /> Da werden tausend Kräfte, welche schliefen,<br /> Bei dem geheimnißvollen Rufe wach.<br /> Erschaffen wird in mir ein Wille,<br /> Zu hohen Thaten stark und frei,<br /> Und deiner Tugend Fülle<br /> Gebiert mein Inn’res neu.</p> <p>Ich kann’s nicht bergen, nicht mein Herz belügen,<br /> Und träfe mich auch dein gerechter Spott;<br /> Dich zu erreichen, dich zu überfliegen,<br /> In dem Gedanken schwärm’ ich mich zum Gott.<br /> Du kannst nicht diesen Trotz verdammen,<br /> Und siegt’ ich auch, dein wär der Ruhm!<br /> Ich stahl ja diese Flammen<br /> Aus deinem Heiligthum.</p> <p>Doch sollt’ ich nie es fesseln und umschlingen,<br /> Das überirdisch lockende Phantom;<br /> Wär’ ich verdammt, umsonst dir nachzuringen,<br /> Gewirbelt von des Wankelmuthes Strom;<br /> So möcht’ ich meinen Geist verhauchen,<br /> Den Hasser dieses Sonnenlichts,<br /> Und mich hinunter tauchen<br /> In’s öde, kalte Nichts.</p> <p>II.</p> <p>O! ich weiß, beschränkt und nichtig<br /> Ist des Menschen Seyn und Thun;<br /> Und wir schweifen in der Irre,<br /> Und wir finden im Gewirre<br /> Keine Stät’, um auszuruhn.</p> <p>Traum nur bist auch du, und Schatten,<br /> Traum vom Schatten, süßes Weib!<br /> Deine Leiden, deine Wonnen,<br /> Wasserblasen gleich zerronnen,<br /> Sind des Schicksals Zeitvertreib.</p> <p>Aber sprich: sind unsre Herzen<br /> Auch der Zeit, des Zufalls Spott?<br /> Schwillt mein Busen nicht mit Beben<br /> Mir von selbstgeschaffnem Leben?<br /> Bin ich mir nicht selbst ein Gott?</p> <p>Freilich wär’s ein Spiel den Göttern,<br /> Dieß, was allen Gram mir lohnt,<br /> Was mich trotzen heißt den Wettern,<br /> Mit dem Herzen zu zerschmettern,<br /> Wo es stolz und muthig wohnt.</p> <p>Doch so lang’ es pocht, soll ringen<br /> Nach dem Höchsten jeder Schlag.<br /> Meinen heil’gen Kranz entblättern,<br /> Meine Göttin mir entgöttern:<br /> Welche Macht, die das vermag?</p> <p>Sind dieß Wirbel rascher Flammen?<br /> Taumel wilder Leidenschaft?<br /> Nein, ich fühl’ in diesem Streben<br /> Inniges, geheimes Leben,<br /> Seelenwürd’ und Licht und Kraft.</p> <p>Könnte ja die Glut erlöschen,<br /> Die auf deinem Altar flammt;<br /> Göttin! o! so laß mich sterben,<br /> Laß mich süßen Tod erwerben,<br /> Eh das Schicksal mich verdammt,</p> <p>Mich verdammt zu ödem Leben,<br /> Das dem Tode langsam weicht,<br /> Freudenleer, in dumpfem Kummer,<br /> Während sich des Grabes Schlummer<br /> Kalt durch Mark und Nerven schleicht.</p> <p>Laß vom Daseyn mich genesen,<br /> Sanftes Weib! an deiner Brust.<br /> Wuth und Wonne wird mein Wesen<br /> Auf im letzten Kusse lösen.<br /> Ha! willkommen, Todeslust!</p> </div></div></div><div class="field field-name-field-author field-type-taxonomy-term-reference field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" rel="schema:author"><a href="/august-wilhelm-schlegel" typeof="skos:Concept" property="schema:name" datatype="">August Wilhelm Schlegel</a></div></div></div><div class="field field-name-field-releasedate field-type-number-integer field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" property="schema:datePublished">1796</div></div></div><span rel="schema:url" resource="/august-wilhelm-schlegel/aus-einem-ungedruckten-roman" class="rdf-meta element-hidden"></span><span property="schema:name" content="Aus einem ungedruckten Roman" class="rdf-meta element-hidden"></span> Tue, 06 Jan 2015 10:06:54 +0000 admin 684 at https://www.textarchiv.com