Textarchiv - Amalie von Imhoff https://www.textarchiv.com/amalie-von-imhoff Deutsche Dichterin und Übersetzerin. Geboren am 16. August 1776 in Weimar. Gestorben am 17. Dezember 1831 in Berlin. de Die Mode https://www.textarchiv.com/amalie-von-imhoff/die-mode <div class="field field-name-body field-type-text-with-summary field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" property="schema:text content:encoded"><p>Ueber die sterblichen Menschen, von einem Pole zum andern,<br /> Waltet die Mode, und weit dehnt sich ihr mächtiges Reich.<br /> Oefters schwinget die Hand despotisch den ehernen Scepter,<br /> Oft auch neiget sie sanft rosenumwunden den Stab.<br /> Nur wie es wohl ihr gefällt und wie’s zur Stund’ ihr gelüstet,<br /> Schlingt sie bald grazienhaft, bald auch als Kette das Band<br /> Um die gehorchende Welt; denn seit Astraea den Erdball<br /> Floh, beherrscht ihn die Mod’ an der Unsterblichen Statt.<br /> Wechselnd und ohne Bestand sind ihrer Willkühr Gesetze,<br /> Welche nach Laune doch oft, auch was veraltet, erneut;<br /> Hier zum milderen Süd den rauhen Norden verwandelt,<br /> Dort in dem südlichen Land Nordens Gebräuche gebeut.<br /> Lange beherrschte sie streng mein Vaterland, traurige Bande<br /> Fesselten es, sie bestritt feindlich die schöne Natur.<br /> Sie verhüllte die Locken der Jungfrau mit lästigem Zierrath,<br /> Zwang mit entstellender Kunst aufwärts das Haar sich zu drehn.<br /> Barg in dem weiten Gerüst’ der Hüften liebliche Schlankheit,<br /> Hemmte den Grazien-Gang und den geflügelten Schritt.<br /> Dicht gefaltet und eng, in neidisch bergender Fülle,<br /> Rauschte das schwere Gewand zierliche Rücken hinab,<br /> Dennoch beugte die Schönheit mit folgsam geschmeidigem Nacken<br /> (Besseres kannte sie nicht) sich dem tyrannischen Joch.<br /> Aber wie schnell hat sich rings um alles gewandelt! – Die Göttin<br /> Bildet’ in attische Frau’n jetzt ihre Dienenden um.<br /> Freundlich reichet sie ihnen die zarten weissen Gewänder,<br /> Reicht das goldene Band wallenden Locken zum Schmuck.<br /> „Nehmet blühende Mädchen, so spricht sie, die schöneren Gaben<br /> Aus der Gebieterin Hand, welche die Treue belohnt;<br /> Schauet die reizende Tracht!“ Sie zierte Griechenlands Jungfraun<br /> „Die auch auf meinem Altar liebliche Opfer gestreut.<br /> Lange prüft’ ich euch schon, ihr folgtet mit blindem Gehorsam<br /> Selbst dem verkehrten Befehl, war es Gebot nur von mir,<br /> Aber hinfort soll euch nicht die blinde Laune gebieten,<br /> Friedlich herrsch’ ich zugleich nun mit der holden Natur,<br /> Schöner erscheine durch mich dem Liebenden jetzt die Geliebte<br /> Sittsam mit einfachem Reiz, in dem bescheidnen Gewand,<br /> Wie vor der Jünglinge Blick in Hellas blühenden Thälern<br /> Himmlischer Grazie voll jegliche Jungfrau erschien,<br /> Lieb’ und freudiges Staunen im Busen erregend.“ Die Mode<br /> Sprach es und eilend ergriff jede das schöne Geschenk.<br /> Aber – war’s ein Versehn der sorglos tändelnden Göttin,<br /> Welche mit flüchtigem Fuß rastlos den Erdball umschweift,<br /> War es sträflicher Muthwill der Gauklerin, daß sie beim Geben<br /> Nur der griechischen Frau’n züchtigen Schleyer vergaß?</p> </div></div></div><div class="field field-name-field-author field-type-taxonomy-term-reference field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" rel="schema:author"><a href="/amalie-von-imhoff" typeof="skos:Concept" property="schema:name" datatype="">Amalie von Imhoff</a></div></div></div><div class="field field-name-field-releasedate field-type-number-integer field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" property="schema:datePublished">1798</div></div></div><span rel="schema:url" resource="/amalie-von-imhoff/die-mode" class="rdf-meta element-hidden"></span><span property="schema:name" content="Die Mode" class="rdf-meta element-hidden"></span> Wed, 01 Jun 2016 22:00:07 +0000 akessler 1577 at https://www.textarchiv.com Die Jungfrau des Schlosses https://www.textarchiv.com/amalie-von-imhoff/die-jungfrau-des-schlosses <div class="field field-name-body field-type-text-with-summary field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" property="schema:text content:encoded"><p>Vor grauen Jahrhunderten stand<br /> Auf Tannenumgürteten Höhen<br /> (Noch sind ihre Mauern zu sehen)<br /> Eine Burg im sächsischen Land.<br /> Dort hauste Graf Erich, ein Mann<br /> Von grausamen Sitten, es wehte<br /> Gar oft schon in blutiger Fehde<br /> Sein drohendes Banner voran.</p> <p>Jetzt hatt’ ihn das Alter erreicht,<br /> Schon glänzten, vom Reife der Jahre<br /> Bedecket, die bräunlichen Haare<br /> Des Ritters zu Silber gebleicht.<br /> Doch blieb er stets trotzig und wild,<br /> Ein harter Gebieter, es bebten<br /> Vor ihm seine Diener und lebten<br /> Mit furchtsamen Grauen erfüllt,</p> <p>Nur Jutta erzitterte nie,<br /> Wenn rauh sie der Vater bedräute,<br /> Nie zittert die Unschuld, auch scheute<br /> Der Nimmerbezähmte nur sie;<br /> Oft hielt sie mit bittendem Blick<br /> Das Schwerdt das der wüthende schwenkte<br /> Die Diener zu würgen und senkte<br /> Es sanft in die Scheide zurück.</p> <p>Kaum sah sie zum funfzehnten mal<br /> Die Wipfel der Tannen beschneiet,<br /> Und wieder ergrünt und erneuet<br /> Die schwankenden Erlen im Thal,<br /> Doch pflegte mit holder Geduld<br /> Des mürrischen Vaters sie stille,<br /> Ihr höchstes Gesetz war sein Wille,<br /> Ihr einziger Wunsch seine Huld.</p> <p>Einst da sie dem Vater beim Strahl<br /> Des Morgens, in dämmernder Frühe<br /> Mit liebend geschäftiger Mühe<br /> Gefüllt den gewohnten Pokal,<br /> Da lockt der erwachende Chor<br /> Des Hayns, die erröthende Bläue<br /> Des heiteren Himmels die Scheue<br /> Zum niedrigen Pförtchen am Thor.</p> <p>Sie athmet in trunkener Lust,<br /> Des Morgens balsamische Düfte,<br /> Sanft heben ihr schmeichelnde Lüfte<br /> Die Locken von Stirne und Brust.<br /> Und wie sie noch weilet, erschrickt<br /> Sie sanft, als in nahen Gesträuchen,<br /> Die schützend sich über ihn beugen,<br /> Ihr Aug einen Jüngling erblickt.</p> <p>Still schmiegt sich ein schmeichlender Hund<br /> Dem ruhenden Jäger im Schoose,<br /> Ihm lieget zur Seit’ in dem Moose<br /> Die Armbrust auf thauigtem Grund.<br /> Sie bleibt mit gefesseltem Blick<br /> Mit zweifelnden Tritten noch stehen,<br /> Schnell heißt sie die Schüchternheit gehen<br /> Und fest hält sie Neugier zurück.</p> <p>Sie nahet dem Jüngling und spricht:<br /> „So früh schon Herr Ritter vergnüget<br /> Die Jagd Euch? – denn sicher, es trüget<br /> Dies stattliche Ansehn mich nicht;<br /> Wohl habt ihr als Gast schon, geehrt,<br /> Im hohen gewölbeten Saale<br /> Des Vaters, beim festlichen Mahle,<br /> Die glänzenden Becher geleert.</p> <p>Nur mir seyd Ihr noch nicht bekannt;<br /> Es hält aus der fröhlichen Mitte<br /> Der Männer die strengere Sitte<br /> Uns schüchterne Frauen verbannt;<br /> Doch nehmt diesen Frühtrunk, fürwahr<br /> Ihr habt der Erquickung vonnöthen!“ –<br /> Hier beut sie mit keuschem Erröthen<br /> Den schwankenden Becher ihm dar.</p> <p>Und ach mit dem Weine durchdringt<br /> Der Liebe verzehrendes Feuer<br /> Den Jüngling; wie zahlt er so theuer<br /> Ein Labsal das Mitleid ihm bringt! –<br /> O Mädchen! – du wähnst, es sey Wein<br /> Der labend den Müden getränket?<br /> Ruft feurig der Jüngling, ihm senket<br /> In Busen sich glühende Pein.</p> <p>Ich schlürft aus dem Becher nur Schmerz,<br /> Der dumpf mir die Sinne umwindet,<br /> Gekühlt ist der Gaum; doch entzündet<br /> Mit ewiger Flamme mein Herz! –<br /> Doch weh mir! – es zürnet dein Blick<br /> Du fliehest? – O Jungfrau verzeihe,<br /> Schon folgt dem Vergehen die Reue,<br /> Doch nehm’ ich es nimmer zurück.</p> <p>Mein Nam’ ist von Wart, und es lag<br /> In Schwaben die Burg meiner Väter<br /> Doch ach! es befleckt’ ein Verräther<br /> Den rühmlichen Namen mit Schmach;<br /> Er ist der Verfolgungen Ziel,<br /> Seit ehrlos ihn Rudolph getragen,<br /> Und Albert der Kaiser, erschlagen<br /> Durch bübischen Meuchelmord, fiel.</p> <p>Auch uns traf die Rache; wir flohn.<br /> Es birgt in der dichtesten Mitte<br /> Des Waldes die niedere Hütte<br /> Seit Monden die Irrenden schon.<br /> Dort tönet so einsam und bang<br /> Des Vaters verzehrende Klage,<br /> Indeß ich die Forsten durchjage<br /> Dem dämmernden Morgen entlang.</p> <p>Wohl fühl’ ich’s, daß arm und verbannt,<br /> Geächtet, ein Flüchtling ich schleiche,<br /> Schon eil’ ich von hinnen, doch reiche<br /> Verzeihend mir liebreich die Hand.<br /> Nie soll mehr dein zürnender Blick<br /> O Schönste, dem Allzuverwegnen<br /> Auf schattiger Höhe begegnen,<br /> Doch denke an ihn noch zurück.</p> <p>Und Blässe des Todes umschwebt<br /> Jetzt plötzlich des Scheidenden Wange,<br /> Indeß noch mit schmerzlichem Drange<br /> Der Busen des Mädchens sich hebt.<br /> Sie ist sich nichts weiter bewußt,<br /> Besiegt von dem mächtigsten Triebe,<br /> Umfangen vom Zauber der Liebe,<br /> Sinkt glühend sie ihm an die Brust.</p> <p>Er ist der Verbannte nicht mehr;<br /> Von zärtlichen Armen umstricket,<br /> Am Busen der Liebe, erblicket<br /> Verwandelt er rings um sich her<br /> Zur freundlichen Heimath die Flur,<br /> Wo jüngst er ein Fremdling sich glaubte,<br /> Es giebt, was das Schicksal ihm raubte,<br /> Jetzt schöner ihm Lieb’ und Natur.</p> <p>Und jeglicher Morgen erneut<br /> Mit süßem Geheimniß die Wonne<br /> Der Liebenden, eh noch die Sonne<br /> Die hüllenden Nebel zerstreut,<br /> Eh zitternd am dunkleren Blau<br /> Der Schimmer der Sterne verglimmet,<br /> Und zweiflendes Dämmerlicht schwimmet,<br /> Rings über der schlummernden Au.</p> <p>Es hört nicht der Stürme Geheul,<br /> Es fühlt nicht den stürzenden Regen<br /> Der Jüngling, den Fluthen entgegen<br /> Erglimmet mit liebender Eil’<br /> Er Sommer und Winter die Höh’<br /> Und bahnt auf der fährlichen Reise<br /> Sich Pfade auf trüglichem Eise<br /> Und Wege durch bahnlosen Schnee.</p> <p>Stets harret die Liebende sein,<br /> Sie läßt ihn mit holdem Erbarmen<br /> Am klopfenden Busen erwarmen,<br /> Sie reicht ihm den purpurnen Wein.<br /> Im Schutze des nämlichen Baum’s<br /> Wo beide zuerst sich gefunden<br /> Verträumen sie seelig die Stunden<br /> Des kurzen beglückenden Traums.</p> <p>Doch einst da zur Pforte sie schleicht,<br /> Naht plötzlich gerüstet zum Jagen<br /> Der Vater, es sieht ihn mit Zagen<br /> Die Tochter, sie wankt und erbleicht.<br /> Streng fragt er: „Wie trägst du den Wein<br /> Zur Pforte?“ – „Er war einem Müden“<br /> Entgegnet sie stammelnd „beschieden<br /> Vom Söller gewahrte ich sein.“</p> <p>Schnell öfnet er zweiflend das Thor,<br /> Da eilt’ von den nahenden Tritten<br /> Getäuscht, mit geflügelten Schritten<br /> Der harrende Jüngling hervor.<br /> Und stolz ruft Graf Erich ihn an:<br /> „Wer bist du, um frevlend zu wagen,<br /> Dies fremde Geheg zu durchjagen<br /> Wer zeigte dem Knaben die Bahn?“</p> <p>Doch als sich mit zürnendem Muth<br /> Der trotzige Ritter genennet,<br /> (Unselige Kekheit) entbrennet<br /> Gewaltig des Grausamen Wuth.<br /> Wie, schnaubt er, entfloh dieser Brut<br /> Noch einer der himmlischen Rache?<br /> So führe mein Schwerd ihre Sache,<br /> Ihr fließe zum Opfer dein Blut.</p> <p>Ha! rufet von Unwill entglüht<br /> Der andre: „die fremden Verbrechen<br /> Am schuldlosen Flüchtling zu rächen<br /> Bist grausam du jetzt noch bemüht?“ –<br /> So spricht er, indeß er mit Fleiß<br /> Die stürmenden Streiche noch wehret,<br /> Sanft schont er des Wütrich’s und ehret<br /> In ihm noch den Vater und Greis.</p> <p>Und plötzlich mit flehendem Blick<br /> Stürzt Jutta sich zwischen die Streiter<br /> Bang faßt sie den Vater, – „Nicht weiter! –<br /> O haltet die Streiche zurück.<br /> Vergönnt mir, daß, eh noch der Stahl<br /> In schuldlosem Blute sich färbe,<br /> Durch ihn die Verbrecherin sterbe! –<br /> Der Jüngling – Er ist mein Gemahl!“</p> <p>Und schäumend und schrecklicher schwingt<br /> Der Alte sein Schwerdt; das Erbarmen<br /> Entflieht, da mit bebenden Armen<br /> Die Tochter den Jüngling umschlingt –<br /> Doch ach! den Geliebten beschützt<br /> Vergebens mit männlichem Muthe<br /> Die Treue, sie sinket vom Blute<br /> Des sterbenden Jünglings besprützt.</p> <p>Und als sie zum Leben erwacht,<br /> (Schon trug man den Gatten von hinnen)<br /> Da hüllt die zerrütteten Sinnen<br /> Der Wahnsinn in tröstende Nacht.<br /> Sie wandelt im wachenden Traum<br /> Noch täglich bei dämmernder Helle<br /> Hinaus zu der blutigen Stelle<br /> Und ruht an dem schützenden Baum.</p> <p>Stets bringt den Pokal sie hierher,<br /> Und harret des Wiedersehns Stunde,<br /> Dann flüstert mit lächelndem Munde<br /> Die Arme: „Er durstet nicht mehr!“ –<br /> Starr blickt sie ins grünende Moos<br /> Mit zögernden Händen, vergießet<br /> Den Wein zur Erde, da fließet<br /> Die lindernde Zähr’ in den Schooß.</p> <p>Und nimmer mit stärkender Macht<br /> Erquickt sie der tröstende Schlummer,<br /> Wild scheuchet der rastlose Kummer<br /> Den holden Gefährten der Nacht.<br /> Sie wendet das bleiche Gesicht<br /> Wenn Mitleid die Nahrung ihr bietet,<br /> Und stirbt wie von Stürmen umwüthet<br /> Die glänzende Lilie bricht.</p> <p>Noch schweifet ihr Geist in dem Schein<br /> Der Dämmrung, man sieht unter Ranken<br /> Des düsternden Epheus sie wanken<br /> Am grauen bemoosten Gestein.<br /> Wild flattert ihr weißes Gewand<br /> Beim ersten verkündenden Strahle<br /> Des Morgens, sie wird in dem Thale<br /> Die Jungfrau des Schlosses genannt.</p> <p>Sie ruht auf versunkenem Maal,<br /> Wenn scheidend die Sterne erblassen,<br /> Die geistigen Hände umfassen<br /> Noch immer den goldnen Pokal,<br /> Und hat den gefürchteten Hayn<br /> Der irrende Jäger erreichet,<br /> Entschwebt sie den Mauern und reichet<br /> Dem Starren erquickenden Wein.</p> </div></div></div><div class="field field-name-field-author field-type-taxonomy-term-reference field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" rel="schema:author"><a href="/amalie-von-imhoff" typeof="skos:Concept" property="schema:name" datatype="">Amalie von Imhoff</a></div></div></div><div class="field field-name-field-releasedate field-type-number-integer field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" property="schema:datePublished">1798</div></div></div><span rel="schema:url" resource="/amalie-von-imhoff/die-jungfrau-des-schlosses" class="rdf-meta element-hidden"></span><span property="schema:name" content="Die Jungfrau des Schlosses" class="rdf-meta element-hidden"></span> Mon, 04 Apr 2016 22:00:01 +0000 akessler 1578 at https://www.textarchiv.com Der verlorne Maitag https://www.textarchiv.com/amalie-von-imhoff/der-verlorne-maitag <div class="field field-name-body field-type-text-with-summary field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" property="schema:text content:encoded"><p>Aus dem Reich der schönen Thetis,<br /> Aus der blauen Fluthen Bette<br /> Steigt der goldgelockte Phöbus,<br /> Um an ihrem schönsten Feste<br /> Mild die Erde zu beleuchten.<br /> Stolzer heftet er die Spangen<br /> Seines weiten Strahlenmantels<br /> Auf der hohen Brust zusammen.<br /> Lächelnd ziehen jezt die Nymphen<br /> An des Wagens goldne Deichsel<br /> Jene stolzen Sonnenrosse,<br /> Die den eitlen Sohn des Gottes<br /> In ein frühes Grab geschleudert,<br /> Aber ohne Sträuben folgen<br /> Sie dem wohlgewohnten Rufe,<br /> Und die Nymphen werfen scherzend<br /> Ueber sie die Purpurzügel.<br /> Leis eröfnet jetzt Aurora<br /> Ihre Kammer, wo sie einsam<br /> Ueber Titons graue Haare,<br /> Ueber ihren Wunsch getrauert,<br /> Da mit unvorsicht’ger Liebe<br /> Sie des Vielgeliebten Leben<br /> Nur zu seiner Qual verlängert,<br /> Ach! des freudenlosen Alters<br /> Muß er sich unsterblich grämen!<br /> Sie entfaltet dort im Osten<br /> Ihren saffrangelben Schleyer;<br /> Hesper, den sie bald verdunkelt,<br /> Leuchtet mit der Silberfackel<br /> Noch durch graue Morgenwolken –<br /> Aber jetzo nahet Phöbus –<br /> Von des Gottes Antlitz strahlet<br /> Ew’ges Licht und ew’ge Klarheit;<br /> Seine Flammenrosse schimmern,<br /> Reine Feuerfunken sprühen<br /> Aus des goldnen Wagens Rädern;<br /> Es entfliehen Nacht und Schrecken<br /> In den dunkeln Schoos des Orkus.<br /> Von dem lieblichbunten Kreise<br /> Junger Horen rings umscherzet,<br /> Steiget Phöbus in die Lüfte.</p> <p>Aber plötzlich hüllt Aurorens<br /> Schönen Schleyer grau Gewölke,<br /> Löscht des kleinen Hespers Fackel,<br /> Wälzt sich immer dicht und dichter<br /> Unter Phöbus stolze Rosse,<br /> Die voll Trotz die Flammenhufe<br /> In die feuchten Wolken schlagen.<br /> Wie in weiter Landesebne,<br /> Die das Roß vom Sporn getrieben<br /> Leicht durchfliegt, [der Hufe Spuren<br /> Füllt der gelbe Sand von selber;]<br /> Höher als der schnelle Reiter,<br /> Staubeswolken aufwärts steigen,<br /> Daß der ferne Wandrer wähnet,<br /> In den langerhobnen Wirbel<br /> Sey ein großer Troß gehüllet,<br /> So umwallt die Sonnenrosse<br /> Graues neblichtes Gewölke;<br /> Von den Flammenmähnen schütteln<br /> Sie mit Iris bunten Farben<br /> Tausend zarte Regentropfen,<br /> Daß der Horen seidne Flechten,<br /> Daß die goldnen Ringellocken,<br /> Sonst ein Spiel der Morgenwinde<br /> Jezt von kaltem Thaue träufelnd<br /> Um die weißen Nacken sinken,<br /> Daß die flatternden Gewänder<br /> Dichter sich in feuchten Falten<br /> An die schlanken Hüften schmiegen,<br /> „Phöbus! ruft der Kreis der Mädchen,<br /> Wende dein Gespann, es netzet<br /> Dieser dicke Duft der Erde<br /> Uns die Schläfe, uns die Sohlen. –<br /> Doch mit sanftem Ernst versetzet<br /> Jezt der schöne Gott des Tages:<br /> Folget immer, holde Stunden,<br /> Sanft euch fassend, meinem Wagen;<br /> Denn der Vater will es also,<br /> Daß ich heute ungesehen<br /> Ueber diesem Thale schwebe,<br /> Die verkehrten Menschen strafend –<br /> Die auf schimmernden Altären<br /> Eiteln thörichten Gebräuchen<br /> Ihre schönsten Freuden opfern.<br /> Statt an meinem heitern Strahle<br /> Ihr erkaltet Herz zu wärmen,<br /> An Aurorens schönem Schleyer<br /> Sich im Frühlingshayn zu freuen,<br /> Fesseln sie mit goldnen Ketten<br /> An des feilen Plutus Wagen<br /> Heute ihre Sclavennacken.<br /> Statt im schön gewölbten Tempel<br /> Jenes feyerlichen Haynes<br /> Heut auf grünenden Altären<br /> Freudenopfer darzubringen,<br /> Auf des muntern Waldorchesters<br /> Feyerhymnen froh zu horchen,<br /> Zählen in geschmückten Zimmern,<br /> Geldgier in den stieren Blicken<br /> Aengstlich sie gemahlte Blätter,<br /> Und entzweyen sich um Pappe!<br /> Unglückseliges Geschlecht!<br /> Selbst in Tempe’s Fluren elend.<br /> An Ilissus Veilgen Ufern,<br /> Würdet ihr nach Karten greifen! –</p> <p>Doch wer wandelt wohl dort unten,<br /> Stürmen trotzend und dem Regen?<br /> Zwischen feuchtem Mooße pflücket<br /> Er bedächtlich jezt Violen,<br /> Wie die Mädchen sie den Wiesen<br /> Nur an schönen Morgen rauben;<br /> Zart die schweren Regentropfen<br /> Aus den kleinen Kelchen schüttelnd,<br /> Trillert ruhig er ein Liedchen –<br /> Ha! – Jezt kenn’ ich ihn, ein Liebling<br /> Ist er jener holden Neune,<br /> Der sich meinem Heiligthume<br /> Oft bescheiden flehend nahte,<br /> Den ich nicht zurück gewiesen. –<br /> Für die Freundin, die er ehret,<br /> Die indeß das Thal durchwandelt,<br /> Sinnender dies Fest begehend,<br /> Pflückt er auf der Höh’ die Blumen.<br /> Ihm, der die Natur verehret,<br /> Und die Gaben holder Musen;<br /> Ihm, der schon auf meinem Altar<br /> Süße Erstlinge geopfert,<br /> Soll der steile Pfad des Ruhmes,<br /> Als ein Blumenweg erscheinen,<br /> Wo er lächelnd Freuden pflücket;<br /> Und am Ziele soll der Lorbeer,<br /> Aus der Musen heilgen Händen<br /> Ihm die heitre Stirne krönen.“</p> </div></div></div><div class="field field-name-field-author field-type-taxonomy-term-reference field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" rel="schema:author"><a href="/amalie-von-imhoff" typeof="skos:Concept" property="schema:name" datatype="">Amalie von Imhoff</a></div></div></div><div class="field field-name-field-releasedate field-type-number-integer field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" property="schema:datePublished">1798</div></div></div><span rel="schema:url" resource="/amalie-von-imhoff/der-verlorne-maitag" class="rdf-meta element-hidden"></span><span property="schema:name" content="Der verlorne Maitag" class="rdf-meta element-hidden"></span> Tue, 21 Jul 2015 22:00:02 +0000 akessler 852 at https://www.textarchiv.com Sonett https://www.textarchiv.com/amalie-von-imhoff/sonett <div class="field field-name-body field-type-text-with-summary field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" property="schema:text content:encoded"><p>Wo ist die Zeit, da leicht und unbefangen<br /> Das freye Herz im jungen Busen schlug,<br /> Da es noch nicht durch süßen Selbstbetrug<br /> Sich quälte, nicht durch Hoffnung und Verlangen?<br /> Da dieser Geist, mit Einfalt hold umfangen,<br /> Sich fremd noch war, und doch sich selbst genug;<br /> Und still die Brust kein Bild der Sehnsucht trug,<br /> Ist denn so schnell die goldne Zeit vergangen?<br /> Der Ruhe Glück und ihre reinen Freuden<br /> Sind mir entflohn auf immer mich zu meiden<br /> Ich seh nur Schmerz, ich ahnde nur Gefahr.<br /> Des Grames Hand wird künftig mich geleiten;<br /> Und dennoch, ach! sind alle diese Leiden<br /> Jezt süßer mir, als sonst die Ruhe war.</p> </div></div></div><div class="field field-name-field-author field-type-taxonomy-term-reference field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" rel="schema:author"><a href="/amalie-von-imhoff" typeof="skos:Concept" property="schema:name" datatype="">Amalie von Imhoff</a></div></div></div><div class="field field-name-field-releasedate field-type-number-integer field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" property="schema:datePublished">1798</div></div></div><span rel="schema:url" resource="/amalie-von-imhoff/sonett" class="rdf-meta element-hidden"></span><span property="schema:name" content="Sonett" class="rdf-meta element-hidden"></span> Mon, 25 May 2015 23:36:39 +0000 akessler 851 at https://www.textarchiv.com Mein Traum https://www.textarchiv.com/amalie-von-imhoff/mein-traum <div class="field field-name-body field-type-text-with-summary field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" property="schema:text content:encoded"><p>Als vom Schlummer leis beschlichen<br /> Sich die Augenwimper schloß,<br /> Und die Bilder all erblichen<br /> Die der Tag um mich ergoß,<br /> Sank mit rosigem Gefieder,<br /> Süsser Ruhe Unterpfand,<br /> Jüngst ein Traum zu mir hernieder,<br /> Den mein Schutzgeist mir gesandt.</p> <p>Rauher Winterstürme Brausen<br /> Hörte mein erschrocknes Ohr;<br /> Kalter Regengüsse Sausen<br /> Schallte aus dem Sturm hervor,<br /> Als am Fenster meiner Zelle<br /> Wo ich ängstlich still gelauscht,<br /> Mir ein Fittich, silberhelle<br /> Schnell und scheu vorüberrauscht.</p> <p>Schwirrend streift es hin und wieder,<br /> Schlägt das kleine Flügelpaar;<br /> Am erstarrenden Gefieder<br /> Zittern Eisestropfen gar;<br /> Sieh das arme Vöglein spähet<br /> Nach dem Nestgen, das gewiß<br /> Dieser Sturm, dem nichts entgehet,<br /> Von des Hüttchens Obdach riß.</p> <p>Voll Erbarmen nehm’ ich leise<br /> Vom beeisten Fenster ihn;<br /> Und es sinkt der silberweiße<br /> Starre Vogel leblos hin,<br /> Mir in Schooß, es bebt der Arme<br /> Auf der Hand, die zart und fest,<br /> Aengstlich ihn, daß er erwarme<br /> An den heissen Busen preßt.</p> <p>Lebe, holder Fremdling, lebe!<br /> Ruf’ ich selbst mir kaum bewußt;<br /> Deinem kleinen Herzen gebe,<br /> Neue Wärme diese Brust!<br /> Sieh, er regt sich, frisch erhebet<br /> Das gesenkte Köpfgen sich,<br /> Und mit munterm Fluge schwebet<br /> Dankbar flatternd er um mich.</p> <p>Aber, Wunder sonder Gleichen!<br /> Meinen Augen trau ich kaum;<br /> Zarte Rosenglieder steigen<br /> Aus der Federn seidnem Pflaum.<br /> Goldne Ringellocken blinken,<br /> Wo der kleine Schnabel war<br /> Seh ich Purpurlippen winken<br /> Und ein schelmisch Augenpaar.</p> <p>Kurz, am schönsten Knaben zeiget<br /> Sich vom Vogel keine Spur,<br /> Von der weißen Schulter steiget<br /> Goldbesäumt die Schwinge nur.<br /> Ha! Du Schelm! gar wohl belehret<br /> Dieses Goldgefieder mich,<br /> Ich erkenn’ auch unbewehret<br /> Losesten der Vögel dich.</p> <p>Süß und lispelnd jetzt versetzet<br /> Er mit lächelndem Gesicht:<br /> Daß dich mein Geschoß verletzet,<br /> Fürchte holdes Mädchen nicht.<br /> In der Brust die mich gepfleget,<br /> Ruht ein warmes treues Herz,<br /> Doch das ruhige beweget<br /> Nie der Liebe süßer Schmerz.</p> <p>Listig wollt ich dich betrügen;<br /> Mitleid öfnet oft die Thür,<br /> Deine Schwestern zu besiegen,<br /> Zu den weichen Herzen mir,<br /> Doch das deine sey verschonet;<br /> Diese stille Brust verlieh<br /> Einem Gotte Schutz, er lohnet<br /> Dir mit solchem Undank nie.</p> <p>Meiner Fackel Glut entzünde<br /> Sie mit wilder Flamme nicht,<br /> Und es raube meine Binde<br /> Nie der heitern Blicke Licht;<br /> Schmerzlos sey dir meiner Pfeile<br /> Meines goldnen Bogens Macht.“<br /> Hier entfloh mit loser Eile<br /> Amor, und ich war erwacht.</p> </div></div></div><div class="field field-name-field-author field-type-taxonomy-term-reference field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" rel="schema:author"><a href="/amalie-von-imhoff" typeof="skos:Concept" property="schema:name" datatype="">Amalie von Imhoff</a></div></div></div><div class="field field-name-field-releasedate field-type-number-integer field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" property="schema:datePublished">1798</div></div></div><span rel="schema:url" resource="/amalie-von-imhoff/mein-traum" class="rdf-meta element-hidden"></span><span property="schema:name" content="Mein Traum" class="rdf-meta element-hidden"></span> Sat, 24 Jan 2015 20:58:07 +0000 admin 724 at https://www.textarchiv.com