Textarchiv - Emanuel Geibel https://www.textarchiv.com/emanuel-geibel Deutscher Lyriker. Geboren am 17. Oktober 1815 in Lübeck. Gestorben am 6. April 1884 in Lübeck. de Morgenländischer Mythus https://www.textarchiv.com/emanuel-geibel/morgenlaendischer-mythus <div class="field field-name-body field-type-text-with-summary field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" property="schema:text content:encoded"><p>Welch ein Schwirren in den hohen Lüften<br /> Nächtlich überm Kaschmirsee! – Von Flügeln<br /> Rauscht&#039;s, als kämpften droben Schwan und Rabe<br /> Flatternd hin und her, und wundersame<br /> Stimmen gehn dazwischen, scheltend, flehend.<br /> Weithin trägt den Schall der Wind im Mondlicht.</p> <p>Danhasch ist&#039;s, der dunkeln Geister einer,<br /> Die gebannt sind aus den obern Lüften,<br /> Danhasch und die schöne Fei Maimune<br /> Vom Gebirge Saleh. Durch die Mondnacht<br /> Leis auf silbernem Wolkenkahne schiffend,<br /> Traf den dunklen Dschinn auf ihrer Bahn sie;<br /> Nun bedräut sie ihn mit heftigen Worten:</p> <p>»Sohn der Finsternis, sag&#039; an, wie wagst du<br /> Frech mit deinem gottverhaßten Anblick<br /> Meinen Pfad zu kreuzen, ein dich drängend<br /> In die Region, die dir versagt ist?<br /> Weißt du nicht, daß ich mit mächtigem Spruche<br /> Nun dich schmieden könnt&#039; an Kafs Gebirge,<br /> An den steilsten Fels, daß blutige Geier<br /> Langsam dich zerfleischten, oder schleudern<br /> In den See der grausen Rochen Spielwerk?«</p> <p>Scheu zusammen schrak der Dschinn; die Arme<br /> Streckt&#039; er flehend aus und redet&#039; also:<br /> »Sei mir gnädig, schöne Fei Maimune!<br /> Denn du hast Gewalt, mich zu verderben;<br /> Aber glaub&#039;, es konnte nur ein Wunder<br /> So die blöden Sinne mir verwirren,<br /> Daß des Bannes ich vergaß. Doch schwöre,<br /> Schwör, o Holde, Freiheit mir und Leben,<br /> Schwör es mir bei Salomonis Siegel,<br /> Und ich will, was mir geschehn, dir künden.«</p> <p>Ihm erwiderte drauf die Fei Maimune:<br /> »Nicht verdienst du solche Huld, doch will ich<br /> Gnädig sein. Dich frei zu lassen schwör&#039; ich<br /> Ungestraft bei Salomonis Siegel,<br /> Sprichst du lautre Wahrheit, aber leugst du,<br /> Wehe dir! so schleudr&#039; ich aus den Lüften<br /> In der Fluten Abgrund dich, Verfluchter!«</p> <p>Tief aufatmend sprach der dunkle Danhasch:<br /> »Hohe Herrin, fern aus Indien komm&#039; ich<br /> Blitzesschnell; du weißt, wie Geister reisen.<br /> Dort am Ganges liegt ein prächtiger Garten,<br /> Palmenreich, gehüllt in Duft. Inmitten<br /> Zwischen Laubgerank und springenden Brunnen<br /> Ruht auf blanken Säulchen eine Kuppel,<br /> Goldne Gitter sind die Wände drunter.<br /> Aber drinnen wohnt die Königstochter<br /> Badur, die so lieblich wie der Mond ist.<br /> Ach, ich weilte dort den langen Abend,<br /> Konnte mich nicht satt schaun an der Holden,<br /> Wie sie Laute schlug und sang und lachend<br /> Mit dem schönen farbigen Vogel spielte,<br /> Der im silbernen Reif zu ihren Häupten<br /> Hin und her sich schwang. So oft ich zögernd<br /> Von dem reizenden Bild die Augen kehrte,<br /> Immer wieder zog&#039;s mich hin, und endlich,<br /> Als ich floh, gedacht&#039; ich tief im Herzen<br /> Ihrer nur und achtete nicht des Weges.<br /> Doch gewiß ist dies: sie ist das schönste<br /> Unter allen lebenden Menschenkindern.«</p> <p>Zornig blickt&#039; ihn an die Fei, und: »Töricht«,<br /> Sprach sie, »redest du, o dunkler Danhasch.<br /> Weil die Königstochter dir den dumpfen<br /> Sinn verwirrte, hältst du sie für einzig.<br /> Aber wisse, schöner, zehnmal schöner<br /> Ist der schlanke Jägersmann Nurreddin,<br /> Den ich rasten sah bei Mondesaufgang<br /> Unterm Fichtenbaum am Berge Saleh.<br /> Reizend lag er da, aus frischem Schlummer<br /> Wie die Sonn&#039; aus Meereswellen atmend.<br /> Wär&#039; er nicht ein Mensch, ich müßt&#039; ihn lieben!«<br /> »Zürne nicht«, versetzt&#039; der Dschinn, »ich habe<br /> Lautre Wahrheit dir, o Fei, verheißen,<br /> Lautre Wahrheit red&#039; ich. Mag der Jäger<br /> Schlank und hoch sein wie des Bergs Zypresse,<br /> Blühend wie die junge Morgenröte –<br /> Dennoch schöner ist die liebliche Badur.«</p> <p>Also stritten in der Luft die Geister<br /> Überm See noch viel mit heftigen Worten,<br /> Sie den Weidmann, er die Jungfrau preisend.<br /> Doch zuletzt beschloß die Fei Maimune:<br /> »Zwar nicht Ehre bringt es, solchen Gegner<br /> Siegreich zu bestehn, doch meine Laune<br /> Gönnt es dir, daß wir Entscheidung suchen,<br /> Drum wohlauf! Entfalte deine Schwingen,<br /> Nach dem Palmengarten fleuch am Ganges,<br /> Und die Königstochter trag&#039; im Schlummer<br /> Auf mein Schloß; du sollst in seinen Toren<br /> Schon den Jägersmann Nurreddin finden;<br /> Auch ein Schiedsmann wird uns dort bestellt sein.«</p> <p>Sprach&#039;s, und eilig zog das Silberwölkchen,<br /> Das sie trug, von scharfem Wind getrieben,<br /> Wie ein wilder Schwan zum Berge Saleh.<br /> Aber Danhasch breitete seine schwarzen<br /> Fittich&#039; aus und flog hinab gen Indien.</p> <p>Hastig durch die Lüfte schießt der Falke,<br /> Schneller schwirrt ein Pfeil, am schnellsten aber<br /> Ist der Flug der Geister und Gedanken.</p> <p>Unter ging der Mond, da sah in seinem<br /> Letzten Silberblick der dunkle Danhasch,<br /> Mit der holden Bürd&#039; aus Indien kehrend,<br /> Liegen schon das Hochgebirge Saleh<br /> Und das Schloß der Fei, auf zackigem Gipfel<br /> Kühn gebaut von Geisterhand. Er schwebte<br /> Drüber bald wie eine Wolke Rauches;<br /> Dann langsameren Flugs herab sich lassend,<br /> Trat er auf das Dach und schritt auf fünfzig<br /> Breiten Stufen nieder in die Hallen.<br /> Aber sanft in seinen Arm gebettet<br /> Wie ein Kindlein schlief die rosige Badur<br /> Ahnungslos. Jetzt rauscht&#039; ein seidner Vorhang<br /> Faltenreich zurück von hoher Pforte,<br /> Und geblendet stand der Dschinn – es strömte<br /> Plötzlicher Glanz ihm in die blöden Augen.<br /> Denn geschlossen in des Saales Decke<br /> Brannt&#039; ein riesiger Demant, wie die Sonne<br /> Seliges Licht in milden Strahlen schießend.<br /> Rings umher an reich durchbrochenen Wänden<br /> Rankt&#039; es grün; unzählige Stauden tauchten<br /> Weiße Blüten, tiefe Purpurkelche<br /> In den spielenden Schein; es wallten tausend<br /> Wohlgerüche durch den lauen Äther.</p> <p>Aber mitten im Gemach, auf weißen,<br /> Elfenbeinernen Pfosten zierlich ruhend,<br /> Stand ein breites Lager; rote Seide<br /> Floß auf schwellende Polster hingebreitet<br /> Rings herab. In tiefen Schlaf versunken<br /> Ruhte dort der Jägersmann Nurreddin.</p> <p>Lange stand gebannt der dunkle Danhasch<br /> Regungslos, er hatte nie im Herzen<br /> Solche Herrlichkeit geahnt. Doch endlich,<br /> Auf die Last in seinen Armen blickend,<br /> Schritt er zögernden Fußes hin zum Lager<br /> Und sich beugend legt&#039; er sanft die schöne<br /> Badur an des schlummernden Jünglings Seite.<br /> Leise trat herzu die Fei, zum Lager<br /> Hin die Blicke wendend, und die Lippen,<br /> Die sie schon, den dunkeln Geist zu höhnen,<br /> Halb geöffnet, blieben stumm. In tiefes<br /> Anschaun ganz versunken stand sie schweigend,<br /> Schweigend neben ihr der dunkle Danhasch.</p> <p>Aber wie am Pomeranzenbaume<br /> Blüt&#039; und goldne Frucht an einem Aste<br /> Oft erscheint, daß du vergeblich sinnest,<br /> Was du missen möchtest, also ruhten<br /> Beieinander jene zwei Erkornen,<br /> Beid&#039; im Bade seligen Schlummers, beide<br /> Von dem unaussprechlichen Reiz umflossen,<br /> Der der Jugend Zauber ist. Ihm ruhte<br /> Auf dem Arm das Haupt; in lichtem Goldbraun<br /> Floß von schimmernder Stirne Lock&#039; an Locke,<br /> Doch um Wang&#039; und Kinn, wie Flaum des Pfirsichs,<br /> Sproßt&#039; ihm Ahnung künftigen Barts; ein leises<br /> Lächeln schwebt&#039; auf seinen blühenden Lippen,<br /> Süßen Traum verkündend. Also lag er<br /> Tiefberuhigt, hingestreckt in Schönheit.<br /> Aber hold in sich geschmiegt, als hätt&#039; ein<br /> Süßverhüllt Geheimnis sie zu wahren,<br /> Lag die liebliche Badur. Leise stieg ihr,<br /> Wie im Schlaf sie atmete, Rosenanhauch<br /> In der Wangen zart durchsichtige Blässe<br /> Blumenhaft. Des Auges holde Seele<br /> Deckten sanft die langen, seidnen Wimpern,<br /> Schwarz wie Nacht, und schwarz in reichen Wellen<br /> Wogt&#039; herab des glänzenden Haares Fülle,<br /> Daß sie fast den silbernen Fuß berührte,<br /> Der verstohlen aus den Falten vorsah.</p> <p>Endlich sprach die schöne Fei Maimune:<br /> »Sohn der Finsternis, du siehst mich staunen!<br /> Reizender wahrlich, als ich denken mochte,<br /> Ist die Maid vom Palmenhain am Ganges;<br /> Dennoch dünkt der Jägersmann mich schöner.<br /> Doch in eigner Sache Recht zu sprechen<br /> Ziemt sich nicht. Der schönheitskundige Gasban,<br /> Der aus Erz und farbig edeln Steinen<br /> Tag und Nacht am Herd des untern Feuers<br /> Kunstreich für die Burg des Geisterkönigs<br /> Bilder formt, er mag den Streit entscheiden.«</p> <p>Sprach&#039;s und dreimal mit dem Fuße stampfte<br /> Sie den Marmorgrund und murmelte Worte<br /> Dunkeln Sinns, – da öffnete sich der Boden,<br /> Und dem Spalt entstieg der kundige Gasban,<br /> Mißgestaltet selbst, der Schönheit Bildner.<br /> Aus der Werkstatt kam er her, sein dunkles<br /> Antlitz brannte kupferfarb vom heißen<br /> Widerschein der Lohe; grün von Goldstaub<br /> Starrten ihm die kunstgewandten Hände,<br /> Drin er noch die Feile trug. Er neigte<br /> Sich der Fei und sprach die kurzen Worte:<br /> »Was begehrst du? Sprich! Ich bin zur Stelle.«</p> <p>Ihm erwiderte drauf die Fei Maimune:<br /> »Meister, wohl im ganzen Geisterreiche<br /> Ist kein einziger aller Form und Schönheit<br /> Kundig so wie du, der du im Herzen<br /> Täglich hundertfache Gestaltung aussinnst<br /> Voll von Reiz und dann in Erz sie bildest;<br /> Drum verlangt uns hier nach deinem Spruche.<br /> Sag&#039; uns, welches von den Menschenkindern,<br /> Die auf jenem Lager ruhn, ist schöner?«</p> <p>Mit neugierigen Augen auf die Schläfer<br /> Sah der kundige Gasban. Freundlich grinsend<br /> Nickt&#039; er mit dem Haupt und schüttelte wieder,<br /> Wie der Kaufmann, wenn er zögernd Gold wägt;<br /> Prüft&#039; und prüft&#039; aufs neu, und endlich sprach er:<br /> »Holde Fei, der Fall ist schwer zu schlichten;<br /> Denn wohin ich auch die Blicke wende,<br /> Find&#039; ich eitel Reiz; und keinen Mangel<br /> Kann ich weder dort noch hier entdecken.<br /> Doch sie ruhn im Schlaf. Der Schönheit Blüte<br /> Aber ist Bewegung, wenn die Seele<br /> In des Auges Glanz, im Schwung der Glieder<br /> Sich enthüllt. Vielleicht, wenn du sie wecktest,<br /> Möchten wir ein billig Urteil finden.«</p> <p>Zögernd stand die Fei, da schwirrte Danhasch<br /> Schon, zur riesigen Fledermaus verwandelt,<br /> Durchs Gemach. Mit hastigem Flügelschlage<br /> Traf er dann der Jungfrau nackte Sohle,<br /> Sie zu wecken. Doch die Fei Maimune,<br /> Keinen Vorsprung lassend ihrem Gegner,<br /> Ward zur Taube rasch; mit weißem Fittich<br /> Rührte sie des Jünglings lockige Scheitel.</p> <p>Doch die beiden, aus dem Schlaf erwachend,<br /> Glaubten noch zu träumen, schwankend blickten<br /> Sie sich um, des schönen, unbekannten<br /> Raumes fremde Wunder nicht begreifend.<br /> Und wie Kinder, die der Glanz der Sonne<br /> Blendet, tasteten sie umher. Da rührte<br /> Sacht des Jägers Hand den Arm der Jungfrau,<br /> Und sie sahn sich an. Und wie am Morgen<br /> Erst ein rosiger Schimmer leis am Himmel<br /> Aufgeht, und dann höher, immer höher<br /> Selige Glut emporweht, also zog es<br /> Lodernd über ihr Gesicht; vergessen<br /> Waren rings umher die blühenden Rätsel,<br /> Denn sie schauten sich; sein dunkles Auge<br /> Hing an ihrem blauen. Aber plötzlich<br /> In jungfräulicher Scham zusammenschauernd,<br /> Wandte sich die liebliche Badur. Tränen,<br /> Heiße Tränen brachen aus den langen<br /> Wimpern ihr hervor, sie wollte fliehen.</p> <p>Doch mit flehender Stimme rief der Jüngling:<br /> »Bleib, o süßes Traumbild, bleib, o Holde!<br /> O wie nenn&#039; ich dich – du meiner Seele<br /> Bester Teil, o wende dich nicht von hinnen!<br /> Was ich je vom nächtlichen Wald umsäuselt<br /> Wunderbares träumte, was der Frühling,<br /> Wenn er von den sonnigen Bergesgipfeln<br /> Zwischen Laub und Blüten leis herabstieg,<br /> Ahnungsvoll mir sang, was mir des Herzens<br /> Heilige Hoffnung still verhieß, ich hab&#039; es<br /> Nun gefunden, habe mich selbst gefunden,<br /> Mich in dir – o bleib! –«</p> <p>Da kehrte leise<br /> Zu dem Flehenden sich zurück die Jungfrau,<br /> Bog ihr glühend Haupt, und durch die lichten<br /> Tränen lächelnd sprach sie: »Ja, du bist es,<br /> Du bist Du und Ich – Du bist mein Leben!«</p> <p>Stumm in Wonne ruhten nun die beiden<br /> Atemlos. Mit glänzenden Augen schauten<br /> Sie sich an. Sie schlangen ihre Arme<br /> Ineinander, daß sich ihre Locken<br /> Mit dem lichteren Haar des Jünglings mischten,<br /> Und zu seligem Kusse neigte Lippe<br /> Sich an Lippe.</p> <p>Doch die Fei Maimune<br /> Schwang den silbernen Stab in ihrer Rechten,<br /> Und hernieder von der hohen Decke<br /> Floß melodisches Säuseln, heiße Düfte<br /> Strömten aus den riesigen Blumenkelchen<br /> Schlafberauschend – sieh, und mählich lösten<br /> Sich der Liebenden Arme – ihre Lippen<br /> Rührten nur die Luft, die Wimpern fielen<br /> Ihnen zu – vom Zauber überwältigt<br /> Sanken sie zurück in tiefen Schlummer.</p> <p>Aber staunend sprach der kundige Gasban:<br /> »Wunder habt ihr mir gezeigt, doch fordert<br /> Keinen Richterspruch! Von beiden jedes<br /> Ist untadelig, aber doppelt reizend<br /> Sind sie eins beim andern – er der schönste<br /> Mann, und sie das schönste Weib auf Erden.«</p> <p>Sprach&#039;s und durch den neu sich öffnenden Abgrund<br /> Fuhr er nieder mit Getös. Doch also<br /> Redete drauf zum Dschinn die Fei Maimune:<br /> »Unser Streit ist aus. Ich unterwerfe<br /> Mich dem Urteil Gasbans, welches keinem<br /> Sieg erteilt. Du aber, dunkler Danhasch,<br /> Auf und trag im Flug die schlafende Jungfrau<br /> Heim gen Indien! Eh&#039; der Tag im Osten<br /> Wieder dämmert, muß die Fahrt vollbracht sein.«</p> <p>Wie die Fei gebot, so tat der Dunkle.<br /> Aber sie, den leichten Wolkenwagen<br /> Rasch besteigend, schwebte mit dem Jüngling<br /> Nach der Waldschlucht am Gebirge Saleh.<br /> Dort am Fichtenbaume, wo sein Jagdspeer<br /> Frisch betaut noch lag im Rasen, lehnte<br /> Sie den Schlafenden hin und floh von dannen.<br /> Als sie aufstieg, krähten schon die Hähne.</p> <p>Prangend wie ein Fürst, der siegreich einzieht,<br /> War der goldne Morgen aufgestiegen<br /> Über Indiens Hochgebirg&#039;. Ihm hatten<br /> Tausend frisch erschlossene Blumenkelche<br /> Ihren Weihrauch hingestreut, und lieblich<br /> Floß balsamische Luft um Tal und Höhen.</p> <p>Doch im Königsgarten an des Ganges<br /> Palmenufer war mit Sonnenaufgang<br /> Fröhlich klingendes Leben wach geworden.<br /> Frühe schon, bevor des Tages Strahlen<br /> Unbescheiden durch die Zweige lauschten,<br /> Hatten dort der Königstochter Jungfraun<br /> Sich erquickt am Bad im schattigen Teiche,<br /> Der vom Dickicht blühender Waldjasminen<br /> Hoch umbüscht war. Aber vor der Herrin<br /> Spielt&#039; in Jugendlust auf sonnigem Rasen<br /> Jetzt die muntere Schar. Sie rührten Zimbeln,<br /> Schlugen Tamburin und schlangen Tänze;<br /> Andre warfen schimmernde Purpurbälle,<br /> Daß die Luft von Schellen klang, und lachten,<br /> Wenn die greifende Hand den Fang verfehlte.<br /> Aber auf den breiten Marmorstufen,<br /> Die empor zum luftigen Gittersaale<br /> Führten, saß, gesenkt das holde Köpfchen,<br /> Still die liebliche Badur. Nicht wie früher<br /> Mochte sie den Scherz der Schwestern teilen<br /> Noch im Tanz die flüchtigen Sohlen regen<br /> Leichtbeschwingt. Denn wie sich der Granatbaum,<br /> Wenn er prangt im grünsten Schmuck der Blätter,<br /> In der ersten Nacht des warmen Frühlings<br /> Jäh verwandelt und von tausend Blüten<br /> Plötzlich brennt in fürstlicher Glut – so war ihr<br /> Über Nacht das Herz verwandelt worden.<br /> Alle höchste Lust des Menschenlebens<br /> Kannte sie und allen Schmerz, und leise,<br /> Wie sich selbst zur Ruh&#039; beschwichtigend, sang sie:</p> <p>»O, wo weilst du, Leben meines Lebens,<br /> Schönes Traumbild, aber meiner Seele<br /> Mehr als Traum, du, aller meiner Gedanken<br /> Holder Liebling, meiner Liebe König!<br /> Ach, nicht kann ich ja nach deinen Spuren<br /> Durch die Wälder pilgern noch der Berge<br /> Wildnis und das stürmische Meer durchschweifen,<br /> Dich zu suchen! – Aber still im Herzen<br /> Will ich dir die heilige Stätte rüsten!<br /> Meines Mittags Kühlung, meiner Nächte<br /> Mondlicht soll es sein, in treuen Sinnen<br /> Dein zu denken, bis du einst, o Hoher,<br /> Mild herab dich neigst in meine Kreise.<br /> Aber komm! O komm! Ich sterb&#039; in Sehnsucht.«</p> <p>Also sang am blühenden Gangesufer<br /> Leise vor sich hin die liebliche Badur.<br /> Aber in der Schlucht am Berge Saleh<br /> Lag zur Stunde noch in tiefem Schlummer,<br /> Wie er nach unruhiger Nacht der Jugend<br /> Wimpern drückt, dahingestreckt Nurreddin.<br /> Über seinem Haupt mit leisem Rauschen<br /> Wogt&#039; im Blau des Fichtenbaumes Krone<br /> Hin und her: es quoll behaglich murmelnd<br /> Seitwärts übers Felsgestein durch dichtes<br /> Oleandergebüsch herab ein Bächlein.<br /> Doch, die Schatten lösend, immer höher<br /> Schwebte nun die Sonne. Ihre Strahlen<br /> Wärmten schon des Jünglings Brust, jetzt trafen<br /> Sie den blühenden Mund, und endlich blendend<br /> Rührt&#039; ihr Glanz die festgeschlossenen Wimpern.</p> <p>Hastig fuhr er auf, mit starren Blicken<br /> Schaut&#039; er suchend um. Er schloß die Augen<br /> Nochmals, gleich als zweifl&#039; er, daß er wache,<br /> Und dann blickt&#039; er spähend wie ein Falke<br /> Wieder um sich her. Doch nichts gewahrt&#039; er<br /> Als die waldige Schlucht, zu seinen Füßen<br /> Ein unendlich Meer von grünen Wipfeln,<br /> Fichten und Platanen, und dahinter<br /> Weitgedehnt das sonnige Land, vom blauen<br /> Hochgebirg&#039; am fernen Saum umschlossen.</p> <p>Auf nun sprang er, doch am Jagdspeer lehnend<br /> Blieb er stehn und sann; und wie er tiefer,<br /> Immer tiefer in Gedanken wühlte,<br /> Wehte wie der Nachglanz eines Traumes<br /> Hohe Röte um sein schönes Antlitz.<br /> »Dies sind Wunder«, sprach er, »nein, es täuschte<br /> Mich kein Gaukelbild mit irrem Blendwerk.<br /> Daß ich Wahrheit sah, glückselige Wahrheit,<br /> Ach, mir sagt&#039;s mein Herz, das heimwehtrunken<br /> Nur noch ein Verlangen kennt, mir sagt es<br /> Dieser tödlich brennende Schmerz im Busen.<br /> Aber ihr, ihr fernher ziehenden Lüfte,<br /> Kündet mir, wo find&#039; ich sie? Ihr Wolken,<br /> Die ihr weit auf Berg und Tal herabschaut,<br /> Sprecht, wo steht ihr Haus? – Und wär&#039;s im fernen<br /> Ozean gebaut auf felsigem Eiland,<br /> Wär&#039;s umringt von siebenfacher Mauer<br /> Hoher Flammen, dräute jeder Schritt mir<br /> Unausbleiblichen Tod, ich muß sie finden!<br /> Und du, süßes Bild, nach dem vergebens<br /> Ich die sehnsuchtsvollen Arme breite,<br /> Nimm, o nimm im schwebenden Windesodem<br /> Meine Grüße, nimm die glühenden Seufzer<br /> Dieser Brust, nimm hin die ganze Seele!<br /> Glaub&#039;, ich komm&#039;, ich komme. All mein Leben<br /> Soll ein Wandern sein nach dir, ein Ringen<br /> Mit der Welt um dich. Ich will nicht rasten,<br /> Bis den Tod ich oder dich gefunden.«</p> <p>Also rief der Jüngling, in den goldnen<br /> Schein des Morgens weit die Arme streckend,<br /> Feuchten Blicks. Dann aber, rasch entschlossen<br /> Seine Pilgerschaft beginnend, eilt&#039; er<br /> Längs dem Bach hinab zur Tiefe. – Rauschend<br /> Schlug die Waldnacht hinter ihm zusammen.</p> <p>Glück auf seinen Weg, und leite günstig<br /> Ihn ein Stern! – Denn weiter führt die Sage<br /> Nicht den Jüngling. Ob der Sehnsucht Irrfahrt<br /> Wonnevoll den köstlichen Preis errungen,<br /> Ob die Herzen, wund vom Pfeil der Schönheit,<br /> Sich in heimlicher Glut verzehrt – der Sänger<br /> Weiß es nicht. Beglückter Liebe Weise<br /> Ward ihm lange fremd. Aus tiefster Seele<br /> Sang er euch dies Lied der ewigen Sehnsucht.</p> </div></div></div><div class="field field-name-field-author field-type-taxonomy-term-reference field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" rel="schema:author"><a href="/emanuel-geibel" typeof="skos:Concept" property="schema:name" datatype="">Emanuel Geibel</a></div></div></div><div class="field field-name-field-releasedate field-type-number-integer field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" property="schema:datePublished">1847</div></div></div><span rel="schema:url" resource="/emanuel-geibel/morgenlaendischer-mythus" class="rdf-meta element-hidden"></span><span property="schema:name" content="Morgenländischer Mythus" class="rdf-meta element-hidden"></span> Fri, 26 Apr 2019 22:10:10 +0000 mrbot 11845 at https://www.textarchiv.com Helle Nächte https://www.textarchiv.com/emanuel-geibel/helle-naechte <div class="field field-name-body field-type-text-with-summary field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" property="schema:text content:encoded"><p>´Schweifst du noch immer dort oben,<br /> Du von den Töchtern des Himmels<br /> Mir die freundlichste, Abendröte?<br /> Oder naht schon von ferne<br /> Tagverkündend<br /> Die prangende Schwester,<br /> Die mit den Rosenfingern<br /> Die Rosse des Helios anschirrt?<br /> Nicht weiß ich&#039;s zu sagen;<br /> Aber droben zwischen den Wolken<br /> Seh&#039; ich die weißen Ströme des Lichts.</p> <p>So ist&#039;s auf der Höhe des Lebens<br /> Dem sinnenden Manne,<br /> Der mit ruhigem Auge<br /> In die flutende Zeit hinausschaut<br /> Und Vergangenes und Künft&#039;ges<br /> Still im Busen erwägt.<br /> Allwärts schaut er<br /> Unendliche Wandlung,<br /> Aber trostlos lastendes Dunkel<br /> Siehet er nicht;<br /> Denn es reicht das Geschlecht dem Geschlechte<br /> Segnend die Hand,<br /> Von einem zum andern wandelt leise<br /> Das heilige Feuer der Vesta,<br /> Die erquickende Gabe des Lichts,<br /> Und der kommende Tag<br /> Zündet freudig die Fackel<br /> An dem verlöschenden an.</p> </div></div></div><div class="field field-name-field-author field-type-taxonomy-term-reference field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" rel="schema:author"><a href="/emanuel-geibel" typeof="skos:Concept" property="schema:name" datatype="">Emanuel Geibel</a></div></div></div><div class="field field-name-field-releasedate field-type-number-integer field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" property="schema:datePublished">1847</div></div></div><span rel="schema:url" resource="/emanuel-geibel/helle-naechte" class="rdf-meta element-hidden"></span><span property="schema:name" content="Helle Nächte" class="rdf-meta element-hidden"></span> Fri, 26 Apr 2019 22:10:02 +0000 mrbot 11847 at https://www.textarchiv.com Herr Walter https://www.textarchiv.com/emanuel-geibel/herr-walter <div class="field field-name-body field-type-text-with-summary field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" property="schema:text content:encoded"><p>Herr Walter lag im Zauberturm<br /> In der Waldfrau schneeweißem Arm; –<br /> Frau Mechthild klagte bei tiefer Nacht<br /> Ihres Herzens bitteren Harm.</p> <p>Sie saß auf ihrem verwitweten Bett<br /> Und weinte Tränen wie Blut;<br /> Zwei Monden war&#039;s, daß ihr Gemahl<br /> Ihr nicht am Herzen geruht.</p> <p>Und als der Morgen ins Fenster sah,<br /> Vom Lager sprang sie empor,<br /> Und als man im Münster die Frühmette sang,<br /> Sie pocht&#039; an des Bischofs Tor.</p> <p>»Ach heiliger Bischof, nun rat und hilf,<br /> Groß Unheil sag&#039; ich dir an;<br /> Die Waldfrau hat meines Gatten Herz<br /> Bezaubert mit Spruch und mit Bann.</p> <p>Wohl lebten wir Monden drei und vier,<br /> Und die Zeit ward nimmer uns lang;<br /> Tags klang aus dem Wald herüber sein Horn,<br /> Und es hüpfte mein Herz bei dem Klang.</p> <p>Und bei Nacht, wie blühte so rot sein Mund!<br /> Und er küßte mich tausendmal.<br /> Nun hält ihn bezwungen das teuflische Weib,<br /> Und einsam verzehrt mich die Qual.</p> <p>Ach Bischof, heiliger Vater mein,<br /> Und weißt du ein Sprüchlein nicht,<br /> Das stark ist wider höllische Kunst<br /> Und solchen Zauber zerbricht?«</p> <p>Den weißen Bart der Bischof strich;<br /> Er griff in den Busen hinein:<br /> »Da nimm die Kapsel von rotem Gold<br /> Mit des Märtyrers heil&#039;gem Gebein!</p> <p>Und hältst du sie hoch in Sonn&#039; und Wind,<br /> Wenn von ferne die Glocken erschallen,<br /> Und rufst dreimal seinen Namen dazu,<br /> Der Zauber wird von ihm fallen.«</p> <p>Frau Mechthild schürzt&#039; ihr langes Gewand,<br /> Sie schritt in den Wald hinaus,<br /> Und als auf den Gipfeln der Mittag lag,<br /> Sie stand vor des Waldweibs Haus.</p> <p>Da kam es gewogt durch die stille Luft,<br /> Die Glocken klangen so tief;<br /> Sie hielt die Kapsel in Sonn&#039; und Wind,<br /> Herr Walters Namen sie rief.</p> <p>Sie rief ihn zum zweiten und dritten Mal,<br /> Vor Tränen vermochte sie&#039;s kaum;<br /> Herr Walter lag in der Waldfrau Schoß,<br /> Er hob die Stirn wie im Traum.</p> <p>»Nun sage mir an, mein schneeweiß Lieb,<br /> Sag&#039; an, was soll es bedeuten?<br /> Mir ist, als zöge mich was von hier,<br /> Und Glocken hört&#039; ich läuten.</p> <p>Mir ist, ich müßt&#039; mich besinnen auf was,<br /> Was süß und teuer mir war.«<br /> Da sah sie mit funkelnden Augen ihn an<br /> Und löst&#039; ihr wallendes Haar.</p> <p>»Sieh hin, sieh her, was willst du mehr?<br /> Meine Locken sind güldene Schlangen,<br /> Mein Leib ist weiß, und mein Mund ist heiß,<br /> Du bist und bleibst gefangen.«</p> <p>Und sie küßt&#039; ihn wild auf den lechzenden Mund,<br /> Da vergingen die Sinnen ihm all;<br /> Und als er zurück in den Schoß ihr sank,<br /> Sie lachte mit lautem Schall.</p> <p>Frau Mechthild hörte das Lachen wohl,<br /> Ihr schnitt&#039;s wie ein Messer durchs Herz;<br /> Unter den Lindenbaum sank sie dahin<br /> Aufs Moos in tödlichem Schmerz.</p> <p>Sie wollte rufen und konnt&#039; es nicht,<br /> Ihr war die Brust so beklommen;<br /> Sie rang und wand sich in stummer Qual,<br /> Es war ihr Stündlein gekommen.</p> <p>Und als die Sonne zu sinken kam,<br /> Ein Knäblein lag ihr im Schoß,<br /> Das schaute sie an mit Walters Blick<br /> Aus Augen blau und groß.</p> <p>»O Kind, mein Kind, nun erbarme sich dein<br /> Der Vater droben im Licht!<br /> Mit Tränen wirst du getaufet sein,<br /> Einen Vater hast du nicht.</p> <p>Durch Wald und Wind, mein Waisenkind,<br /> Komm, komm, nun trag&#039; ich dich fort.«<br /> Da tat der Knab&#039; einen hellen Schrei,<br /> Als wollt&#039; er nimmer vom Ort.</p> <p>Herr Walter lag in der Waldfrau Schoß,<br /> Er hörte des Kindleins Schrei,<br /> Da war&#039;s, als spräng&#039; ihm in tiefster Brust<br /> Ein tönend Glas entzwei;</p> <p>Und rings zerging&#039;s wie ein weißer Dampf,<br /> Und leicht ward Seel&#039; und Leib.<br /> »Laß los, Verfluchte, laß mich los!<br /> Ich muß zu meinem Weib.</p> <p>Zu meinem Weib, das ich vergaß,<br /> Zu meinem Fleisch und Blut –<br /> O Gott im Himmel sei Preis und Dank!<br /> Nun wird noch alles gut!«</p> <p>Den Teppich zerriß er und sprang hinab<br /> Die Stufen zu vier und vier.<br /> »O du vergib, mein treu, treu Lieb!<br /> Nun scheid&#039; ich nimmer von dir.</p> <p>Und grüß&#039; dich Gott, mein Knab&#039;, mein Kind,<br /> Und segne dich tausendfach<br /> Und segne dir auch dein Stimmlein hell,<br /> Das all den Zauber zerbrach!«</p> </div></div></div><div class="field field-name-field-author field-type-taxonomy-term-reference field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" rel="schema:author"><a href="/emanuel-geibel" typeof="skos:Concept" property="schema:name" datatype="">Emanuel Geibel</a></div></div></div><div class="field field-name-field-releasedate field-type-number-integer field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" property="schema:datePublished">1847</div></div></div><span rel="schema:url" resource="/emanuel-geibel/herr-walter" class="rdf-meta element-hidden"></span><span property="schema:name" content="Herr Walter" class="rdf-meta element-hidden"></span> Fri, 12 Apr 2019 22:10:02 +0000 mrbot 11846 at https://www.textarchiv.com Eifersucht macht scharfsichtig und blind https://www.textarchiv.com/emanuel-geibel/eifersucht-macht-scharfsichtig-und-blind <div class="field field-name-body field-type-text-with-summary field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" property="schema:text content:encoded"><p>Eifersucht macht scharfsichtig und blind,<br /> Sieht wie ein Schütz und trifft wie ein Kind.</p> </div></div></div><div class="field field-name-field-author field-type-taxonomy-term-reference field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" rel="schema:author"><a href="/emanuel-geibel" typeof="skos:Concept" property="schema:name" datatype="">Emanuel Geibel</a></div></div></div><div class="field field-name-field-releasedate field-type-number-integer field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" property="schema:datePublished">1847</div></div></div><span rel="schema:url" resource="/emanuel-geibel/eifersucht-macht-scharfsichtig-und-blind" class="rdf-meta element-hidden"></span><span property="schema:name" content="Eifersucht macht scharfsichtig und blind" class="rdf-meta element-hidden"></span> Fri, 08 Feb 2019 22:10:02 +0000 mrbot 11330 at https://www.textarchiv.com Die weiße Schlange https://www.textarchiv.com/emanuel-geibel/die-weisse-schlange <div class="field field-name-body field-type-text-with-summary field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" property="schema:text content:encoded"><p>Auf der Burg in reichgeschmückter Halle<br /> Schweigsam brütend sitzt der greise Stojan,<br /> Sitzt beim vollen Silberkrug und trinkt nicht,<br /> Starrt empor zum Balkenwerk der Decke,<br /> Das von güldnen Drachenköpfen funkelt;<br /> Hell ins Fenster lacht die Spätherbstsonne,<br /> Doch nicht mit ihr lacht die Seele Stojans;<br /> Denn sie denkt Gedanken vor&#039;ger Tage,<br /> Denkt und sinnt und weiß nicht froh zu werden.</p> <p>Tritt zu ihm herein vom See der Fischer,<br /> Neigt sich dreimal tief und spricht die Worte:<br /> »Grüß dich Gott, Herr Stojan, mein Gebieter!<br /> Heute Nacht im See die Netze warf ich,<br /> Doch nicht Aale fing ich drin noch Karpfen<br /> Noch die Brut des blaugefloßten Hechtes,<br /> Fing statt ihrer eine weiße Schlange,<br /> Weiß am Kopf und Rücken, rot am Bauche.<br /> Wer von solcher weißen Schlange isset,<br /> Der vernimmt es, was die Tiere sprechen,<br /> Auf dem Feld das Wild, im Laub die Vögel.<br /> Auch der Wipfel Rede mag er deuten,<br /> Wenn sie flüstern mit den grünen Zungen,<br /> Und des Bachs Geschwätz, der Winde Sausen.<br /> Gibst du dreißig Goldstück&#039; mir, Herr Stojan,<br /> Will ich dir die weiße Schlange lassen.«</p> <p>Dreißig Goldstück&#039; gibt der Greis dem Fischer,<br /> Schickt ihn heim und ruft den Koch zur Stelle,<br /> Daß er ihm die Schlange zubereite;<br /> Spricht dann zu sich selbst und pfeift dazwischen:<br /> »Mag hinfort mich die Woiwodschaft meiden,<br /> Die mir nicht zum Schmause kommt um Ostern<br /> Noch zum Zechgelag am Neujahrsabend;<br /> Fortan lach&#039; ich ihres Außenbleibens.<br /> Reden werd&#039; ich mit den Tieren draußen,<br /> Daß sie die Gedanken mir verscheuchen<br /> Und die Träume, die ich träum&#039; im Wachen.«</p> <p>Als die Mittagstunde nun geschlagen,<br /> Bringt der Koch die Schlange wohlbereitet,<br /> Grünumkränzt auf goldgediegner Schüssel.<br /> Munter setzt Herr Stojan sich zur Tafel,<br /> Legt sich vor und ißt mit Wohlbehagen,<br /> Ißt und trinkt vom roten Wein dazwischen,<br /> Bis die Schüssel auf den Grund geleert ist.<br /> Drauf vom Sessel springt er auf die Füße,<br /> Schnallt sich um den Säbel mit Smaragden,<br /> Heißt den Knecht sein türkisch Rotroß satteln,<br /> Schwingt sich auf und reitet aus dem Hofe.</p> <p>Bald im dichten Walde trabt Herr Stojan,<br /> Wo der Weg zum schwarzen See hinabführt,<br /> Laublos schon am Wege stehn die Bäume;<br /> In den Wipfeln hört er da ein Schallen,<br /> Das von Ast zu Aste weiterflüstert,<br /> Bang und traurig wie von Menschenstimmen,<br /> Die ein dräuend Unheil sich verkünden.<br /> Doch er achtet&#039;s kaum und reitet weiter.</p> <p>Als er nun den schwarzen See erreicht hat,<br /> Flattern übers Wasser her zwei Raben,<br /> Alte Vögel beide, breitgeflügelt,<br /> Ruhn dann krächzend aus auf einer Fichte.<br /> Wohl vernimmt Herr Stojan, was sie krächzen,<br /> Hält sein Rotroß an und lauscht zur Kurzweil.<br /> Spricht der erste Rabe da zum zweiten:<br /> »Bruder, sprich, woher hast du den Goldreif,<br /> Den ich gestern sah in deinem Schnabel,<br /> Fein und blank, mit sieben roten Steinen?<br /> Wo nur hast du den gefunden? Sag&#039; mir&#039;s!«<br /> Ihm erwidert drauf der andre Vogel:<br /> »Märlein will ich dir erzählen, Bruder,<br /> Von dem Goldreif wunderliche Märlein.<br /> Sind nun siebenundzwanzig Jahr und länger,<br /> Daß ein Mägdlein hier im Walde wohnte,<br /> Weiß und rot, mit langen schwarzen Zöpfen;<br /> Trug sie nur ein Hemd von grobem Linnen,<br /> Nur Sandalen an den weißen Füßen,<br /> Trug sie doch ein Antlitz wie die Blumen.<br /> Heller schien die Sonne, wenn sie lachte,<br /> Wenn sie sang, so stand das Bächlein stille,<br /> Grüner ward der Rasen, drauf sie tanzte.<br /> Sieh, da kam des Wegs ein Herr geritten,<br /> Reiherfedern an der Zobelmütze,<br /> Gold sein Zaum, sein Säbel mit Smaragden.<br /> Einmal kam er erst, dann kam er vielmals,<br /> Sprach ihr zu und schwur ihr hundert Schwüre,<br /> Steckt&#039; ihr an den Finger einen Goldreif,<br /> Fein und blank, mit sieben roten Steinen,<br /> Daß sie seinen Schwüren glauben möchte;<br /> Und sie glaubt&#039; und ließ von ihm sich küssen.<br /> Lieblich deucht&#039; es ihr den langen Sommer.<br /> Aber als im Herbst die Vögel zogen,<br /> Fernhin zogen und nicht wiederkamen,<br /> Kam auch er nicht wieder gleich den Vögeln;<br /> Wo er blieb, das mag die Sonne wissen.<br /> Doch jedweden Abend kam das Mägdlein,<br /> Saß am See und weinte heiße Tränen,<br /> Weint&#039; hernieder auf den Schnee im Winter<br /> Und im Frühjahr auf die blauen Veilchen.<br /> Aber in der Nacht der Frühlingsgleiche<br /> Schrie sie laut empor vor großer Trübsal,<br /> Sprang hinunter dann ins schwarze Wasser.<br /> Keiner hat sie wieder je gesehen;<br /> Nur den Goldreif warf der See ans Ufer.«</p> <p>So zum einen Raben spricht der andre,<br /> Doch Herrn Stojan dünkt es üble Kurzweil;<br /> Dröhnend schlägt das Herz ihm wie ein Hammer.<br /> Seinem Rotroß drückt er ein die Sporen,<br /> Daß es stöhnt und jählings drauf dahinschießt<br /> Kreuz und quer, von keinem Pfad geleitet.<br /> Aber endlich keuchend hält es stille,<br /> Hält&#039; an einer Hütt&#039; und will nicht weiter.</p> <p>Tief im finstern Walde liegt die Hütte,<br /> Hat nicht Fenster mehr noch Tür und Angel;<br /> Hohes Unkraut wuchert auf der Schwelle.<br /> Sitzen auf dem Dach zwei wilde Tauben,<br /> Blau und weiß, ein Männlein und ein Weibchen,<br /> Gurren laut, und wohl vernimmt&#039;s Herr Stojan.<br /> Fragt die wilde Taube da den Tauber:<br /> »Männlein, sprich, was ist&#039;s mit dieser Hütte,<br /> Daß darinnen keine Menschen hausen,<br /> Wie in allen Hütten sonst im Forste?<br /> Warum steht sie gar so öde? Sag&#039; mir&#039;s!«<br /> Ihr erwidert drauf der wilde Tauber:<br /> »Märlein sollst du hören, du mein Weibchen;<br /> Nicht zu jeder Zeit war&#039;s hier so einsam.<br /> Wohnte vormals in der Hütt&#039; ein Köhler,<br /> Alt von Jahren, schwarz, mit weißem Barte;<br /> Wohnte mit ihm drin ein junger Knabe,<br /> Sah nicht aus, wie Köhlerbuben aussehn,<br /> Hieß er so, doch war er&#039;s nicht in Wahrheit,<br /> Denn am See einst fand das Kind der Alte<br /> Morgens nach der Nacht der Frühlingsgleiche,<br /> Nahm&#039;s und pflegt&#039; es groß an Sohnes Stelle.<br /> Stark und schön erwuchs der Knab&#039; im Walde,<br /> Goldne Locken sproßten ihm am Haupte,<br /> Schwarze Brauen über schwarzen Augen.<br /> Doch am Meiler mocht&#039; er nimmer stehen<br /> Noch die Kohlen schüren mit dem Schürbaum,<br /> Schnitzte lieber Bogen sich und Pfeile,<br /> Scharfe Pfeile, die das Wild erlegen,<br /> Oder zog sich Falken auf zur Beize.<br /> Täglich ging er dann hinaus zu jagen,<br /> Kehrte heim zu Nacht mit reicher Beute,<br /> Und der Köhler freute sich des Mahles.<br /> Aber einst am Tag der Sonnenwende –<br /> Sieben Jahre sind es nun und länger –<br /> Ging er auch zu Wald und kam nicht wieder,<br /> Kam auch nicht am andern Tag noch später,<br /> Daß der Alte drob zu Tod sich härmte.<br /> Wo er blieb, das mag die Sonne wissen.«</p> <p>So zur wilden Taube spricht der Tauber;<br /> Doch Herr Stojan hört es mit Entsetzen,<br /> Kalter Angstschweiß perlt ihm von der Stirne,<br /> Und zu Eis gefriert sein Herz im Leibe.<br /> Plötzlich wirft er dann herum sein Rotroß,<br /> Jagt nach Hause fort durch Dorn und Dickicht,<br /> Jagt in Hast, als ob der Tod ihn hetze.<br /> Scharf ins Antlitz schlagen ihm die Äste,<br /> Zornig pfeift der Wind aus Hagelwolken,<br /> Doch er merkt es kaum und fleucht von dannen.</p> <p>Als er nun das Tor der Burg erreicht hat,<br /> Sporenklirrend eilt er in die Halle,<br /> Heißt im Steinkamin ein Feuer zünden,<br /> Hoch aus Fichtenholz ein großes Feuer,<br /> Daß er sich sein frierend Herz erwärme,<br /> Wirft sich lechzend dann in seinen Sessel.</p> <p>Bald im Steinkamine brennt das Feuer.<br /> Brütend ins Geloder starrt Herr Stojan;<br /> Aber wie er starrt, da saust es drinnen,<br /> Saust und prasselt um die harz&#039;gen Scheite;<br /> Sieh, und plötzlich reckt sich hoch die Flamme,<br /> Blitzt ihn an und spricht mit roten Zungen:<br /> »Märlein künden will ich dir, Herr Stojan,<br /> Dunkle Märlein von vergangnen Tagen.<br /> War ich einst ein Fichtenbaum im Walde,<br /> Streckte tief ins Erdreich meine Wurzeln,<br /> Meinen Wipfel in des Himmels Bläue.<br /> Wohl gedenk&#039; ich noch der alten Zeiten,<br /> Doch zumeist des Tags der Sonnenwende,<br /> Sieben Jahre sind es nun und länger.<br /> Saß ein Knabe da in meinem Schatten,<br /> Goldnen Haars, mit schwarzen Augenbrauen,<br /> Trug auf seiner Faust den schönsten Falken,<br /> Spielt&#039; und koste mit dem klugen Vogel.<br /> Zu der Stunde kamst auch du, Herr Stojan,<br /> Kamst vom Weidwerk durch den Busch geschritten,<br /> Sahst den Falken an, und er gefiel dir,<br /> Daß du trutzig ihn vom Knaben heischtest.<br /> Aber dieser wollt&#039; ihn nimmer lassen,<br /> Faßt&#039; ihn fest und lachte, da du drohtest,<br /> Lachte, wie du selber pflegst zu lachen.<br /> Da ergrimmte dir die finstre Seele,<br /> Zogst ein spitzes Messer aus dem Gürtel,<br /> Stießest ihm ins Herz das spitze Messer,<br /> Wandtest dich und flohst mit roten Händen;<br /> Kreischend hub der Falk&#039; sich in die Lüfte.<br /> Doch im Moos verscheidend lag der Knabe;<br /> Langsam aus der Wunde troff sein Herzblut,<br /> Troff in Strömen über meine Wurzeln,<br /> Troff hinunter in die schwarze Erde.<br /> Sieh, da schauderte die schwarze Erde,<br /> Zuckte wie im Krampf und schrie zur Sonne:<br /> Weh, von welchem Blut hab&#039; ich getrunken!<br /> Blut, verströmt in unerhörtem Greuel,<br /> Kindesblut von Vaterhand vergossen!«</p> <p>Also saust im Steinkamin die Flamme.<br /> Da vom Sessel fluchend springt Herr Stojan,<br /> Reißt den krummen Säbel aus der Scheide,<br /> Haut in blinder Wut damit ins Feuer,<br /> Daß die Brände durch die Halle spritzen,<br /> Taumelt dann und stürzt erschöpft zu Boden.</p> <p>Aber leise züngelt&#039;s aus den Bränden,<br /> Schießt wie rote Schlänglein hin und wieder,<br /> Leckt und klimmt empor am Wandgetäfel,<br /> Klimmt empor ins Balkenwerk der Decke.<br /> Doch urplötzlich droben wächst die Lohe<br /> Wie ein Riesenfächer, der sich aufschlägt,<br /> Bricht zugleich durch Fenster, Pfort&#039; und Gitter,<br /> Wirbelt aus dem Dach als Feuersäule,<br /> Wirbelt hoch hinauf zum dunkeln Himmel,<br /> Und in Flammen kracht die Burg zusammen.</p> <p>Liegt nun tief im Wald ein Trümmerhaufen,<br /> Hochgetürmter Schutt, verkohlte Balken:<br /> Jagt kein Jäger dort, und treibt kein Hirte,<br /> Singt kein Vogel auch an jener Stätte,<br /> Und kein Tau benetzt umher das Erdreich.<br /> Denn verflucht sind die geschwärzten Steine;<br /> Drunter liegen die Gebeine Stojans,<br /> Stojans, der den eignen Sohn erschlagen.</p> </div></div></div><div class="field field-name-field-author field-type-taxonomy-term-reference field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" rel="schema:author"><a href="/emanuel-geibel" typeof="skos:Concept" property="schema:name" datatype="">Emanuel Geibel</a></div></div></div><div class="field field-name-field-releasedate field-type-number-integer field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" property="schema:datePublished">1847</div></div></div><span rel="schema:url" resource="/emanuel-geibel/die-weisse-schlange" class="rdf-meta element-hidden"></span><span property="schema:name" content="Die weiße Schlange" class="rdf-meta element-hidden"></span> Sat, 26 Jan 2019 22:10:01 +0000 mrbot 11339 at https://www.textarchiv.com Die Türkenkugel https://www.textarchiv.com/emanuel-geibel/die-tuerkenkugel <div class="field field-name-body field-type-text-with-summary field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" property="schema:text content:encoded"><p>Auf der Höh&#039; am Felsenkirchlein,<br /> Rings vom Türkenheer umschlossen,<br /> Liegt ein Häuflein tapfrer Griechen<br /> Von des Bozzaris Genossen.</p> <p>Achtmal hat die Schar dort oben<br /> Schon begrüßt den Strahl der Sonnen;<br /> Achtmal schon ergimmten Mutes<br /> Hat der Feind den Sturm begonnen.</p> <p>Doch vergeblich in den Schluchten<br /> Häuft&#039; er Tote nur zu Toten,<br /> Denn der Fels ist schroff, und sicher<br /> Trifft das Blei der Sulioten.</p> <p>Drum von fern aus Feuerschlünden<br /> Will er nun Verderben senden;<br /> Kugeln über Kugeln wirft er<br /> Nach den steilen Felsenwänden.</p> <p>Aber mag sein glühend Eisen<br /> Seltnes Opfer nur erreichen:<br /> Schon beginnt ein andrer Würger<br /> Droben durch die Schar zu schleichen.</p> <p>Grauser als von Feindeswaffen<br /> Ist der Tod von Durstesqualen;<br /> Keinen Brunnen hat der Felsen,<br /> Und geleert sind Schläuch&#039; und Schalen.</p> <p>Und der Himmel blau und ehern<br /> Schaut herab mit Feueraugen;<br /> Ach, nicht reicht&#039;s, daß von den Halmen<br /> Sie den Tau der Frühe saugen.</p> <p>Bleich, mit hohlen Wangen, schwanken<br /> Um das Kirchlein die Gestalten:<br /> Kaum vermag der Arm entkräftet<br /> Noch das lange Rohr zu halten.</p> <p>Dorrend klebt die Zung&#039; am Gaumen,<br /> Fieberglut durchrast die Glieder;<br /> In der Not des neunten Abends<br /> Werfen sie sich flehend nieder:</p> <p>»Der du Mosis Stab gesegnet,<br /> Daß er Wasser schuf dem Volke,<br /> Der du auf Elias&#039; Rufen<br /> Kamst in schatt&#039;ger Regenwolke,</p> <p>Herr, erbarm&#039;, erbarm&#039; dich unser!<br /> Sieh, wir sind wie trockne Scherben, –<br /> Von des Feindes Schwert errettet,<br /> Laß uns nicht im Durst verderben!«</p> <p>Und noch hallt es: »Herr, erbarm&#039; dich!«<br /> Da in rotgewölbtem Bogen<br /> Aus dem Türkenlager sausend<br /> Kommt ein Feuerball geflogen.</p> <p>Dröhnend schlägt er in die Klippe,<br /> Bohrt sich wühlend tief und tiefer, –<br /> Horch, da zischt es leis, und silbern<br /> Zuckt es auf im Felsgeschiefer:</p> <p>Und es blinkt und rinnt und rieselt,<br /> Und mit Brausen dann geschossen<br /> Well&#039; auf Welle kommt das Wasser,<br /> Dem das Erz die Bahn erschlossen.</p> <p>O wie lieblich rauscht der Sprudel<br /> In das Ohr der Kriegsgefährten!<br /> O wie schlürfen sie mit Wonnen<br /> Von dem Naß, dem langentbehrten!</p> <p>Aber dann zum frommen Danke<br /> Siehst du sie die Hände falten:<br /> »Sei gepriesen, Herr der Gnaden!<br /> Wundervoll ist all dein Walten.</p> <p>Durch die Hand des grimmsten Feindes<br /> Weißt du Trost und Heil zu geben;<br /> Tod gedacht&#039; er uns zu senden,<br /> Doch du wandtest Tod in Leben!«</p> </div></div></div><div class="field field-name-field-author field-type-taxonomy-term-reference field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" rel="schema:author"><a href="/emanuel-geibel" typeof="skos:Concept" property="schema:name" datatype="">Emanuel Geibel</a></div></div></div><div class="field field-name-field-releasedate field-type-number-integer field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" property="schema:datePublished">1847</div></div></div><span rel="schema:url" resource="/emanuel-geibel/die-tuerkenkugel" class="rdf-meta element-hidden"></span><span property="schema:name" content="Die Türkenkugel" class="rdf-meta element-hidden"></span> Mon, 07 Jan 2019 22:10:02 +0000 mrbot 11340 at https://www.textarchiv.com Des Deutschritters Ave https://www.textarchiv.com/emanuel-geibel/des-deutschritters-ave <div class="field field-name-body field-type-text-with-summary field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" property="schema:text content:encoded"><p>»Herr Ott vom Bühl, nun drängt die Not,<br /> Nun zeigt, wie treu Ihr&#039;s meint!<br /> Das Feld ist rot, und die Brüder sind tot,<br /> Und hinter uns rasselt der Feind.</p> <p>Wohl klag&#039; ich manch gebrochnen Speer,<br /> Manch Wappenschild zerspalten;<br /> Doch schmerzt&#039;s um den heiligen Kelch mich noch mehr<br /> In meines Mantels Falten.</p> <p>Im Schlachtfeld tranken wir alle daraus,<br /> Zu sühnen uns mit Gott;<br /> Soll nun beim wüsten Siegesschmaus<br /> Der Heid&#039; ihn schwingen zum Spott?</p> <p>Herr Ott, und fühlt Ihr Euch stark und jung,<br /> Noch einmal wendet das Roß,<br /> Versucht mit scharfem Schwertesschwung<br /> Noch einmal zu hemmen den Troß.</p> <p>Und haltet Ihr nur so lang ihn auf,<br /> Als Ihr ein Ave sagt,<br /> So rettet meines Hengstes Lauf<br /> Den Kelch, um den Ihr&#039;s wagt.«</p> <p>Herrn Otts Besinnen war nicht groß,<br /> Sprach: »Ja«, und weiter nichts;<br /> Des Meisters Roß von dannen schoß<br /> Im Strahl des Mondenlichts.</p> <p>Und als das Kreuz auf dem Mantel weiß<br /> Nicht mehr zu kennen war,<br /> Da sauste schon auf Gäulen heiß<br /> Heran der Litauer Schar;</p> <p>Und als der Mantel fern im Schwung<br /> Nur schien wie ein fliegender Schwan,<br /> Da fielen sie den Ritter jung<br /> Mit grimmigen Streichen an.</p> <p>Die krummen Schwerter blinkten frei,<br /> Es rasselten dumpf die Keulen,<br /> Dazwischen ging ihr Kampfgeschrei<br /> Wie hungriger Wölfe Heulen.</p> <p>Herr Ott vom Bühl sprach: »Ave Marie!«<br /> Und führt&#039; einen Hieb, der traf;<br /> Der Hauptmann flog vom Sattel aufs Knie<br /> Mit durchgespaltnem Schlaf.</p> <p>Das zweite Wort der Held dann sprach<br /> Und hieb noch kräftiger schier;<br /> Der Bannerträger zusammenbrach,<br /> Und über ihn fiel das Panier.</p> <p>Und Wort um Wort und Streich um Streich,<br /> Das war ein tapfer Gebet:<br /> Bei jedem Spruch lag alsogleich<br /> Ein Heide dahingemäht.</p> <p>Und es klaffte dem Ritter das Stahlhemd weit,<br /> Und es färbten die Ringe sich rot,<br /> Er aber ward nicht laß im Streit,<br /> Und jeder Schlag war Tod.</p> <p>Und es barst sein Schild, und es sank sein Pferd,<br /> Da kämpft&#039; er fort zu Fuß;<br /> Mit beiden Händen schwang er das Schwert<br /> Und betete weiter den Gruß.</p> <p>Und als zu Ende das Ave ging,<br /> Er führte noch einen Streich,<br /> Und in getürmter Leichen Ring<br /> Hinsank er blutend und bleich.</p> <p>Sein Mund ward stumm, sein Arm ward schwer,<br /> Im Tode stand sein Herz;<br /> Nicht Amen konnt&#039; er sprechen mehr,<br /> Das war sein letzter Schmerz.</p> <p>Doch die Litauer warfen die Renner herum,<br /> Kein Streit mehr lüstete sie.<br /> Gerettet war das Heiligtum<br /> Durch des Ritters Ave Marie.</p> <p>Gott geb&#039; ihm droben selige Statt<br /> Aufs tosende Schlachtgetümmel!<br /> Wer so auf Erden gebetet hat,<br /> Mag Amen sagen im Himmel.</p> </div></div></div><div class="field field-name-field-author field-type-taxonomy-term-reference field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" rel="schema:author"><a href="/emanuel-geibel" typeof="skos:Concept" property="schema:name" datatype="">Emanuel Geibel</a></div></div></div><div class="field field-name-field-releasedate field-type-number-integer field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" property="schema:datePublished">1847</div></div></div><span rel="schema:url" resource="/emanuel-geibel/des-deutschritters-ave" class="rdf-meta element-hidden"></span><span property="schema:name" content="Des Deutschritters Ave" class="rdf-meta element-hidden"></span> Thu, 03 Jan 2019 22:10:02 +0000 mrbot 11315 at https://www.textarchiv.com Kein tüchtig Mühn, das seinen Lohn https://www.textarchiv.com/emanuel-geibel/kein-tuechtig-muehn-das-seinen-lohn <div class="field field-name-body field-type-text-with-summary field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" property="schema:text content:encoded"><p>Kein tüchtig Mühn, das seinen Lohn<br /> Zuletzt nicht reichlich in sich hätte!<br /> Wie mancher grub nach Wasser schon<br /> Und fand einen Schatz an selber Stätte!</p> </div></div></div><div class="field field-name-field-author field-type-taxonomy-term-reference field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" rel="schema:author"><a href="/emanuel-geibel" typeof="skos:Concept" property="schema:name" datatype="">Emanuel Geibel</a></div></div></div><div class="field field-name-field-releasedate field-type-number-integer field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" property="schema:datePublished">1847</div></div></div><span rel="schema:url" resource="/emanuel-geibel/kein-tuechtig-muehn-das-seinen-lohn" class="rdf-meta element-hidden"></span><span property="schema:name" content="Kein tüchtig Mühn, das seinen Lohn" class="rdf-meta element-hidden"></span> Wed, 02 Jan 2019 22:10:02 +0000 mrbot 11329 at https://www.textarchiv.com Der gestrenge Kritikus https://www.textarchiv.com/emanuel-geibel/der-gestrenge-kritikus <div class="field field-name-body field-type-text-with-summary field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" property="schema:text content:encoded"><p>Ich hört&#039; einmal ein Brüllen groß,<br /> Schon dacht&#039; ich: »Himmlischer Vater!<br /> Das ist ein Leu!« Doch fand ich bloß<br /> Einen ganz gewöhnlichen Kater.</p> <p>Mag man immer den Löwenton<br /> Dem putzigen Tierchen verstatten!<br /> Die Bären und Panther läßt es schon<br /> Und fängt uns die Mäus&#039; und die Ratten.</p> </div></div></div><div class="field field-name-field-author field-type-taxonomy-term-reference field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" rel="schema:author"><a href="/emanuel-geibel" typeof="skos:Concept" property="schema:name" datatype="">Emanuel Geibel</a></div></div></div><div class="field field-name-field-releasedate field-type-number-integer field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" property="schema:datePublished">1847</div></div></div><span rel="schema:url" resource="/emanuel-geibel/der-gestrenge-kritikus" class="rdf-meta element-hidden"></span><span property="schema:name" content="Der gestrenge Kritikus" class="rdf-meta element-hidden"></span> Mon, 31 Dec 2018 22:10:01 +0000 mrbot 11317 at https://www.textarchiv.com Des Zechers Traum https://www.textarchiv.com/emanuel-geibel/des-zechers-traum <div class="field field-name-body field-type-text-with-summary field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" property="schema:text content:encoded"><p>Mit den Freunden bei der mächt&#039;gen Bowle<br /> Hatt&#039; ich tief bis in die Nacht gesessen;<br /> Sieh, da kam im Schlaf ein seltner Traum mir.<br /> An dem Strand des unfruchtbaren Meeres<br /> Irrt&#039; ich von gewalt&#039;gem Durst gepeinigt<br /> Hin und her zur Zeit der Sonnenrüste;<br /> Eine Quelle sucht&#039; ich, einen Brunnen,<br /> Mich zu laben, doch umsonst! Da rief ich<br /> Sehnsuchtsvoll umher mit heisrer Stimme:<br /> O wer schafft zu trinken mir, zu trinken,<br /> Aber nicht zu wenig – ich verschmachte –<br /> O wer schafft zu trinken mir, zu trinken!</p> <p>Siehe, da geschah ein plötzlich Wunder;<br /> Denn des Meeres ungeheure Tiefe<br /> Ward verwandelt zur kristallnen Schale,<br /> Drum als Kranz des Ufers Wälder lagen.<br /> Klares Wasser sah ich drinnen dampfen<br /> Hell durchsichtig; aber Riff&#039; und Klippen<br /> Waren eitel Süßigkeit und schmolzen<br /> In der heißen Flut; des Abends Strahlen<br /> Schossen als ein goldner Strom herunter<br /> Edlen Geists und färbten bis zum Rande<br /> Nun die Mischung, daß sie zitternd glänzte.<br /> Doch zuletzt als Riesenpomeranze<br /> Sank die Sonn&#039; herab und wogte schwimmend<br /> Auf dem Trank dahin, die Schale krönend.</p> <p>Und begierig mit den trocknen Lippen<br /> Schlürfend setzt&#039; ich an, und schon berührte<br /> Mir das seltne Naß den Mund – da weckte<br /> Mich der Schlag der Uhr; vom Lager fuhr ich<br /> Durstig auf und mußte herzlich lachen.</p> </div></div></div><div class="field field-name-field-author field-type-taxonomy-term-reference field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" rel="schema:author"><a href="/emanuel-geibel" typeof="skos:Concept" property="schema:name" datatype="">Emanuel Geibel</a></div></div></div><div class="field field-name-field-releasedate field-type-number-integer field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" property="schema:datePublished">1847</div></div></div><span rel="schema:url" resource="/emanuel-geibel/des-zechers-traum" class="rdf-meta element-hidden"></span><span property="schema:name" content="Des Zechers Traum" class="rdf-meta element-hidden"></span> Sun, 30 Dec 2018 22:10:01 +0000 mrbot 11341 at https://www.textarchiv.com