Textarchiv - Marx Möller https://www.textarchiv.com/marx-moeller Deutscher Schriftsteller. Geboren am 15. März 1868 in Lohbrügge. Gestorben am 9. November 1921 in Altona. de Der Geiger https://www.textarchiv.com/marx-moeller/der-geiger <div class="field field-name-body field-type-text-with-summary field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" property="schema:text content:encoded"><p>Locken und Busenbänder weh’n!<br /> Von Wangen und von Stirnen<br /> Strömt heisser Duft! Im Kreise dreh’n<br /> Die Burschen sich und Dirnen!<br /> Die laute Freude macht sich breit,<br /> Geberden werden deutlich;<br /> Die Burschen sind voll Zärtlichkeit,<br /> Die Dimen lächeln bräutlich,<br /> Die Schüchternheit, die zage, weicht,<br /> Der Taumel herrscht, der kecke! – – –</p> <p>Nur der Eine, der die Geige streicht,<br /> Sitzt stille in der Ecke.</p> <p>Das blickt und lacht so jugendfroh<br /> In wirbelndem Entzücken!<br /> Das ist ein Jauchzen und ein Halloh!<br /> Ein Küssen und ein Drücken!<br /> Mit aller Scheu ist aufgeräumt!<br /> Wie sie sich fassen und schwenken!<br /> Der Becher des Lebens überschäumt!<br /> Wer wird sich da bedenken!!<br /> Frisch! Ehe die Stunde vorüberschleicht,<br /> Und ausgewirbelt der Reigen! – – – –</p> <p>Nur der Eine, der die Geige streicht,<br /> Sitzt immer in eisigem Schweigen.</p> <p>In seinem gedankenstillen Gesicht<br /> Sorgen geschrieben stehen;<br /> Es ist, als säh er die Menschen nicht,<br /> Die nach seinem Takte sich drehen;<br /> Er schürt mit seiner Kunst die Glut<br /> Im Busen, im sündentiefen,<br /> Er reizt und lockt zu heller Wut<br /> Begierden, die heimlich schliefen;<br /> Die Dirne schreit, der Bursche erbleicht!<br /> Messer und Augen blitzen! – – –</p> <p>Nur der Eine, der die Geige streicht,<br /> Bleibt immer im Winkel sitzen.</p> <p>So sitzt er nun seit langem schon<br /> Im öden Bann der Pflichten.<br /> Und er ist doch die Hauptperson,<br /> Nach der sich alle richten.<br /> Er ist nicht eben ein übler Mann;<br /> Viel schmachtende Blicke fliegen!<br /> Ihn aber sieht keine der Dirnen an,<br /> Die nach seinen Tönen sich wiegen!<br /> Mancher Mund wird zum Kusse gereicht,<br /> Manche Wange wird weich gestreichelt. – – –</p> <p>Nur dem Einen, der die Geige streicht,<br /> Hat noch keine der Dirnen geschmeichelt.</p> <p>Nur zuweilen, wenn man rasten muss,<br /> Und die Humpen überfliessen,<br /> Da lässt man von dem Ueberfluss<br /> Auch ihn sein Teilchen geniessen!<br /> Mit Grossmannsmienen reicht man wohl<br /> Ein Glas, sein Spiel zu lohnen.<br /> Am Musikantentischchen soll<br /> Heut auch mal Freude wohnen!!<br /> Da merken wohl die Dirnen leicht<br /> Bei seinem linkischen Neigen,</p> <p>Dass der Eine, der die Geige streicht,<br /> Recht müde geworden beim Geigen.</p> <p>Und wenn man ihn dann einen Meister nennt,<br /> Was ist ihm dran gelegen?!<br /> Nur Fluch für ihn ward sein Talent,<br /> Und höchstens andern ein Segen.<br /> Er wollte, er wüsste keinen Ton<br /> Auf seiner Fiedel zu geigen!<br /> Dann wäre er weiter im Leben schon!<br /> Dann tanzte er selber im Reigen!<br /> Dann würde die Allerschönste vielleicht<br /> An seiner Seite kauern; – – –</p> <p>Und den Einen, der die Geige streicht,<br /> Würde er nur bedauern.</p> </div></div></div><div class="field field-name-field-author field-type-taxonomy-term-reference field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" rel="schema:author"><a href="/marx-moeller" typeof="skos:Concept" property="schema:name" datatype="">Marx Möller</a></div></div></div><div class="field field-name-field-releasedate field-type-number-integer field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" property="schema:datePublished">1904</div></div></div><span rel="schema:url" resource="/marx-moeller/der-geiger" class="rdf-meta element-hidden"></span><span property="schema:name" content="Der Geiger" class="rdf-meta element-hidden"></span> Sun, 25 Dec 2016 12:44:51 +0000 admin 5334 at https://www.textarchiv.com