Textarchiv - Gerhard Amyntor https://www.textarchiv.com/gerhard-amyntor Preußischer Generalstabsoffizier und Schriftsteller. Geboren am 12. Juli 1831 in Liegnitz. Gestorben am 24. Februar 1910 in Potsdam. de Der Floh und der Riese https://www.textarchiv.com/gerhard-amyntor/der-floh-und-der-riese <div class="field field-name-body field-type-text-with-summary field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" property="schema:text content:encoded"><p>Auf einem Riesen sass ein Floh,<br /> Der wurde nimmer herzlich froh;<br /> Wie er anch saugte Zug um Zug,<br /> Es war dem Schlingel nie genug.<br /> Der Riese hatte dichtes Fell,<br /> In das der kleine Springgesell<br /> Nicht immer konnte nach Belieben<br /> Den leckerhaften Rüssel schieben;<br /> Doch wenn's gelang, dann mit Behagen<br /> That er in Hast gar wackre Züge<br /> Und füllte gierig seinen Magen.<br /> Gesättigt hub er an zu lästern:<br /> »Mein Wohlgefühl ist frevle Lüge!<br /> Was sorg' ich heute mich wie gestern,<br /> Zu fristen dieses Daseins Not?<br /> Am besten wär' ich nie geboren,<br /> Denn all mein Mühen ist verloren;<br /> Man quält sich doch nur für den – Tod.<br /> Fluch dem unselig blinden Willen,<br /> Dem unvernünft’gen Schöpfungsdrang,<br /> Der, seine Musse auszufüllen,<br /> Mich und den Kerl, drauf ich schmarotze,<br /> Gesundem Denken just zum Trotze<br /> Zu dieses Lebens Posse zwang!<br /> Der Unsinn hat uns nur erschaffen,<br /> Und sinnlos vegetiert die Zunft<br /> Der Menschen, Vögel, Fische, Affen;<br /> Nur ich, der Floh, bin mit Vernunft<br /> Begabt und seh' bei ihrem Schein<br /> Des Weltprinzipes Irrwahn ein!«</p> <p>So schmählt er oft. Doch einmal traf<br /> Herr Pulex eine gute Stelle<br /> Und füllte mit der süssen Welle<br /> Des Blutes sich sein Wänstlein brav;<br /> Doch als er sich recht toll und voll<br /> Gesoffen, wie's ein Floh nicht soll,<br /> Da folgte Uebelkeit der Lust,<br /> Und an des guten Riesen Brust<br /> Hat er sich krampfhaft angeklammert,<br /> Sein Irren reuevoll bejammert<br /> Und sich mit seinem Intellekt<br /> Zur ewigen Ruhe ausgestreckt.<br /> Er starb als seines Vaters Sohn<br /> An einer – Indigestion.</p> <p>Der Riese unsre Erde ist;<br /> Der Floh darauf – der Pessimist.</p> </div></div></div><div class="field field-name-field-author field-type-taxonomy-term-reference field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" rel="schema:author"><a href="/gerhard-amyntor" typeof="skos:Concept" property="schema:name" datatype="">Gerhard Amyntor</a></div></div></div><div class="field field-name-field-releasedate field-type-number-integer field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" property="schema:datePublished">1904</div></div></div><span rel="schema:url" resource="/gerhard-amyntor/der-floh-und-der-riese" class="rdf-meta element-hidden"></span><span property="schema:name" content="Der Floh und der Riese" class="rdf-meta element-hidden"></span> Wed, 27 May 2015 00:01:42 +0000 akessler 860 at https://www.textarchiv.com Die öffentliche Meinung https://www.textarchiv.com/gerhard-amyntor/die-oeffentliche-meinung <div class="field field-name-body field-type-text-with-summary field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" property="schema:text content:encoded"><p>Du Zwitterwesen mit dem Januskopfe,<br /> Bald unbestechlich, edel, keusch und zart;<br /> Bald ähnelnd dem vertierten, blöden Tropfe,<br /> Der nimmer ahnt, wie Geist sich offenbart!</p> <p>Heut bist ein Riese du, der falscher Grösse<br /> Das Schwert zerbricht und Brünne, Schild und Helm;<br /> Und morgen liegst in krüppelhafter Blösse<br /> Schweifwedelnd du im Staub vor einem Schelm.</p> <p>Du bist ein Herrscher, wunderbar geboren,<br /> Und unsichtbar regierst du Stadt und Land;<br /> Noch selten hast du eine Schlacht verloren,<br /> Und deine Feinde haben harten Stand.<br /> Und doch ein Feigling bist du, der den Schwindel,<br /> Der frech sich spreizt, nicht anzutasten wagt!<br /> Wenn dich, den Fetischdiener, das Gesindel<br /> Nur keck bedroht, so duckst du dich verzagt.</p> <p>Hier gehst du blind vorbei dem scharfen Denker,<br /> Dein Fussfall dort der feilen Dirne gilt;<br /> Heut hebst den Helden du und Schlachtenlenker,<br /> Und morgen einen Affen auf den Schild.</p> <p>Querköpfiges Scheusal! deinem Lob und Tadel<br /> Trotz’ ich, und spotte deines Regiments! –<br /> So deklamierte voll Gesinnungsadel<br /> Der neue Kandidat des Parlaments.</p> <p>Drauf ging er hin und streute der Vereinung<br /> Der Wähler aus sein Kompromiss-Konfekt;<br /> Und am Altar der öffentlichen Meinung<br /> Geopfert lag des Braven Intellekt.</p> </div></div></div><div class="field field-name-field-author field-type-taxonomy-term-reference field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" rel="schema:author"><a href="/gerhard-amyntor" typeof="skos:Concept" property="schema:name" datatype="">Gerhard Amyntor</a></div></div></div><div class="field field-name-field-releasedate field-type-number-integer field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" property="schema:datePublished">1904</div></div></div><span rel="schema:url" resource="/gerhard-amyntor/die-oeffentliche-meinung" class="rdf-meta element-hidden"></span><span property="schema:name" content="Die öffentliche Meinung" class="rdf-meta element-hidden"></span> Sun, 01 Mar 2015 19:12:25 +0000 akessler 859 at https://www.textarchiv.com