Textarchiv - Karl Friedrich Kretschmann
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Deutscher Lyriker, Lustspielautor und Erzähler. Geboren am 4. Dezember 1738 in Zittau. Gestorben am 5. Januar 1809 in Zittau.
deDer Witwer
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<div class="field field-name-body field-type-text-with-summary field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" property="schema:text content:encoded"><p>Einst lebt’ in seinem Dörfchen, arm,<br />
Doch frisch und flink und sonder Harm,<br />
Hans, Namens Ohnesorgen.<br />
Kaum hatt’ er von der Hand ins Maul;<br />
Doch diese Hand war nimmer faul<br />
Zum Abende vom Morgen.<br />
Drum fand er ohne viel Gebet,<br />
Was in der vierten Bitte steht.</p>
<p>Nicht lange blieb das Bett ihm leer;<br />
Er nahm ein Weib, so flink wie er.<br />
Nun ging’s durch zwei Paar Hände!<br />
Er hatte eignen Herd, dazu<br />
Bald eine schöne bunte Kuh;<br />
Sein Glück schien sonder Ende:<br />
Denn ihn erfreuten Weib und Rind<br />
Durch manches Kalb, durch manches Kind.</p>
<p>Doch kurz nur stund sein Wohlfahrtsbau.<br />
Es starb die flinke junge Frau<br />
Im dritten Wochenbette.<br />
Ein harter Schlag kam stracks hinzu,<br />
Er fand die schöne bunte Kuh<br />
Erstickt im eignen Fette.<br />
Das war dem Armen doch zu viel!<br />
Er wusste seines Grams kein Ziel.</p>
<p>Da sass er auf der Ofenbank<br />
Mit Gott und Welt und sich im Zank,<br />
Und greinte bittre Zähren,<br />
Je zwei um zwei: für Seelenruh’<br />
Der flinken Frau, der bunten Kuh. –<br />
Die Nachbarn alle wehren<br />
Mit Trost und Rat der Traurigkeit.<br />
Umsonst! Sie blieb so lang wie breit.</p>
<p>Jetzt sprach der Schulze Martin: »Freund,<br />
Nur nicht versagt, nur nicht gegreint!<br />
Wenn Gott nahm, nimm du wieder!<br />
Ich wüsst’ ein hübsches Rundgesicht.<br />
Ei sieh! Dort geht sie, irr’ ich nicht,<br />
Im roten Sonntagsmieder.<br />
Du kennst doch Muhme Greten? Sprich!<br />
Die wär’ ja wohl ein Trost für dich.«</p>
<p>Hans seufzte still. Da nahm das Wort<br />
Der Ludimoderator Kort:<br />
»Das Grab ist allen erblich,<br />
Was sein muss, nun das muss, Freund Hans,<br />
Sei’s Mann und Frau, sei’s Kuh und Gans.<br />
Wir alle sind ja sterblich!<br />
Doch, weisst du was? Mein Hannel ist<br />
Schon mannbar über Jahresfrist.«</p>
<p>Doch Witwer Hans schwieg immer noch,<br />
Er seufzte, greinte fort; und doch<br />
Umdrängten ihn die Wichte.<br />
Der eine hatt’ ein Schwesterlein,<br />
Der zweit’ ein Mündel zu verfrei’n,<br />
Der dritte seine Nichte;<br />
Dann Enkel, Pate, Schwägerin;<br />
Ei war wie Jahrmnrkt rings um ihn.</p>
<p>Nun kam auch noch der Bader Tropf,<br />
Rasierte Witwerbart und Kopf,<br />
Und sprach: »Freund, braucht bei Zeiten!<br />
Ich hätte was, das hilft geschwind;<br />
Es ist mit mir Geschwisterkind<br />
Und heisst – Susanne Veiten.<br />
Sie dient bei mir ums Brot statt Lohn,<br />
Ein braves Mensch! Rasiert auch schon!«</p>
<p>Da ward Hans endlich wild. Er sprang<br />
Empor von seiner Ofenbank<br />
Und rief: »Ihr sollt euch schämen!<br />
Mir starb die Frau, und – seid ihr toll? –<br />
Ist kaum ins Grab hinein: so soll<br />
Ich schon zehn andre nehmen?<br />
Mir starb die Kuh: doch gebet ihr<br />
Mir auch nicht einen Schwanz dafür!«</p>
</div></div></div><div class="field field-name-field-author field-type-taxonomy-term-reference field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" rel="schema:author"><a href="/karl-friedrich-kretschmann" typeof="skos:Concept" property="schema:name" datatype="">Karl Friedrich Kretschmann</a></div></div></div><div class="field field-name-field-releasedate field-type-number-integer field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" property="schema:datePublished">1904</div></div></div><span rel="schema:url" resource="/karl-friedrich-kretschmann/der-witwer" class="rdf-meta element-hidden"></span><span property="schema:name" content="Der Witwer" class="rdf-meta element-hidden"></span>Sat, 03 Oct 2015 09:41:23 +0000akessler1401 at https://www.textarchiv.com