Textarchiv - Richard Hamel https://www.textarchiv.com/richard-hamel Deutscher Schriftsteller. Geboren am 12. September 1853 in Potsdam. Gestorben am 7. September 1924 in Oldenburg (Oldenburg). de Der alte Steinschläger https://www.textarchiv.com/richard-hamel/der-alte-steinschlaeger <div class="field field-name-body field-type-text-with-summary field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" property="schema:text content:encoded"><p>Ich sitze hier am Wege<br /> Und breche Stein um Stein,<br /> Und höre des Hammers Schläge –<br /> Wann wird’s der letzte sein?</p> <p>Grau ist mein Haar, zerzaust mein Bart,<br /> Verschlissen mein Gewand,<br /> Mein Antlitz gefurcht und wetterhart,<br /> Und schwielig meine Hand.</p> <p>Doch klopf’ ich wie es mir beliebt,<br /> Der freieste Mann im Reich;<br /> Und wenn Erinn’rung mich betrübt,<br /> Schlag’ ich, dass hell der Funken stiebt,<br /> Und denke, unter meinem Streich<br /> Zerschell’ manch steinern Herz.</p> <p>Und feine Frau und feiner Mann,<br /> Die gehen fein bei Seit’!<br /> Sie sieht mich bangen Auges an<br /> Und mein verschimmelt Kleid.<br /> Was kümmert ihr mich, schöne Frau?<br /> Bedarf nicht euer Geld;<br /> Mir neigt sich der Baum in ganzer Schau,<br /> Mein ist die weite Welt.</p> <p>Auch ich besass einst Kind und Weib –<br /> Für Armut und für Not<br /> War ach zu zart ihr süsser Leib,<br /> Drum sind sie längst schon tot.</p> <p>Ich aber sitz’ am Wege<br /> Und breche Stein um Stein<br /> Und höre des Hammers Schläge –<br /> Wann wird’s der letzte sein?</p> <p>Sie war so lieb und war so gut,<br /> Und manchem reichen Mann<br /> Stand nach ihr der verliebte Mut,<br /> Doch sie sah keinen an.</p> <p>Ich hatte wenig Geld, doch war<br /> Von Liedern voll mein Sinn;<br /> Treu warb ich um sie manches Jahr,<br /> Da sprach sie: »Nimm mich hin!«</p> <p>Wir zogen ins Gebirge – o!<br /> Lieb’, Freiheit, Einsamkeit!<br /> Ein herrlich Jahr gar schnell entfloh,<br /> Da kam die böse Zeit.</p> <p>Das Geld ging aus, und ob ich auch<br /> Um Brot warb überall:<br /> »Taugt nicht für unsern ernsten Brauch« _<br /> So hiess es alle Mal.</p> <p>Vor bittrer Not starb mir mein Kind,<br /> Mein Weib vor Leid und Qual.<br /> Still sass ich am Grabe, und nur der Wind<br /> Stöhnte und schrie zu Thal.</p> <p>Er schrie und stöhnte: »Komm mit, komm mit,<br /> Was ist’s, das noch dich hält?«<br /> Da rüstet’ ich den Fuss und schritt<br /> Still durch die weite Welt.</p> <p>Und sitz’ nun hier am Wege<br /> Und breche Stein um Stein,<br /> Und höre des Hammers Schläge –<br /> Wann wird’s der letzte sein?</p> </div></div></div><div class="field field-name-field-author field-type-taxonomy-term-reference field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" rel="schema:author"><a href="/richard-hamel" typeof="skos:Concept" property="schema:name" datatype="">Richard Hamel</a></div></div></div><div class="field field-name-field-releasedate field-type-number-integer field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" property="schema:datePublished">1904</div></div></div><span rel="schema:url" resource="/richard-hamel/der-alte-steinschlaeger" class="rdf-meta element-hidden"></span><span property="schema:name" content="Der alte Steinschläger" class="rdf-meta element-hidden"></span> Wed, 18 Mar 2015 22:17:10 +0000 akessler 1003 at https://www.textarchiv.com