Textarchiv - Ludwig Anzengruber https://www.textarchiv.com/ludwig-anzengruber Österreichischer Dramatiker und Erzähler. Geboren am 29. November 1839 in Wien. Gestorben am 10. Dezember 1889 in Wien. de Die Spinnen und die Fliegen https://www.textarchiv.com/ludwig-anzengruber/die-spinnen-und-die-fliegen <div class="field field-name-body field-type-text-with-summary field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" property="schema:text content:encoded"><p>In einem Schlösschen, das verlassen<br /> Und darum halb verfallen stand,<br /> Herbergten in den öden Räumen<br /> Viel Dutzend Spinnen an der Wind.</p> <p>Gesundheit halber aber mochte<br /> Der letzte der Insassen hier<br /> Zerbroch’ne Scheiben nicht vertragen<br /> Und flickte alles mit Papier.</p> <p>Er schnitt dadurch den vielen Spinnen<br /> Der Nahrung Zufuhr gründlich ab,<br /> Von aussen kam nicht eine Fliege,<br /> Wie es bald innen keine gab.</p> <p>Die netzewebende Gemeinde,<br /> Die wusste nicht, wie ihr geschah,<br /> Und war nach langem, grimmen Fasten<br /> Dem bittern Hungertode nah.</p> <p>Da ward für den, der Kraft noch fühlte,<br /> Die Selbsterhaltung zum Gesetz,<br /> Er lud beim Schwächern sich zu Gaste<br /> Und frass ihn auf im eignen Netz.</p> <p>Doch als zu höchst die Not gestiegen,<br /> Da fügte sich, dass vor dem Schloss<br /> Ein muntrer Knab’ vorbeigezogen,<br /> Den lange Weile just verdross.</p> <p>Er raffte Kiesel auf vom Wege<br /> Und nahm die Fenster sich zum Ziel,<br /> Nur wenig heile Scheiben blieben<br /> Nach diesem ritterlichen Spiel.<br /> Und durch die Lücken schwärmten Fliegen<br /> In Hülle und in Fülle ein,<br /> Die Spinnen sagten: Gottes Güte<br /> Regierte sichtbarlich den Stein!</p> <p>Sie falteten die Vorderbeine<br /> Und dankten ihm, der alle nährt,<br /> Und haben dann mit frommen Sinnen<br /> Die Fliegen reinlich aufgezehrt.</p> <p>Doch meinte deren Schwarm hinwieder –<br /> Der rings bestrickt vom Tod sich fand –<br /> Die Scheiben habe ausgebrochen<br /> Der Satan mit selbsteigner Hand.</p> <p>Entging den grimmen Stricken eine,<br /> Durch Gottes Huld hielt sie sich frei,<br /> Und ward sie dennoch aufgefressen,<br /> So meint’ sie, dass es Prüfung sei.</p> <p>Das gilt von Fliegen und von Spinnen,<br /> Die an Vernunft nicht überreich;<br /> Doch sind wir klugen Menschen ihnen,<br /> Gottlob, in keinem Punkte gleich.</p> </div></div></div><div class="field field-name-field-author field-type-taxonomy-term-reference field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" rel="schema:author"><a href="/ludwig-anzengruber" typeof="skos:Concept" property="schema:name" datatype="">Ludwig Anzengruber</a></div></div></div><div class="field field-name-field-releasedate field-type-number-integer field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" property="schema:datePublished">1904</div></div></div><span rel="schema:url" resource="/ludwig-anzengruber/die-spinnen-und-die-fliegen" class="rdf-meta element-hidden"></span><span property="schema:name" content="Die Spinnen und die Fliegen" class="rdf-meta element-hidden"></span> Sun, 01 Mar 2015 19:30:10 +0000 akessler 861 at https://www.textarchiv.com