Textarchiv - Ludwig Uhland https://www.textarchiv.com/ludwig-uhland Deutscher Dichter. Geboren am 26. April 1787 in Tübingen. Gestorben am 13. November 1862 in Tübingen. de Des Sängers Wiederkehr https://www.textarchiv.com/ludwig-uhland/des-saengers-wiederkehr <div class="field field-name-body field-type-text-with-summary field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" property="schema:text content:encoded"><p>Dort liegt der Sänger auf der Bahre,<br /> Des bleicher Mund kein Lied beginnt,<br /> Es kränzen Daphnes falbe Haare<br /> Die Stirne, die nichts mehr ersinnt.</p> <p>Man legt zu ihm in schmucken Rollen<br /> Die letzten Lieder, die er sang;<br /> Die Leier, die so hell erschollen,<br /> Liegt ihm in Armen sonder Klang.</p> <p>So schlummert er den tiefen Schlummer.<br /> Sein Lied umweht noch jedes Ohr,<br /> Doch nährt es stets den herben Kummer,<br /> Daß man den Herrlichen verlor.</p> <p>Wohl Monden, Jahre sind verschwunden,<br /> Zypressen wuchsen um sein Grab;<br /> Die seinen Tod so herb empfunden,<br /> Sie sanken alle selbst hinab.</p> <p>Doch wie der Frühling wiederkehret<br /> Mit frischer Kraft und Regsamkeit<br /> So wandelt jetzt, verjüngt, verkläret,<br /> Der Sänger in der neuen Zeit.</p> <p>Er ist den Lebenden vereinet,<br /> Vom Hauch des Grabes keine Spur!<br /> Die Vorwelt, die ihn tot gemeinet,<br /> Lebt selbst in seinem Liede nur.</p> </div></div></div><div class="field field-name-field-author field-type-taxonomy-term-reference field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" rel="schema:author"><a href="/ludwig-uhland" typeof="skos:Concept" property="schema:name" datatype="">Ludwig Uhland</a></div></div></div><div class="field field-name-field-releasedate field-type-number-integer field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" property="schema:datePublished">1815</div></div></div><span rel="schema:url" resource="/ludwig-uhland/des-saengers-wiederkehr" class="rdf-meta element-hidden"></span><span property="schema:name" content="Des Sängers Wiederkehr" class="rdf-meta element-hidden"></span> Thu, 06 Jul 2017 22:00:30 +0000 mrbot 3531 at https://www.textarchiv.com Die verlorene Kirche https://www.textarchiv.com/ludwig-uhland/die-verlorene-kirche <div class="field field-name-body field-type-text-with-summary field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" property="schema:text content:encoded"><p>Man höret oft im fernen Wald<br /> Von obenher ein dumpfes Läuten,<br /> Doch niemand weiß, von wann es hallt,<br /> Und kaum die Sage kann es deuten.<br /> Von der verlornen Kirche soll<br /> Der Klang ertönen mit den Winden;<br /> Einst war der Pfad von Wallern voll,<br /> Nun weiß ihn keiner mehr zu finden.</p> <p>Jüngst ging ich in dem Walde weit,<br /> Wo kein betretner Steig sich dehnet,<br /> Aus der Verderbnis dieser Zeit<br /> Hatt ich zu Gott mich hingesehnet.<br /> Wo in der Wildnis alles schwieg,<br /> Vernahm ich das Geläute wieder,<br /> Je höher meine Sehnsucht stieg,<br /> Je näher, voller klang es nieder.</p> <p>Mein Geist war so in sich gekehrt,<br /> Mein Sinn vom Klange hingenommen,<br /> Daß mir es immer unerklärt,<br /> Wie ich so hoch hinaufgekommen.<br /> Mir schien es mehr denn hundert Jahr,<br /> Daß ich so hingeträumet hätte,<br /> Als über Nebeln, sonneklar,<br /> Sich öffnet&#039; eine freie Stätte.</p> <p>Der Himmel war so dunkelblau,<br /> Die Sonne war so voll und glühend,<br /> Und eines Münsters stolzer Bau<br /> Stand in dem goldnen Lichte blühend.<br /> Mir dünkten helle Wolken ihn,<br /> Gleich Fittigen, emporzuheben,<br /> Und seines Turmes Spitze schien<br /> Im sel&#039;gen Himmel zu verschweben.</p> <p>Der Glocke wonnevoller Klang<br /> Ertönte schütternd in dem Turme,<br /> Doch zog nicht Menschenhand den Strang,<br /> Sie ward bewegt von heil&#039;gem Sturme.<br /> Mir war&#039;s, derselbe Sturm und Strom<br /> Hätt an mein klopfend Herz geschlagen;<br /> So trat ich in den hohen Dom<br /> Mit schwankem Schritt und freud&#039;gem Zagen.</p> <p>Wie mir in jenen Hallen war,<br /> Das kann ich nicht mit Worten schildern.<br /> Die Fenster glühten dunkelklar<br /> Mit aller Märtrer frommen Bildern;<br /> Dann sah ich, wundersam erhellt,<br /> Das Bild zum Leben sich erweitern,<br /> Ich sah hinaus in eine Welt<br /> Von heil&#039;gen Frauen, Gottesstreitern.</p> <p>Ich kniete nieder am Altar,<br /> Von Lieb und Andacht ganz durchstrahlet.<br /> Hoch oben an der Decke war<br /> Des Himmels Glorie gemalet;<br /> Doch als ich wieder sah empor,<br /> Da war gesprengt der Kuppel Bogen,<br /> Geöffnet war des Himmels Tor<br /> Und jede Hülle weggezogen.</p> <p>Was ich für Herrlichkeit geschaut<br /> Mit still anbetendem Erstaunen,<br /> Was ich gehört für sel&#039;gen Laut<br /> Als Orgel mehr und als Posaunen,<br /> Das steht nicht in der Worte Macht,<br /> Doch wer darnach sich treulich sehnet,<br /> Der nehme des Geläutes acht,<br /> Das in dem Walde dumpf ertönet!</p> </div></div></div><div class="field field-name-field-author field-type-taxonomy-term-reference field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" rel="schema:author"><a href="/ludwig-uhland" typeof="skos:Concept" property="schema:name" datatype="">Ludwig Uhland</a></div></div></div><div class="field field-name-field-releasedate field-type-number-integer field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" property="schema:datePublished">1815</div></div></div><span rel="schema:url" resource="/ludwig-uhland/die-verlorene-kirche" class="rdf-meta element-hidden"></span><span property="schema:name" content="Die verlorene Kirche" class="rdf-meta element-hidden"></span> Sat, 24 Jun 2017 22:00:22 +0000 mrbot 3594 at https://www.textarchiv.com Der Student https://www.textarchiv.com/ludwig-uhland/der-student <div class="field field-name-body field-type-text-with-summary field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" property="schema:text content:encoded"><p>Als ich einst bei Salamanka<br /> Früh in einem Garten saß<br /> Und beim Schlag der Nachtigallen<br /> Emsig im Homerus las:<br /> Wie in glänzenden Gewanden<br /> Helena zur Zinne trat<br /> Und so herrlich sich erzeigte<br /> Dem trojanischen Senat,<br /> Daß vernehmlich der und jener<br /> Brummt&#039; in seinen grauen Bart:<br /> »Solch ein Weib ward nie gesehen,<br /> Traun, sie ist von Götterart!«<br /> Als ich so mich ganz vertiefet,<br /> Wußt ich nicht, wie mir geschah:<br /> In die Blätter fuhr ein Wehen,<br /> Daß ich staunend um mich sah.<br /> Auf benachbartem Balkone,<br /> Welch ein Wunder schaut ich da!<br /> Dort in glänzenden Gewanden<br /> Stand ein Weib wie Helena<br /> Und ein Graubart ihr zur Seite,<br /> Der so seltsam freundlich tat,<br /> Daß ich schwören mocht, er wäre<br /> Von der Troer hohem Rat.<br /> Doch ich selbst ward ein Achäer,<br /> Der ich nun seit jenem Tag<br /> Vor dem festen Gartenhause,<br /> Einer neuen Troja, lag.<br /> Um es unverblümt zu sagen:<br /> Manche Sommerwoch entlang<br /> Kam ich dorthin jeden Abend<br /> Mit der Laut und mit Gesang,<br /> Klagt in mannigfachen Weisen<br /> Meiner Liebe Qual und Drang,<br /> Bis zuletzt vom hohen Gitter<br /> Süße Antwort niederklang.<br /> Solches Spiel mit Wort und Tönen<br /> Trieben wir ein halbes Jahr,<br /> Und auch dies war nur vergönnet,<br /> Weil halb taub der Vormund war.<br /> Hub er gleich sich oft vom Lager,<br /> Schlaflos, eifersüchtig bang,<br /> Blieben doch ihm unsre Stimmen<br /> Ungehört wie Sphärenklang.<br /> Aber einst, die Nacht war schaurig,<br /> Sternlos, finster wie das Grab,<br /> Klang auf das gewohnte Zeichen<br /> Keine Antwort mir herab.<br /> Nur ein alt zahnloses Fräulein<br /> Ward von meiner Stimme wach,<br /> Nur das alte Fräulein Echo<br /> Stöhnte meine Klagen nach.<br /> Meine Schöne war verschwunden,<br /> Leer die Zimmer, leer der Saal,<br /> Leer der blumenreiche Garten,<br /> Rings verödet Berg und Tal.<br /> Ach, und nie hatt ich erfahren<br /> Ihre Heimat, ihren Stand,<br /> Weil sie, beides zu verschweigen,<br /> Angelobt mit Mund und Hand.<br /> Da beschloß ich, sie zu suchen<br /> Nah und fern, auf irrer Fahrt.<br /> Den Homerus ließ ich liegen,<br /> Nun ich selbst Ulysses ward,<br /> Nahm die Laute zur Gefährtin,<br /> Und vor jeglichem Altan,<br /> Unter jedem Gitterfenster<br /> Frag ich leis mit Tönen an,<br /> Sing in Stadt und Feld das Liedchen,<br /> Das im Salamanker Tal<br /> Jeden Abend ich gesungen<br /> Meiner Liebsten zum Signal;<br /> Doch die Antwort, die ersehnte,<br /> Tönet nimmermehr, und ach,<br /> Nur das alte Fräulein Echo<br /> Reist zur Qual mir ewig nach.</p> </div></div></div><div class="field field-name-field-author field-type-taxonomy-term-reference field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" rel="schema:author"><a href="/ludwig-uhland" typeof="skos:Concept" property="schema:name" datatype="">Ludwig Uhland</a></div></div></div><div class="field field-name-field-releasedate field-type-number-integer field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" property="schema:datePublished">1815</div></div></div><span rel="schema:url" resource="/ludwig-uhland/der-student" class="rdf-meta element-hidden"></span><span property="schema:name" content="Der Student" class="rdf-meta element-hidden"></span> Tue, 31 Jan 2017 23:00:04 +0000 mrbot 3556 at https://www.textarchiv.com Traum https://www.textarchiv.com/ludwig-uhland/traum <div class="field field-name-body field-type-text-with-summary field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" property="schema:text content:encoded"><p>Es hat mir jüngst geträumet,<br /> Ich läg auf steiler Höh;<br /> Es war am Meeresstrande,<br /> Ich sah wohl in die Lande<br /> Und über die weite See.</p> <p>Es lag am Ufer drunten<br /> Ein schmuckes Schiff bereit,<br /> Mit bunten Wimpeln wehend,<br /> Der Ferg am Ruder stehend,<br /> Als wär ihm lang die Zeit.</p> <p>Da kam von fernen Bergen<br /> Ein lust&#039;ger Zug daher.<br /> Wie Engel täten sie glänzen,<br /> Geschmückt mit Blumenkränzen,<br /> Und zogen nach dem Meer.</p> <p>Voran dem Zuge schwärmten<br /> Der muntern Kinder viel.<br /> Die andern Becher schwangen,<br /> Musizierten, sangen,<br /> Schwebten in Tanz und Spiel.</p> <p>Sie sprachen zu dem Schiffer:<br /> »Willst du uns führen gern?<br /> Wir sind die Wonnen und Freuden,<br /> Wollen von der Erde scheiden,<br /> All von der Erde fern.«</p> <p>Er hieß ins Schiff sie treten,<br /> Die Freuden allzumal,<br /> Er sprach: »Sagt an, ihr Lieben!<br /> Ist keins zurückgeblieben<br /> Auf Bergen noch im Tal?«</p> <p>Sie riefen: »Wir sind alle!<br /> Fahr zu, wir haben Eil!«<br /> Sie fuhren mit frischen Winden,<br /> Fern, ferne sah ich schwinden<br /> Der Erde Lust und Heil.</p> </div></div></div><div class="field field-name-field-author field-type-taxonomy-term-reference field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" rel="schema:author"><a href="/ludwig-uhland" typeof="skos:Concept" property="schema:name" datatype="">Ludwig Uhland</a></div></div></div><div class="field field-name-field-releasedate field-type-number-integer field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" property="schema:datePublished">1815</div></div></div><span rel="schema:url" resource="/ludwig-uhland/traum" class="rdf-meta element-hidden"></span><span property="schema:name" content="Traum" class="rdf-meta element-hidden"></span> Sat, 28 Jan 2017 23:00:04 +0000 mrbot 3552 at https://www.textarchiv.com Das Schifflein https://www.textarchiv.com/ludwig-uhland/das-schifflein <div class="field field-name-body field-type-text-with-summary field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" property="schema:text content:encoded"><p>Ein Schifflein ziehet leise<br /> Den Strom hin seine Gleise.<br /> Es schweigen, die drin wandern,<br /> Denn keiner kennt den andern.</p> <p>Was zieht hier aus dem Felle<br /> Der braune Weidgeselle?<br /> Ein Horn, das sanft erschallet;<br /> Das Ufer widerhallet.</p> <p>Von seinem Wanderstabe<br /> Schraubt jener Stift und Habe<br /> Und mischt mit Flötentönen<br /> Sich in des Hornes Dröhnen.</p> <p>Das Mädchen saß so blöde,<br /> Als fehlt&#039; ihr gar die Rede,<br /> Jetzt stimmt sie mit Gesange<br /> Zu Horn und Flötenklange.</p> <p>Die Rudrer auch sich regen<br /> Mit taktgemäßen Schlägen.<br /> Das Schiff hinunterflieget,<br /> Von Melodie gewieget.</p> <p>Hart stößt es auf am Strande,<br /> Man trennt sich in die Lande.<br /> Wann treffen wir uns, Brüder!<br /> Auf einem Schifflein wieder?</p> </div></div></div><div class="field field-name-field-author field-type-taxonomy-term-reference field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" rel="schema:author"><a href="/ludwig-uhland" typeof="skos:Concept" property="schema:name" datatype="">Ludwig Uhland</a></div></div></div><div class="field field-name-field-releasedate field-type-number-integer field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" property="schema:datePublished">1815</div></div></div><span rel="schema:url" resource="/ludwig-uhland/das-schifflein" class="rdf-meta element-hidden"></span><span property="schema:name" content="Das Schifflein" class="rdf-meta element-hidden"></span> Fri, 20 Jan 2017 23:00:03 +0000 mrbot 3530 at https://www.textarchiv.com Dante https://www.textarchiv.com/ludwig-uhland/dante <div class="field field-name-body field-type-text-with-summary field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" property="schema:text content:encoded"><p>War&#039;s ein Tor der Stadt Florenz<br /> Oder war&#039;s ein Tor der Himmel,<br /> Draus am klarsten Frühlingsmorgen<br /> Zog so festliches Gewimmel?<br /> Kinder, hold wie Engelscharen,<br /> Reich geschmückt mit Blumenkränzen,<br /> Zogen in das Rosental<br /> Zu den frohen Festestänzen.<br /> Unter einem Lorbeerbaume<br /> Stand, damals neunjährig, Dante,<br /> Der im lieblichsten der Mädchen<br /> Seinen Engel gleich erkannte.<br /> Rauschten nicht des Lorbeers Zweige,<br /> Von der Frühlingsluft erschüttert?<br /> Klang nicht Dantes junge Seele,<br /> Von der Liebe Hauch durchzittert?<br /> Ja, ihm ist in jener Stunde<br /> Des Gesanges Quell entsprungen;<br /> In Sonetten, in Kanzonen<br /> Ist die Lieb ihm früh erklungen.<br /> Als, zur Jungfrau hold erwachsen,<br /> Jene wieder ihm begegnet,<br /> Steht auch seine Dichtung schon<br /> Wie ein Baum, der Blüten regnet.<br /> Aus dem Tore von Florenz<br /> Zogen dichte Scharen wieder,<br /> Aber langsam, trauervoll,<br /> Bei dem Klange dumpfer Lieder.<br /> Unter jenem schwarzen Tuch,<br /> Mit dem weißen Kreuz geschmücket,<br /> Trägt man Beatricen hin,<br /> Die der Tod so früh gepflücket.<br /> Dante saß in seiner Kammer<br /> Einsam, still, im Abendlichte,<br /> Hörte fern die Glocken tönen<br /> Und verhüllte sein Gesichte.<br /> In der Wälder tiefste Schatten<br /> Stieg der edle Sänger nieder,<br /> Gleich den fernen Totenglocken<br /> Tönten fortan seine Lieder.<br /> Aber in der wildsten Öde,<br /> Wo er ging mit bangem Stöhnen,<br /> Kam zu ihm ein Abgesandter<br /> Von der hingeschiednen Schönen;<br /> Der ihn führt&#039; an treuer Hand<br /> Durch der Hölle tiefste Schluchten,<br /> Wo sein ird&#039;scher Schmerz verstummte<br /> Bei dem Anblick der Verfluchten.<br /> Bald zum sel&#039;gen Licht empor<br /> Kam er auf den dunkeln Wegen,<br /> Aus des Paradieses Pforte<br /> Trat die Freundin ihm entgegen.<br /> Hoch und höher schwebten beide<br /> Durch des Himmels Glanz und Wonnen,<br /> Sie, aufblickend, ungeblendet,<br /> Zu der Sonne aller Sonnen;<br /> Er, die Augen hingewendet<br /> Nach der Freundin Angesichte,<br /> Das, verklärt, ihn schauen ließ<br /> Abglanz von dem ew&#039;gen Lichte.<br /> Einem göttlichen Gedicht<br /> Hat er alles einverleibet<br /> Mit so ew&#039;gen Feuerzügen,<br /> Wie der Blitz in Felsen schreibet.<br /> Ja, mit Fug wird dieser Sänger<br /> Als der Göttliche verehret,<br /> Dante, welchem ird&#039;sche Liebe<br /> Sich zu himmlischer verkläret.</p> </div></div></div><div class="field field-name-field-author field-type-taxonomy-term-reference field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" rel="schema:author"><a href="/ludwig-uhland" typeof="skos:Concept" property="schema:name" datatype="">Ludwig Uhland</a></div></div></div><div class="field field-name-field-releasedate field-type-number-integer field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" property="schema:datePublished">1815</div></div></div><span rel="schema:url" resource="/ludwig-uhland/dante" class="rdf-meta element-hidden"></span><span property="schema:name" content="Dante" class="rdf-meta element-hidden"></span> Fri, 13 Jan 2017 23:00:12 +0000 mrbot 3557 at https://www.textarchiv.com Märchen https://www.textarchiv.com/ludwig-uhland/maerchen <div class="field field-name-body field-type-text-with-summary field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" property="schema:text content:encoded"><p>Ihr habt gehört die Kunde<br /> Vom Fräulein, welches tief<br /> In eines Waldes Grunde<br /> Manch hundert Jahre schlief.<br /> Den Namen der Wunderbaren<br /> Vernahmt ihr aber nie,<br /> Ich hab ihn jüngst erfahren:<br /> Die deutsche Poesie.</p> <p>Zwo mächt&#039;ge Feen nahten<br /> Dem schönen Fürstenkind,<br /> An seine Wiege traten<br /> Sie mit dem Angebind.<br /> Die erste sprach behende:<br /> »Ja, lächle nur auf mich!<br /> Ich gebe dir frühes Ende<br /> Von einer Spindel Stich.«</p> <p>Die andre sprach dagegen:<br /> »Ja, lächle nur auf mich!<br /> Ich gebe dir meinen Segen,<br /> Der heilt den Todesstich;<br /> Der wird dich so bewahren,<br /> Daß süßer Schlaf dich deckt,<br /> Bis nach vierhundert Jahren<br /> Ein Königssohn dich weckt.«</p> <p>Da ward ins Reich erlassen<br /> Ein feierlich Gebot,<br /> Verkündet in allen Straßen,<br /> Der Tod darauf gedroht:<br /> Wo jemand Spindeln hätte,<br /> Die sollte man liefern ein<br /> Und sie an offner Stätte<br /> Verbrennen insgemein.</p> <p>Nicht nach gewohnter Sitte<br /> Erzog man dieses Kind<br /> In dumpfer Kammern Mitte<br /> Noch sonst, wo Spindeln sind;<br /> Nein! in den Rosengärten,<br /> In Wäldern, frisch und kühl,<br /> Mit lustigen Gefährten<br /> Bei freiem, kühnem Spiel.</p> <p>Und als es kam zu Jahren,<br /> Ward es die schönste Frau,<br /> Mit langen, goldnen Haaren,<br /> Mit Augen dunkelblau,<br /> In Gang, Gebärde züchtig,<br /> In Reden treu und schlicht,<br /> In aller Arbeit tüchtig,<br /> Nur mit der Spindel nicht.</p> <p>Viel stolze Ritter gingen<br /> Der Holden Dienste nach,<br /> Heinrich von Ofterdingen,<br /> Wolfram von Eschenbach.<br /> Sie gingen in Stahl und Eisen,<br /> Goldharfen in der Hand;<br /> Die Fürstin war zu preisen,<br /> Die solche Diener fand.</p> <p>Mit Degen und mit Speere<br /> Waren sie stets bereit,<br /> Den Frauen gaben sie Ehre<br /> Und sangen widerstreit.<br /> Sie sangen von Gottesminne,<br /> Von kühner Helden Mut,<br /> Von lindem Liebessinne,<br /> Von süßer Maienblut.</p> <p>Von alter Städte Mauern<br /> Der Widerhall erklang,<br /> Die Bürger und die Bauern<br /> Erhuben frischen Sang.<br /> Der Senne hat gesungen,<br /> Der über den Wolken wacht,<br /> Ein Lied ist aufgeklungen<br /> Tief aus des Bergmanns Schacht.</p> <p>In einer Mainacht blinkten<br /> Die Sterne wunderschön,<br /> Der Fürstin war, als winkten<br /> Sie ihr zu Turmes Höhn;<br /> Sie stieg hinauf zum Dache,<br /> Die Zarte ganz allein,<br /> Da fiel aus einem Gemache<br /> Ein trüber Lampenschein.</p> <p>Ein Weiblein, grau von Haaren,<br /> Dort an dem Rocken spann,<br /> Sie hatte wohl nichts erfahren<br /> Vom strengen Spindelbann.<br /> Die Fürstin, die noch nimmer<br /> Gesehen solche Kunst,<br /> Sie trat in Weibleins Zimmer:<br /> »Wer bist du, mit Vergunst?«</p> <p>»Man nennt mich, schönes Liebchen!<br /> Die Stubenpoesie;<br /> Denn aus dem trauten Stübchen<br /> Verirrt ich mich noch nie.<br /> Ich sitz am lieben Platze<br /> Beim Rocken, wandellos,<br /> Meine alte, blinde Katze<br /> Die spinnt auf meinem Schoß.</p> <p>Lange, lange Lehrgedichte,<br /> Die spinn ich recht mit Fleiß,<br /> Flächsene Heldengedichte,<br /> Die haspl ich schnellerweis.<br /> Mein Kater maut Tragödie,<br /> Mein Rad hat lyrischen Schwung,<br /> Meine Spindel spielt Komödie<br /> Mit Tanzbelustigung.«</p> <p>Die Fürstin tät erbleichen,<br /> Als man von Spindeln sprach,<br /> Sie wollte flugs entweichen,<br /> Die Spindel sprang ihr nach;<br /> Und an der morschen Schwelle,<br /> Da fiel das Fräulein jach,<br /> Die Spindel auf der Stelle<br /> Sie in die Ferse stach.</p> <p>Was war das für ein Schrecken,<br /> Als man sie morgens traf!<br /> Sie war nicht mehr zu wecken,<br /> Sie schlief den Zauberschlaf.<br /> Ein Lager ward bereitet<br /> Im hohen Rittersaal,<br /> Goldstoffe drauf gebreitet<br /> Und Rosen ohne Zahl.</p> <p>So schlief sie in der Halle,<br /> Die Fürstin, reich geschmückt.<br /> Bald hatte die andern alle<br /> Der gleiche Schlaf berückt.<br /> Die Sänger, schon in Träumen,<br /> Rührten die Saiten bang,<br /> Bis in des Schlosses Räumen<br /> Der letzte Laut verklang.</p> <p>Die Alte spann noch immer<br /> Im stillen Kämmerlein,<br /> Es woben in jedem Zimmer<br /> Die Spinnen, groß und klein.<br /> Die Hecken und Ranken woben<br /> Sich um den Fürstenbau,<br /> Und um den Himmel oben,<br /> Da spann sich Nebelgrau. –</p> <p>Wohl nach vierhundert Jahren,<br /> Da ritt des Königs Sohn<br /> Mit seinen Jägerscharen<br /> Ins Waldgebirg davon:<br /> »Was ragen doch da innen<br /> Ob all dem hohen Wald<br /> Für graue Türm und Zinnen<br /> Von seltsamer Gestalt?«</p> <p>Am Wege stund gerade<br /> Ein alter Spindelmann:<br /> »Erlauchter Prinz, um Gnade!<br /> Hört meine Warnung an!<br /> Romantische Menschenfresser<br /> Hausen auf jenem Schloß,<br /> Die mit barbarischem Messer<br /> Abschlachten klein und groß.«</p> <p>Der Königssohn verwegen<br /> Tät mit drei Jägern ziehn,<br /> Sie hieben mit den Degen<br /> Sich Bahn zum Schlosse hin.<br /> Gesenket war die Brücke,<br /> Geöffnet war das Tor,<br /> Daraus im Augenblicke<br /> Ein Hirschlein sprang hervor.</p> <p>Denn in des Hofes Räumen,<br /> Da war es wieder Wald,<br /> Da sangen in den Bäumen<br /> Die Vögel mannigfalt.<br /> Die Jäger ohn Verweilen,<br /> Sie drangen mutig hin,<br /> Wo eine Tür mit Säulen<br /> Aus dem Gebüsch erschien.</p> <p>Zween Riesen schlafend lagen<br /> Wohl vor dem Säulentor,<br /> Sie hielten, ins Kreuz geschlagen,<br /> Die Hellebarden vor,<br /> Darüber rüstig schritten<br /> Die Jäger allzumal,<br /> Sie gingen mit kecken Tritten<br /> Zu einem großen Saal.</p> <p>Da lehnten in hohen Nischen<br /> Geschmückter Frauen viel,<br /> Gewappnete Ritter dazwischen<br /> Mit goldnem Saitenspiel.<br /> Hohmächtige Gestalten,<br /> Geschloßnen Auges, stumm,<br /> Grabbildern gleich zu halten<br /> Aus grauem Altertum.</p> <p>Und mitten ward erblicket<br /> Ein Lager, reich von Gold,<br /> Da ruhte, wohlgeschmücket,<br /> Eine Jungfrau wunderhold.<br /> Die Süße war umfangen<br /> Mit frischen Rosen dicht,<br /> Und auch von Mund und Wangen<br /> Schien zartes Rosenlicht.</p> <p>Der Königssohn, zu wissen,<br /> Ob Leben in dem Bild,<br /> Tät seine Lippen schließen<br /> An ihren Mund so mild.<br /> Er hat es bald empfunden<br /> Am Odem, süß und warm,<br /> Und als sie ihn umwunden,<br /> Noch schlummernd, mit dem Arm.</p> <p>Sie streifte die goldnen Locken<br /> Aus ihrem Angesicht,<br /> Sie hob, so süß erschrocken,<br /> Ihr blaues Augenlicht.<br /> Und in den Nischen allen<br /> Erwachen Ritter und Frau,<br /> Die alten Lieder hallen<br /> Im weiten Fürstenbau.</p> <p>Ein Morgen, rot und golden,<br /> Hat uns den Mai gebracht;<br /> Da trat mit seiner Holden<br /> Der Prinz aus Waldesnacht.<br /> Es schreiten die alten Meister<br /> In hehrem, stolzem Gang<br /> Wie riesenhafte Geister<br /> Mit fremdem Wundersang.</p> <p>Die Täler, schlummertrunken,<br /> Weckt der Gesänge Lust;<br /> Wer einen Jugendfunken<br /> Noch hegt in seiner Brust,<br /> Der jubelt, tief gerühret:<br /> »Dank dieser goldnen Früh,<br /> Die uns zurückgeführet<br /> Dich, deutsche Poesie!«</p> <p>Die Alte sitzt noch immer<br /> In ihrem Kämmerlein;<br /> Das Dach zerfiel in Trümmer,<br /> Der Regen drang herein.<br /> Sie zieht noch kaum den Faden,<br /> Gelähmt hat sie der Schlag;<br /> Gott schenk ihr Ruh in Gnaden<br /> Bis über den jüngsten Tag!</p> </div></div></div><div class="field field-name-field-author field-type-taxonomy-term-reference field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" rel="schema:author"><a href="/ludwig-uhland" typeof="skos:Concept" property="schema:name" datatype="">Ludwig Uhland</a></div></div></div><div class="field field-name-field-releasedate field-type-number-integer field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" property="schema:datePublished">1815</div></div></div><span rel="schema:url" resource="/ludwig-uhland/maerchen" class="rdf-meta element-hidden"></span><span property="schema:name" content="Märchen" class="rdf-meta element-hidden"></span> Thu, 05 Jan 2017 23:00:05 +0000 mrbot 3600 at https://www.textarchiv.com Tells Tod https://www.textarchiv.com/ludwig-uhland/tells-tod <div class="field field-name-body field-type-text-with-summary field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" property="schema:text content:encoded"><p>Grün wird die Alpe werden,<br /> Stürzt die Lawin einmal;<br /> Zu Berge ziehn die Herden,<br /> Fuhr erst der Schnee zu Tal.<br /> Euch stellt, ihr Alpensöhne,<br /> Mit jedem neuen Jahr<br /> Des Eises Bruch vom Föhne<br /> Den Kampf der Freiheit dar.</p> <p>Da braust der wilde Schächen<br /> Hervor aus seiner Schlucht,<br /> Und Fels und Tanne brechen<br /> Vor seiner jähen Flucht.<br /> Er hat den Steg begraben,<br /> Der ob der Stäube hing,<br /> Hat weggespült den Knaben,<br /> Der auf dem Stege ging.</p> <p>Und eben schritt ein andrer<br /> Zur Brücke, da sie brach;<br /> Nicht stutzt der greise Wandrer,<br /> Wirft sich dem Knaben nach,<br /> Faßt ihn mit Adlerschnelle,<br /> Trägt ihn zum sichern Ort;<br /> Das Kind entspringt der Welle,<br /> Den Alten reißt sie fort.</p> <p>Doch als nun ausgestoßen<br /> Die Flut den toten Leib,<br /> Da stehn um ihn, ergossen<br /> In Jammer, Mann und Weib;<br /> Als kracht&#039; in seinem Grunde<br /> Des Rotstocks Felsgestell,<br /> Erschallt&#039;s aus einem Munde:<br /> Der Tell ist tot, der Tell!</p> <p>Wär ich ein Sohn der Berge,<br /> Ein Hirt am ew&#039;gen Schnee,<br /> Wär ich ein kecker Ferge<br /> Aus Uris grünem See<br /> Und trät in meinem Harme<br /> Zum Tell, wo er verschied,<br /> Des Toten Haupt im Arme,<br /> Spräch ich mein Klagelied:</p> <p>»Da liegst du, eine Leiche,<br /> Der aller Leben war;<br /> Dir trieft noch um das bleiche<br /> Gesicht dein greises Haar.<br /> Hier steht, den du gerettet,<br /> Ein Kind wie Milch und Blut;<br /> Das Land, das du entkettet,<br /> Steht rings in Alpenglut.</p> <p>Die Kraft derselben Liebe,<br /> Die du dem Knaben trugst,<br /> Ward einst in dir zum Triebe,<br /> Daß du den Zwingherrn schlugst.<br /> Nie schlummernd, nie erschrocken,<br /> War Retten stets dein Brauch,<br /> Wie in den braunen Locken,<br /> So in den grauen auch.</p> <p>Wärst du noch jung gewesen,<br /> Als du den Knaben fingst,<br /> Und wärst du dann genesen,<br /> Wie du nun untergingst,<br /> Wir hätten draus geschlossen<br /> Auf künft&#039;ger Taten Ruhm:<br /> Doch schön ist nach dem großen<br /> Das schlichte Heldentum.</p> <p>Dir hat dein Ohr geklungen<br /> Vom Lob, das man dir bot,<br /> Doch ist zu ihm gedrungen<br /> Ein schwacher Ruf der Not.<br /> Der ist ein Held der Freien,<br /> Der, wann der Sieg ihn kränzt,<br /> Noch glüht, sich dem zu weihen,<br /> Was frommet und nicht glänzt.</p> <p>Gesund bist du gekommen<br /> Vom Werk des Zorns zurück,<br /> Im hülfereichen, frommen<br /> Verließ dich erst dein Glück.<br /> Der Himmel hat dein Leben<br /> Nicht für ein Volk begehrt,<br /> Für dieses Kind gegeben,<br /> War ihm dein Opfer wert.</p> <p>Wo du den Vogt getroffen<br /> Mit deinem sichern Strahl,<br /> Dort steht ein Bethaus offen,<br /> Dem Strafgericht ein Mal;<br /> Doch hier, wo du gestorben,<br /> Dem Kind ein Heil zu sein,<br /> Hast du dir nur erworben<br /> Ein schmucklos Kreuz von Stein.</p> <p>Weithin wird lobgesungen,<br /> Wie du dein Land befreit,<br /> Von großer Dichter Zungen<br /> Vernimmt&#039;s noch späte Zeit;<br /> Doch steigt am Schächen nieder<br /> Ein Hirt im Abendrot,<br /> Dann hallt im Felstal wider<br /> Das Lied von deinem Tod.«</p> </div></div></div><div class="field field-name-field-author field-type-taxonomy-term-reference field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" rel="schema:author"><a href="/ludwig-uhland" typeof="skos:Concept" property="schema:name" datatype="">Ludwig Uhland</a></div></div></div><div class="field field-name-field-releasedate field-type-number-integer field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" property="schema:datePublished">1815</div></div></div><span rel="schema:url" resource="/ludwig-uhland/tells-tod" class="rdf-meta element-hidden"></span><span property="schema:name" content="Tells Tod" class="rdf-meta element-hidden"></span> Wed, 04 Jan 2017 23:00:04 +0000 mrbot 3596 at https://www.textarchiv.com Ver sacrum https://www.textarchiv.com/ludwig-uhland/ver-sacrum <div class="field field-name-body field-type-text-with-summary field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" property="schema:text content:encoded"><p>Als die Latiner aus Lavinium<br /> Nicht mehr dem Sturm der Feinde hielten stand,<br /> Da hoben sie zu ihrem Heiligtum,<br /> Dem Speer des Mavors, flehend Blick und Hand.</p> <p>Da sprach der Priester, der die Lanze trug:<br /> »Euch künd ich statt des Gottes, der euch grollt:<br /> Nicht wird er senden günst&#039;gen Vogelflug,<br /> Wenn ihr ihm nicht den Weihefrühling zollt.«</p> <p>»Ihm sei der Frühling heilig!« rief das Heer,<br /> »Und was der Frühling bringt, sei ihm gebracht!«<br /> Da rauschten Fittige, da klang der Speer,<br /> Da ward geworfen der Etrusker Macht.</p> <p>Und jene zogen heim mit Siegesruf,<br /> Und wo sie jauchzten, ward die Gegend grün,<br /> Feldblumen sproßten unter jedem Huf,<br /> Wo Speere streiften, sah man Bäum erblühn.</p> <p>Doch vor der Heimat Toren am Altar,<br /> Da harrten schon zum festlichen Empfang<br /> Die Frauen und der Jungfraun helle Schar,<br /> Bekränzt mit Blüte, welche heut entsprang.</p> <p>Als nun verrauscht der freudige Willkomm,<br /> Da trat der Priester auf den Hügel, stieß<br /> Ins Gras den heil&#039;gen Schaft, verneigte fromm<br /> Sein Haupt und sprach vor allem Volke dies:</p> <p>»Heil dir, der Sieg uns gab in Todesgraus!<br /> Was wir gelobten, das erfüllen wir.<br /> Die Arme breit ich auf dies Land hinaus<br /> Und weihe diesen vollen Frühling dir!</p> <p>Was jene Trift, die herdenreiche, trug,<br /> Das Lamm, das Zicklein flamme deinem Herd!<br /> Das junge Rind erwachse nicht dem Pflug<br /> Und für den Zügel nicht das mut&#039;ge Pferd!</p> <p>Und was in jenen Blütegärten reift,<br /> Was aus der Saat, der grünenden, gedeiht,<br /> Es werde nicht von Menschenhand gestreift:<br /> Dir sei es alles, alles dir geweiht!«</p> <p>Schon lag die Menge schweigend auf den Knien,<br /> Der gottgeweihte Frühling schwieg umher,<br /> So leuchtend, wie kein Frühling je erschien,<br /> Ein heil&#039;ger Schauer waltet&#039; ahnungschwer.</p> <p>Und weiter sprach der Priester: »Schon gefreit<br /> Wähnt ihr die Häupter, das Gelübd vollbracht?<br /> Vergaßt ihr ganz der Satzung alter Zeit?<br /> Habt ihr, was ihr gelobt, nicht vorbedacht?</p> <p>Der Blüten Duft, die Saat im heitern Licht,<br /> Die Trift, von neugeborner Zucht belebt,<br /> Sind sie ein Frühling, wenn die Jugend nicht,<br /> Die menschliche, durch sie den Reigen webt?</p> <p>Mehr als die Lämmer sind dem Gotte wert<br /> Die Jungfraun in der Jugend erstem Kranz;<br /> Mehr als der Füllen auch hat er begehrt<br /> Der Jünglinge im ersten Waffenglanz.</p> <p>O nicht umsonst, ihr Söhne, waret ihr<br /> Im Kampfe so von Gotteskraft durchglüht!<br /> O nicht umsonst, ihr Töchter, fanden wir,<br /> Rückkehrend, euch so wundervoll erblüht!</p> <p>Ein Volk hast du vom Fall erlöst, o Mars!<br /> Von Schmach der Knechtschaft hieltest du es rein<br /> Und willst dafür die Jugend eines Jahrs;<br /> Nimm sie! sie ist dir heilig, sie ist dein.«</p> <p>Und wieder warf das Volk sich auf den Grund,<br /> Nur die Geweihten standen noch umher,<br /> Von Schönheit leuchtend, wenn auch bleich der Mund,<br /> Und heil&#039;ger Schauer lag auf allen schwer.</p> <p>Noch lag die Menge schweigend wie das Grab,<br /> Dem Gotte zitternd, den sie erst beschwor,<br /> Da fuhr aus blauer Luft ein Strahl herab<br /> Und traf den Speer und flammt&#039; auf ihm empor.</p> <p>Der Priester hob dahin sein Angesicht,<br /> Ihm wallte glänzend Bart und Silberhaar;<br /> Das Auge strahlend von dem Himmelslicht,<br /> Verkündet&#039; er, was ihm eröffnet war:</p> <p>»Nicht läßt der Gott von seinem heil&#039;gen Raub,<br /> Doch will er nicht den Tod, er will die Kraft;<br /> Nicht will er einen Frühling welk und taub,<br /> Nein, einen Frühling, welcher treibt im Saft.</p> <p>Aus der Latiner alten Mauern soll<br /> Dem Kriegsgott eine neue Pflanzung gehn;<br /> Aus diesem Lenz, innkräft&#039;ger Keime voll,<br /> Wird eine große Zukunft ihm erstehn.</p> <p>Drum wähle jeder Jüngling sich die Braut,<br /> Mit Blumen sind die Locken schon bekränzt,<br /> Die Jungfrau folge dem, dem sie vertraut;<br /> So zieht dahin, wo euer Stern erglänzt!</p> <p>Die Körner, deren Halme jetzt noch grün,<br /> Sie nehmet mit zur Aussaat in der Fern,<br /> Und von den Bäumen, welche jetzt noch blühn,<br /> Bewahret euch den Schößling und den Kern!</p> <p>Der junge Stier pflüg euer Neubruchland,<br /> Auf eure Weiden führt das muntre Lamm,<br /> Das rasche Füllen spring an eurer Hand,<br /> Für künft&#039;ge Schlachten ein gesunder Stamm!</p> <p>Denn Schlacht und Sturm ist euch vorausgezeigt,<br /> Das ist ja dieses starken Gottes Recht,<br /> Der selbst in eure Mitte niedersteigt,<br /> Zu zeugen eurer Könige Geschlecht.</p> <p>In eurem Tempel haften wird sein Speer,<br /> Da schlagen ihn die Feldherrn schütternd an,<br /> Wann sie ausfahren über Land und Meer<br /> Und um den Erdkreis ziehn die Siegesbahn.</p> <p>Ihr habt vernommen, was dem Gott gefällt,<br /> Geht hin, bereitet euch, gehorchet still!<br /> Ihr seid das Saatkorn einer neuen Welt;<br /> Das ist der Weihefrühling, den er will.«</p> </div></div></div><div class="field field-name-field-author field-type-taxonomy-term-reference field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" rel="schema:author"><a href="/ludwig-uhland" typeof="skos:Concept" property="schema:name" datatype="">Ludwig Uhland</a></div></div></div><div class="field field-name-field-releasedate field-type-number-integer field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" property="schema:datePublished">1815</div></div></div><span rel="schema:url" resource="/ludwig-uhland/ver-sacrum" class="rdf-meta element-hidden"></span><span property="schema:name" content="Ver sacrum" class="rdf-meta element-hidden"></span> Tue, 03 Jan 2017 23:00:04 +0000 mrbot 3590 at https://www.textarchiv.com Unstern https://www.textarchiv.com/ludwig-uhland/unstern <div class="field field-name-body field-type-text-with-summary field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" property="schema:text content:encoded"><p>Unstern, diesem guten Jungen,<br /> Hat es seltsam sich geschickt:<br /> Manches wär ihm fast gelungen,<br /> Manches wär ihm schier geglückt.<br /> Alle Glückesstern im Bunde<br /> Hätten weihend ihm gelacht,<br /> Wenn die Mutter eine Stunde<br /> Früher ihn zur Welt gebracht.</p> <p>Waffenruhm und Heldenehre<br /> Hätten zeitig ihm geblüht,<br /> War doch in dem ganzen Heere<br /> Keiner so von Mut erglüht;<br /> Nur als schon in wilden Wogen<br /> Seine Schar zum Sturme drang,<br /> Kam ein Bote hergeflogen,<br /> Der die Friedensfahne schwang.</p> <p>Nah ist Unsterns Hochzeitfeier,<br /> Hold und sittig glüht die Braut;<br /> Sieh, da kommt ein reichrer Freier,<br /> Der die Eltern baß erbaut.<br /> Dennoch hätte die Geraubte<br /> Ihn als Witwe noch beglückt,<br /> Wäre nicht der Totgeglaubte<br /> Plötzlich wieder angerückt.</p> <p>Reich wär Unstern noch geworden<br /> Mit dem Gut der neuen Welt,<br /> Hätte nicht ein Sturm aus Norden<br /> Noch im Port das Schiff zerschellt.<br /> Glücklich war er selbst entschwommen,<br /> Einer Planke hatt er&#039;s dank,<br /> Hatte schon den Strand erklommen,<br /> Glitt zurück noch und versank.</p> <p>In den Himmel sonder Zweifel<br /> Würd er gleich gekommen sein,<br /> Liefe nicht ein dummer Teufel<br /> Just ihm in den Weg hinein.<br /> Teufel meint, es sei die Seele,<br /> Die er eben holen soll,<br /> Packt den Unstern an der Kehle,<br /> Rennt mit ihm davon wie toll.</p> <p>Da erscheint ein lichter Engel<br /> Rettend aus dem Nebelduft,<br /> Donnert flugs den schwarzen Bengel<br /> In die tiefste Höllenkluft,<br /> Schwebt der goldnen Himmelsferne<br /> Mit dem armen Unstern zu,<br /> Über gut&#039; und böse Sterne<br /> Führt er den zur ew&#039;gen Ruh.</p> </div></div></div><div class="field field-name-field-author field-type-taxonomy-term-reference field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" rel="schema:author"><a href="/ludwig-uhland" typeof="skos:Concept" property="schema:name" datatype="">Ludwig Uhland</a></div></div></div><div class="field field-name-field-releasedate field-type-number-integer field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" property="schema:datePublished">1815</div></div></div><span rel="schema:url" resource="/ludwig-uhland/unstern" class="rdf-meta element-hidden"></span><span property="schema:name" content="Unstern" class="rdf-meta element-hidden"></span> Fri, 30 Dec 2016 23:47:32 +0000 mrbot 3561 at https://www.textarchiv.com