Textarchiv - Franz von Dingelstedt
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Deutscher Dichter und Theaterintendant. Geboren am 30. Juni 1814 in Halsdorf (Hessen). Gestorben am 15. Mai 1881 in Wien.
deWie lieb’ ich es, wenn ich im Wagen
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<div class="field field-name-body field-type-text-with-summary field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" property="schema:text content:encoded"><p>Wie lieb’ ich es, wenn ich im Wagen<br />
Allein, ihr Halstuch umgeschlagen,<br />
Im Mund die glimmende Zigarre,<br />
Auf meine späte Freundin harre.</p>
<p>Es träumt sich hübsch in diesen Kissen,<br />
Die auch von ihren Träumen wissen,<br />
Hübsch schaukelt’s sich auf diesen Federn,<br />
In Seidenpolstern, Juchtenledern.</p>
<p>Zuweilen weht, vom Wind getragen,<br />
Musik herunter in den Wagen,<br />
Zuweilen hau’n der Rappen Hufe<br />
Auf des Palastes breite Stufe.</p>
<p>Und wenn sie kommt, schon auf der Treppe<br />
Erkenn’ ich an der Hast die Schleppe,<br />
Die Stimme, die, noch fern der Schwelle,<br />
Wegschickt der Fackeln falsche Helle.</p>
<p>Den Tritt herab! Mit einem Satze<br />
Mir an den Hals, die Tigerkatze!<br />
Den Mantel fort! Mit süssem Zwange<br />
Mir um den Leib, die Königsschlange.</p>
<p>Wie glüh’n vom Tanz ihr Stirn und Backen,<br />
Wie marmorähnlich perlt ihr Nacken,<br />
Wie fliegt ihr Atem, wie im Dunkeln<br />
Die weissen Augen auf mir funkeln!</p>
<p>So durch der Strassen lichte Zeile<br />
Hinauf, hinab mit Windeseile,<br />
So in die Nacht, die mondenhelle,<br />
Hinein, hinaus mit Zauberschnelle!</p>
<p>Wahrhaftig, mir ist oft zu Sinn,<br />
Als führ’ ich durch ein Märchen hin;<br />
Sie selbst, in Tränen und in Scherzen,<br />
Liegt mir, ein Rätsel, auf dem Herzen.</p>
</div></div></div><div class="field field-name-field-author field-type-taxonomy-term-reference field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" rel="schema:author"><a href="/franz-von-dingelstedt" typeof="skos:Concept" property="schema:name" datatype="">Franz von Dingelstedt</a></div></div></div><div class="field field-name-field-releasedate field-type-number-integer field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" property="schema:datePublished">1904</div></div></div><span rel="schema:url" resource="/franz-von-dingelstedt/wie-lieb-ich-es-wenn-ich-im-wagen" class="rdf-meta element-hidden"></span><span property="schema:name" content="Wie lieb’ ich es, wenn ich im Wagen" class="rdf-meta element-hidden"></span>Sun, 07 Jun 2015 22:00:02 +0000akessler926 at https://www.textarchiv.comMutter und Sohn
https://www.textarchiv.com/franz-von-dingelstedt/mutter-und-sohn
<div class="field field-name-body field-type-text-with-summary field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" property="schema:text content:encoded"><p>»Nun ist die Not geendet,<br />
Frau Mutter, seid getrost,<br />
Seht da, was man mir sendet<br />
Aus München mit der Post:<br />
Besiegelt, unterschrieben,<br />
Ein fertiger Kontrakt!<br />
Kein Tag mehr wird geblieben,<br />
Noch heute eingepackt!«</p>
<p>Die Alte hob vom Lager<br />
Erstaunt den Arm empor,<br />
Ein Aermlein, welk und mager<br />
Und zitternd wie ein Rohr;<br />
Mit Händen will sie greifen,<br />
Was sie nicht lesen kann:<br />
Aus sei das wüste Streifen,<br />
Die Ruhe gehe an.</p>
<p>Doch Schreck, nicht Freude spiegelt<br />
Ihr Antlitz totenblass:<br />
»Dies Blatt ist schwarz gesiegelt,<br />
Kind, was bedeutet das?«<br />
»Welch abergläub’ger Schauer<br />
Euch wieder einmal plagt!<br />
Vielleicht war eben Trauer<br />
Bei Hof dort angesagt!«</p>
<p>Wie heiss sein Herz vom Hoffen,<br />
Sein Kopf vom Planen brennt!<br />
Nun sieht er endlich offen<br />
Ein Feld für sein Talent;<br />
Was schon sein sel’ger Vater,<br />
Dann er umsonst begehrt,<br />
Ein grosses Hoftheater,<br />
Nun ist’s ihm doch beschert!</p>
<p>Und wie sein Glück die greise,<br />
Schwerkranke Mutter rührt,<br />
Die er auf jeder Reise<br />
Getreulich mit sich führt!<br />
Er ist zwar nur ein Mime,<br />
Ein leichtes Künstlerblut;<br />
Doch was dem Sohn gezieme,<br />
Das weiss und übt er gut.</p>
<p>Sie faltet die Hände beide<br />
Und spricht, ins Bett verhüllt:<br />
»So wird, bevor ich scheide,<br />
Auch mir ein Wunsch erfüllt,<br />
Dass ich, den ich schon lange<br />
Mir schmerzlich vorenthalt’,<br />
Den Leib des Herrn empfange<br />
In beiderlei Gestalt.</p>
<p>Viel Kirchen, gross und kleine,<br />
Und christlich alle wohl,<br />
Doch meines Glaubens keine<br />
Giebt’s hier im Land Tirol;<br />
Wenn hier mein Stündlein schlüge,<br />
So sagt die Nachbarin,<br />
Zur Kirchhofsmauer trüge<br />
Wie ehrlos man mich hin.</p>
<p>Herr, thu mir solchen Schaden<br />
An Leib und Seel’ nicht an!<br />
Herr, führe mich in Gnaden<br />
Lebendig aus Meran!<br />
Bis München lass mich langen<br />
Auf meiner Leidensbahn,<br />
Und wenn ich heimgegangen,<br />
Nimm du dich Fritzens an!«</p>
<p>Der Himmel hört ihr Flehen,<br />
Doch währt’s noch ein’ge Zeit,<br />
Eh’ sie von dannen gehen,<br />
Und auch der Weg ist weit;<br />
Indes flog das Verderben<br />
Dem Wanderpaar voraus,<br />
Das grosse Völkersterben<br />
Im Bayern-Land und Haus!</p>
<p>Eh’ sie die Stadt erreichen,<br />
Die alle andern floh’n,<br />
Umweht es sie wie Leichen-<br />
Geruch von weitem schon.<br />
Man warnt, man rät zu bleiben;<br />
Vergebens! Ohne Ruh’<br />
Und unaufhaltsam treiben<br />
Sie selbst dem Abgrund zu.</p>
<p>Spät abends fuhr der Wagen<br />
Ins Isarthor herein:<br />
Wie ausgestorben lagen<br />
Die hohen Häuserreih’n,<br />
Verlassen alle Gassen,<br />
Die sonst so lärmend sind;<br />
Aus schwarzen Wolkenmassen<br />
Blies seufzerschwer der Wind.</p>
<p>Der Sohn hat kaum die Alte<br />
Besorgt zu Bett gebracht,<br />
So eilt er in die kalte,<br />
Die todesschwangre Nacht;<br />
Er kann nicht eher schlafen,<br />
Zur Ruh’ nicht eher geh’n,<br />
Bis dass er seinen Hafen,<br />
Das Schauspielhaus, geseh’n.</p>
<p>Und als es hoch und helle<br />
Im Mondlicht vor ihm stand,<br />
Da küsste er die Schwelle,<br />
Umschlang der Säulen Rand<br />
Und rief, die Händ’ erhoben,<br />
Durch Thränen vor sich hin:<br />
»Ich danke dir da droben,<br />
Dass ich am Ziele bin!«</p>
<p>Er war es. Nachts gekommen,<br />
Erkrankt am Morgen drauf<br />
Und abends – fortgenommem:<br />
Gewöhnlicher Verlauf!<br />
An ihres Sohnes Bahre<br />
Sass wie ein Bild aus Stein<br />
Mit wirrem, weissem Haare<br />
Die Alte ganz allein!</p>
<p>Ein Wunder ist’s, zu schauen,<br />
Wie sich mit voller Kraft<br />
Die ärmste aller Frauen<br />
Urplötzlich aufgerafft,<br />
Wie sie, gestützt am Stabe<br />
Und mehr noch am Gebet,<br />
Von ihres Einz’gen Grabe<br />
Zum Tisch des Herren geht.</p>
<p>Sie lebt noch heutzutage,<br />
Wenn das ein Leben heisst:<br />
Ein Leiden ohne Klage,<br />
Ein Schatten ohne Geist!<br />
Mag’s stürmen oder regnen,<br />
Ob’s Eis, ob Blüten schneit,<br />
Im Kirchhof ihr begegnen<br />
Kannst du zu jeder Zeit.</p>
<p>Sie hält in ihrem Schosse<br />
Ein welkes Blatt Papier;<br />
Das Siegel drauf, das grosse,<br />
Das schwarze, zeigt sie dir<br />
Und spricht mit Stolz: »Ich sitze<br />
Hier nicht als Bettlerin;<br />
Da drunten liegt mein Fritze,<br />
Der Hofschauspieler, drin!</p>
</div></div></div><div class="field field-name-field-author field-type-taxonomy-term-reference field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" rel="schema:author"><a href="/franz-von-dingelstedt" typeof="skos:Concept" property="schema:name" datatype="">Franz von Dingelstedt</a></div></div></div><div class="field field-name-field-releasedate field-type-number-integer field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" property="schema:datePublished">1904</div></div></div><span rel="schema:url" resource="/franz-von-dingelstedt/mutter-und-sohn" class="rdf-meta element-hidden"></span><span property="schema:name" content="Mutter und Sohn" class="rdf-meta element-hidden"></span>Sun, 29 Mar 2015 08:25:47 +0000akessler927 at https://www.textarchiv.comWanderleben
https://www.textarchiv.com/franz-von-dingelstedt/wanderleben
<div class="field field-name-body field-type-text-with-summary field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" property="schema:text content:encoded"><p>Zu Liebchens nächtlichdunkelm Haus<br />
Schick’ ich die letzten Grüsse;<br />
Ich zieh’ auf frühe Wand’rung aus,<br />
Sie schläft noch fest und süsse.</p>
<p>Und wenn sie morgens spät erwacht,<br />
Dann fragt sie wohl beklommen:<br />
Einer verliess mich gestern Nacht,<br />
Wird heut ein Andrer kommen?</p>
</div></div></div><div class="field field-name-field-author field-type-taxonomy-term-reference field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" rel="schema:author"><a href="/franz-von-dingelstedt" typeof="skos:Concept" property="schema:name" datatype="">Franz von Dingelstedt</a></div></div></div><div class="field field-name-field-releasedate field-type-number-integer field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" property="schema:datePublished">1904</div></div></div><span rel="schema:url" resource="/franz-von-dingelstedt/wanderleben" class="rdf-meta element-hidden"></span><span property="schema:name" content="Wanderleben" class="rdf-meta element-hidden"></span>Fri, 06 Mar 2015 10:17:58 +0000akessler925 at https://www.textarchiv.com