Textarchiv - Anna Maria Lenngren https://www.textarchiv.com/anna-maria-lenngren Schwedische Schriftstellerin. Geboren am 18. Juni 1754 in Uppsala. Gestorben am 8. März 1817 in Stockholm. de Der Besuch der Gräfin https://www.textarchiv.com/anna-maria-lenngren/der-besuch-der-graefin <div class="field field-name-body field-type-text-with-summary field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" property="schema:text content:encoded"><p>Behüte! so draussen wie drinnen welch’ Leben!<br /> Im Pfarrhof flog Teller und Tuch!<br /> Die gnädige Gräfin liess melden soeben,<br /> Sie komme zum Mittagsbesuch.</p> <p>Frau Pfarrer hielt Rat mit der Tochter Luise;<br /> Galt’s doch, an so wichtigem Tag<br /> Zu zeigen an Speisen, Gedeck und Service,<br /> Was Küche und Keller vermag.</p> <p>Abstäubte den Saal man, die Prachtkonterfeie<br /> Der Vorfahr’n, altfränkisch und steif:<br /> Hochwürd’ge mit Bibeln, Matronen voll Weihe,<br /> Geschnürten Korsetts und im Reif.</p> <p>Der Hausherr trug heut’ seine schönste Perücke,<br /> Frau Pfarrer ihr Seidengewand,<br /> Luise vom besten – dass sie auch sich schmücke! –<br /> Was nur in der Truhe sich fand.</p> <p>Da endlich erschien an dem Gitter vor’m Hause<br /> Die Gräfin mitsamt der Komtess –<br /> Der Pfarrer empfing sie im nobelsten Flause,<br /> Devot zwar, voll Würde indes.</p> <p>Vergnügten Gesichts knixten tief auf der Treppe<br /> Frau Pfarrer und Tochter bereits,<br /> Sich bückend, als wollten sie küssen die Schleppe<br /> Des aristokratischen Kleids.</p> <p>Den Saal nun betraten die vornehmen Gäste;<br /> Der Pfarrer beschrieb voller Glut<br /> Die Ehre, die man durch dies Fest aller Feste<br /> Dem Haus zu erweisen geruht.</p> <p>Drauf wurde die Herrschaft zur Tafel geleitet,<br /> Die unter der Last brach – so schien’s.<br /> Herablassend hat sich die Gräfin verbreitet,<br /> Zuviel sei es hier des Bemüh’ns.</p> <p>Der Pfarrerin Kochkunst, wie lobte sie diese,<br /> Das Essen in jeglichem Punkt,<br /> Dann neckte sie taktlos, doch gnädig Luise<br /> Mit des Hauses gelehrtem Adjunkt.</p> <p>Die Finger Komtesschens, wie Schnee zum Erblinden,<br /> Sie lösten vom Küchlein ein Stück<br /> Des Flügels zur Spende dem Hündchen, Belinden –<br /> Sie selbst wies fast alles zurück.</p> <p>Die Gäste sah’n stehen den Hauspotentaten<br /> (Mit Blicken sich sendend Rapport),<br /> Wie, Schweiss auf der Stirn, er, das Messer im Braten,<br /> Sich bückte bei jeglichem Wort.</p> <p>Dann reichte Frau Pfarrer mit herzlichem Nöt’gen<br /> Die Schüsseln herum, die gehäuft,<br /> Die rötlichen Erdbeer’n, die leckeren Brötchen –<br /> Der Segen des Herrn, wie er träuft!</p> <p>Spritzkuchen und Pontac sind auch nicht zu tadeln:<br /> So gab es hier manchen Genuss;<br /> Die Herrschaft sass aber zuletzt wie auf Nadeln,<br /> Doch da war der Mahlzeit Beschluss.</p> <p>Auf Vaters Geheiss kam nun hastig gesprungen<br /> Ein Rudel, tiefbräunlich und feist;<br /> Drauf gnädig Gefrag’ nach den Namen der Jungen –<br /> Und Antworten tölpisch und dreist.</p> <p>Frau Pfarrer, die Arme gekreuzt, ganz behäbig,<br /> Sie rühmte in Tönen so weich<br /> Der Tochter Talente, im Lobe freigebig,<br /> Als käme Luisen nichts gleich.</p> <p>Die mustert indes der Komtess Toilette,<br /> Die Spitzen und Schleifen am Kleid,<br /> Erwägend, wie gern sie die Herrlichkeit hätte,<br /> Den Freundinnen allen zum Neid.</p> <p>Zuletzt gab’s Kaffee aus altmodischer Kanne<br /> – Geschenk des Hochsel’gen! – Im Ton<br /> Der Parentation hielt der Pfarrer dem Manne,<br /> Dem trefflichen, einen Sermon.</p> <p>Er pries ihn als Heros, wie Gott ihn nur schicke<br /> Und man ihn nicht wieder hier trifft,<br /> Vergass auch nicht, dass er die Rede brav spicke<br /> Mit Stellen der heiligen Schrift.</p> <p>Nachseufzte geziemend die Gräfin dem Toten,<br /> Zog schnell aus der Tasche ihr Tuch,<br /> Sprach gnädig davon, dass man viel ihr geboten, –<br /> Und fort ging der hohe Besuch.</p> <p>Geleit gab der Pfarrer der Herrschaft als Ritter,<br /> Frau Pfarrer und Tochter jedoch,<br /> Sie knixten am Thor, und sie knixten am Gitter<br /> Und knixen und knixen wohl noch!</p> </div></div></div><div class="field field-name-field-author field-type-taxonomy-term-reference field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" rel="schema:author"><a href="/anna-maria-lenngren" typeof="skos:Concept" property="schema:name" datatype="">Anna Maria Lenngren</a></div></div></div><div class="field field-name-field-releasedate field-type-number-integer field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" property="schema:datePublished">1904</div></div></div><span rel="schema:url" resource="/anna-maria-lenngren/der-besuch-der-graefin" class="rdf-meta element-hidden"></span><span property="schema:name" content="Der Besuch der Gräfin" class="rdf-meta element-hidden"></span> Sun, 01 Nov 2015 09:22:07 +0000 akessler 1622 at https://www.textarchiv.com