Textarchiv - Karl Henckell https://www.textarchiv.com/karl-henckell Deutscher Schriftsteller. Geboren am 17. April 1864 in Hannover. Gestorben am 30. Juli 1929 in Lindau am Bodensee. de Geleit https://www.textarchiv.com/karl-henckell/geleit <div class="field field-name-body field-type-text-with-summary field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" property="schema:text content:encoded"><p>Ihr geht ins Leben hinein,<br /> Zweige der grünenden Welt in der erhobenen Hand,<br /> Um eure jungen Stirnen spielt der aufgehende Schein<br /> Einer Sonne, die euch führt in das kommende Land.</p> <p>Was eure Väter voll Müh,<br /> Was eure Mütter voll Weh ringend und darbend gebaut,<br /> Gab euch den heiligen Grund, drauf ihr in segnender Früh<br /> Aufsteigt zum fruchtbaren Tag. Seht, wie das Licht euch vertraut!</p> <p>Seht, wie das Licht euch begrüßt,<br /> Kinder der wandelnden Zeit, Jünger des neuen Geschlechts!<br /> Vieles, was mächtig bis heut, vieles war traurig und wüst,<br /> Aber es wächst in der Welt Ordnung des reineren Rechts.</p> <p>Seht, wie der Kampf euer harrt<br /> Schlechtes noch schreckt euern Schritt, Schatten der Dämmerung sinkt,<br /> Zwietracht und niedriger Wahn grauer Vergangenheit starrt.<br /> Aber ihr fürchtet euch nicht. Seht, wie die Zukunft euch winkt!</p> <p>Kommende Männer und Fraun!<br /> Bildet in Glück euch und Leid, formt euch in Lust und in Pein!<br /> Wandert zu Höhen, weithin Ströme des Lebens zu schaun!<br /> Schaut und schreitet und wirkt, kühn eine Welt zu befrein!</p> </div></div></div><div class="field field-name-field-author field-type-taxonomy-term-reference field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" rel="schema:author"><a href="/karl-henckell" typeof="skos:Concept" property="schema:name" datatype="">Karl Henckell</a></div></div></div><div class="field field-name-field-releasedate field-type-number-integer field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" property="schema:datePublished">1921</div></div></div><span rel="schema:url" resource="/karl-henckell/geleit" class="rdf-meta element-hidden"></span><span property="schema:name" content="Geleit" class="rdf-meta element-hidden"></span> Tue, 13 Nov 2018 22:10:01 +0000 mrbot 11155 at https://www.textarchiv.com Dem Einiger https://www.textarchiv.com/karl-henckell/dem-einiger <div class="field field-name-body field-type-text-with-summary field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" property="schema:text content:encoded"><p>... Gewölk flog hin. Doch wieder nah und fern<br /> Ging auf am Himmel blinkend Stern an Stern.<br /> Und wie ich folgte der Planeten Schar,<br /> Ein seltsam Wunderzeichen nahm ich wahr.<br /> Geschrieben stand ein Wort aus Sternenglut,<br /> Das durch die Adern schwellend trieb mein Blut.<br /> »Alleinig« hieß die Flammenschrift da droben,<br /> Und mancher sah&#039;s, den gläubigen Blick erhoben.</p> <p>In eines Kiefernwaldes Lichtung – wer<br /> Im Jagdrock lehnte sinnend am Gewehr?<br /> Welch wuchtige Stirn, welch zielgerader Blick!<br /> »Zur Größe muß des Vaterlands Geschick<br /> Gehämmert sein,« zuckt&#039;s durch die Erzgestalt,<br /> »Und schweigt der Wille, donnre ich Gewalt.<br /> Daß Deutschlands schwanker Gliederbau erstarke,<br /> Sein faules Fleisch ausschneid&#039; ich bis zum Marke.«</p> <p>Und schon erschien dem Schauenden ein Bild<br /> Des Völkerschicksals – Sedans Schlachtgefild.<br /> Die Nebel wallten über Tal und Fluß,<br /> Kanonendonner folgend Schuß auf Schuß.<br /> Kolonne an Kolonne schloß den Ring,<br /> Drin sich das schuldige Opfer ganz verfing.<br /> »Was treibst du noch zum Kampf, verfallner Kaiser?<br /> Dein Thron zerspliß wie morsche Fichtenreiser.«</p> <p>Gebrochen stand mit hohlem Aug&#039; er da,<br /> Des Fieberglut dem letzten Flackern nah.<br /> Weil du der ränkevollen Ruhmgier Sohn,<br /> Versank dein Stern in Nacht, Napoleon.<br /> Doch zischte durch die Reihn kein geiler Spott,<br /> Ernst klang&#039;s empor: »Nun danket alle Gott!«<br /> Und klar und feierlich von Mund zu Munde<br /> Stieg der Choral aus aller Herzensgrunde.</p> <p>Wie der Gesang mir noch im Ohre rauscht!<br /> Voll Kindesandacht hab ich still gelauscht.<br /> Ein neuer Hauch zog in die Seele ein:<br /> Sei wert, des eignen Volkes Sohn zu sein!<br /> Der giftige Wurm der Zwietracht ist gefällt,<br /> Fest stehn wir da in Sturm und Streit der Welt,<br /> Der Besten Sehnsucht ist erfüllet worden:<br /> Eins vom Gebirg bis zu des Meeres Borden ...</p> </div></div></div><div class="field field-name-field-author field-type-taxonomy-term-reference field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" rel="schema:author"><a href="/karl-henckell" typeof="skos:Concept" property="schema:name" datatype="">Karl Henckell</a></div></div></div><div class="field field-name-field-releasedate field-type-number-integer field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" property="schema:datePublished">1884</div></div></div><span rel="schema:url" resource="/karl-henckell/dem-einiger" class="rdf-meta element-hidden"></span><span property="schema:name" content="Dem Einiger" class="rdf-meta element-hidden"></span> Mon, 12 Nov 2018 22:10:02 +0000 mrbot 11172 at https://www.textarchiv.com Gründeutschland https://www.textarchiv.com/karl-henckell/gruendeutschland <div class="field field-name-body field-type-text-with-summary field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" property="schema:text content:encoded"><p>So hängt denn mit den »grünen Jungen«<br /> Auch mich und schindet mein Gedicht!<br /> Schach eurem Spott! Er ist mißlungen.<br /> Ihr merkt den neuen Pulsschlag nicht.<br /> Ja, »Jungen« haben heiß empfunden,<br /> Was alt und kalt ihr nie gespürt,<br /> Wild bluteten die Herzenswunden,<br /> Von Widerhaken aufgerührt.<br /> Der Parzenfluch zerrissner Zeiten<br /> Peitscht&#039; unser berstendes Gefühl<br /> Bis in die tiefsten Heimlichkeiten<br /> Zu sinnverwirrendem Gewühl.<br /> Die Odyssee im Bücherriemen<br /> Und Roms Rhetoren in der Hand,<br /> Entdeckten wir die neuen Kiemen<br /> Schon an der glühenden Schläfenwand.<br /> Wie frostig fieberten die Stunden,<br /> Wie schauderte die tote Müh,<br /> Wenn wir den zarten Geist geschunden<br /> Mit Ochsenziemern spät und früh!<br /> Wir fühlten in die Flut der Massen –<br /> Die Großstadt ist kein Internat –<br /> Und mit Erröten, mit Erblassen<br /> Sind wir der Zwingburg scheu genaht.<br /> In weiche Rinden dumm-verlogen<br /> Ward eingegerbt der Spuk und Spott,<br /> Des Lebens Wogen aber flogen<br /> Fern dem gequälten Griechengott.</p> <p>Gründeutschland hoch! Wir reihten wacker<br /> Schon damals gründeutsch Reim an Reim,<br /> Auf frischgebrochnem Musenacker<br /> Sproß unsre Traumsaat, Keim an Keim.<br /> Wir stöhnten Verse, wir umrissen<br /> In Prosa, was das Herz zerstückt,<br /> Wir schrieben Briefe dem Gewissen<br /> Und suchten Seelen, gleichbedrückt.<br /> O Schmerz, der unsrer Jugend Säulen<br /> Mit wahrer Föhngewalt durchkracht!<br /> Wer hört nicht das Verhängnis heulen,<br /> Dem Moloch wehrlos dargebracht?<br /> Die Knaben haben&#039;s nur empfunden,<br /> Ihr Kopf war heiß, ihr Herz war schwer,<br /> Sie siedeten aus ihren Wunden –<br /> Jetzt sind wir keine Knaben mehr.<br /> Jetzt ist das Wähnen Mann geworden,<br /> Erkenntnis ward des Fühlens Braut,<br /> Jetzt wird in ehernen Akkorden<br /> Das kommende Jahrhundert laut:</p> <p>Die neue Zeit</p> <p>Es hat ein Hammer aufgeschlagen<br /> Im menschlichen Maschinensaal,<br /> Der Amboß klang, und fortgetragen<br /> Wird sein Getön von Tal zu Tal.<br /> Die Berge zittern seinem Dröhnen,<br /> Die Meere wälzen seinen Ruf;<br /> Er bebt ans Ohr der Erde Söhnen<br /> Und lebt im Schönen, das er schuf.</p> <p>Aus ihrem dunklen Mutterschoße<br /> Wächst auf zur Kraft durch Not und Leid,<br /> Mit Mut gesäugt, die schöne, große,<br /> Freiblickende, die neue Zeit.<br /> Der Dampf umbraust des Kindes Wiege,<br /> Zur Hochzeit blühn ihr sternenklar<br /> Zum seltnen Lohn vollkommner Siege<br /> Leuchtblumenketten durch das Haar.</p> <p>Glückauf, du junge Zeit der Milde,<br /> Der Unschuld, die nur Wahrheit kennt,<br /> Die nach dem kühnen Geistesbilde<br /> Sich höher zu gestalten brennt!<br /> Wir richten unser Haupt zum Gruße<br /> Entgegen deiner edlen Zier,<br /> Wir streuen Blüten deinem Fuße<br /> Und huldigen und psalmieren dir.</p> <p>Gründeutschland Heil! Dir will ich widmen<br /> Zum Angebind dies Segenslied,<br /> Das mir mit hell und hellern Rhythmen<br /> Vorleuchtend durch die Seele zieht.<br /> O laß vom Wohlklang dich ergreifen!<br /> So klingt der Wahrheit Kehle nur.<br /> O laß von ihres Schleiers Streifen<br /> Zitternd umschweifen die Natur!<br /> Scharf schneide von dem Ton der Dinge<br /> Die Bildwelt, die du selbst erfüllst,<br /> Aus Leidenschaft den Meißel schwinge,<br /> Mit dem du meißelst, was du willst!<br /> Du bleibst nicht an der Fläche haften,<br /> Denn dich durchzuckt vom Kopf zur Zeh<br /> Die lauterste der Leidenschaften,<br /> Der Lebensatem der Idee.<br /> Wenn dich des Jammers Faust geschüttelt,<br /> Der Herzen mörderische Qual,<br /> Wenn dich das Elend wachgerüttelt<br /> Im großen Menschheitshospital;<br /> Wenn all dein Mitleid, all dein Schrecken<br /> Dich rührte mit dem grünen Reis<br /> Aus unsrer Zukunft Sonnenhecken,<br /> Schwebt dir aufs Haupt die Krone leis.<br /> Gründeutschland Heil! In deinem Spiegel<br /> Gewahre tief sich aller Schuld!<br /> In der Gedanken Schöpfertiegel<br /> Koch deine Säfte voll Geduld!<br /> Die Kräfte brausen in dem Kessel,<br /> Zart sprießt der Schönheit Diamant,<br /> Aus seiner Schlacken Fluß und Fessel<br /> Löst ihn des Genius Zauberhand.</p> </div></div></div><div class="field field-name-field-author field-type-taxonomy-term-reference field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" rel="schema:author"><a href="/karl-henckell" typeof="skos:Concept" property="schema:name" datatype="">Karl Henckell</a></div></div></div><div class="field field-name-field-releasedate field-type-number-integer field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" property="schema:datePublished">1921</div></div></div><span rel="schema:url" resource="/karl-henckell/gruendeutschland" class="rdf-meta element-hidden"></span><span property="schema:name" content="Gründeutschland" class="rdf-meta element-hidden"></span> Mon, 08 Oct 2018 22:10:03 +0000 mrbot 9443 at https://www.textarchiv.com Viadukt https://www.textarchiv.com/karl-henckell/viadukt <div class="field field-name-body field-type-text-with-summary field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" property="schema:text content:encoded"><p>Mit zornig zischendem Gebraus<br /> Jäh schnob&#039;s den hohen Bahndamm her.<br /> Der Schlot warf Wolken weit heraus,<br /> In dunkle Nacht ein dämmernd Meer.<br /> Wildschäumend schleuderte der Zug<br /> Zurück den Qualm, zurück die Qual,<br /> Die Lasten, die er vorwärts trug,<br /> Erschütterten das stille Tal.</p> <p>Auf einmal atmet der Koloß<br /> Mit siegesstolzer Sicherheit,<br /> Erhaben saust das Riesenroß,<br /> Vom Überschuß der Kraft befreit.<br /> Fern glüht der grünen Augen Brand;<br /> Durch finsteren Tunnel, Rauch und Ruß<br /> Führt nach der Schönheit Sonnenland<br /> Den Zug der Zeit sein Genius.</p> </div></div></div><div class="field field-name-field-author field-type-taxonomy-term-reference field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" rel="schema:author"><a href="/karl-henckell" typeof="skos:Concept" property="schema:name" datatype="">Karl Henckell</a></div></div></div><div class="field field-name-field-releasedate field-type-number-integer field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" property="schema:datePublished">1921</div></div></div><span rel="schema:url" resource="/karl-henckell/viadukt" class="rdf-meta element-hidden"></span><span property="schema:name" content="Viadukt" class="rdf-meta element-hidden"></span> Fri, 08 Jun 2018 22:10:02 +0000 mrbot 9439 at https://www.textarchiv.com Zwei Welten https://www.textarchiv.com/karl-henckell/zwei-welten <div class="field field-name-body field-type-text-with-summary field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" property="schema:text content:encoded"><p>An der Grenze zweier Welten<br /> Steh ich heitern Sinnes da,<br /> Meine Schrecknisse zerschellten,<br /> Seit ich klar die Scheidung sah.</p> <p>Tausend Fäden der Entthronten<br /> Locken spielend mich zurück,<br /> Und vom Herd des Altgewohnten<br /> Schluchzend winkt ein sterbend Glück.</p> <p>Stiller ist mein Herz geworden,<br /> Das so schmerzgewaltig schlug,<br /> Als, die Götzen zu ermorden,<br /> Ich die Axt des Ketzers trug.</p> <p>Nimmer nun zurück begehr&#039; ich,<br /> Doch den Fluch verlor mein Mund,<br /> Mein Gesicht zur Neuwelt kehr&#039; ich,<br /> Tiefrer Lebensquellen kund.</p> <p>Was vom Schoß des Einst empfangen,<br /> Wandl&#039; ich langsam bildend um,<br /> Jedem fiebernden Verlangen<br /> Bleibt die Weltentwicklung stumm.</p> <p>So, der Erbe meiner Ahnen,<br /> Wandernd aus der Väter Zeit,<br /> Münd&#039; ich in die neuen Bahnen<br /> Freiheitschöner Menschlichkeit.</p> </div></div></div><div class="field field-name-field-author field-type-taxonomy-term-reference field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" rel="schema:author"><a href="/karl-henckell" typeof="skos:Concept" property="schema:name" datatype="">Karl Henckell</a></div></div></div><div class="field field-name-field-releasedate field-type-number-integer field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" property="schema:datePublished">1921</div></div></div><span rel="schema:url" resource="/karl-henckell/zwei-welten" class="rdf-meta element-hidden"></span><span property="schema:name" content="Zwei Welten" class="rdf-meta element-hidden"></span> Sat, 03 Mar 2018 22:10:05 +0000 mrbot 9438 at https://www.textarchiv.com Majestätsbeleidigung https://www.textarchiv.com/karl-henckell/majestaetsbeleidigung <div class="field field-name-body field-type-text-with-summary field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" property="schema:text content:encoded"><p>Der Satan wurde Staatsanwalt,<br /> Sein Herz, das war wie Eis so kalt.<br /> Gott gab im Zorne dem Geschmeiß<br /> Zum Busen einen Kübel Eis,<br /> Und wo sonst Menschen Mitleid fühlen,<br /> Da konnte man Champagner kühlen.</p> <p>Zu Magdeburg in Vorhaft saß<br /> Ein Sozialist, der jüngst vergaß,<br /> Daß hoch im deutschen Vaterland<br /> Ein Götze thront, S.M. genannt,<br /> Des heiligen Namen zu betasten<br /> Genügt, verbrechrisch zu belasten.</p> <p>Zum Schutze solcher Majestät<br /> Sind diesem Götzen früh und spät<br /> Vom Mummelsee bis Helgoland<br /> Viel Götzenwächter vorgespannt,<br /> Die jedem Lästerer des Götzen<br /> Das Messer des Gesetzes wetzen.</p> <p>Zu Dessau lag mit reifem Leib<br /> Im Wochenbett ein junges Weib.<br /> Sie sah die schwere Stunde kommen<br /> Und schrieb und bat so angstbeklommen<br /> Den Büttelvogt: »O laßt&#039;s geschehn!<br /> Darf ich ihn nicht noch einmal sehn?!«</p> <p>Sie fleht&#039; und schrieb zum andern Mal<br /> In Finsternis und Seelenqual.<br /> Vor ihren Augen fuhr der Tod<br /> Schon auf sie zu in schwarzem Boot,<br /> Und schaukelnd schwamm auf fahlem Teiche<br /> Das Wieglein mit der kleinen Leiche.</p> <p>Da, wie sie gell um Hilfe rief,<br /> Bracht&#039; ihr die Wärterin den Brief –<br /> Vom Mann, zum Trost in Pein und Gram?<br /> O nein! Die Weihnachtsbotschaft kam<br /> Vom Staatsanwalt. So schloß sein Schreiben:<br /> »Bedaure sehr, Ihr Mann muß bleiben!</p> <p>Wir lassen keinesfalls ihn los,<br /> Dafür ist seine Schuld zu groß.<br /> Man wird ihn schwer bestrafen müssen ...«<br /> Das arme Weib sank in die Kissen<br /> – Ein jäher Schrei durch Mark und Bein! –<br /> Und starb. Hier steht ihr Leichenstein:</p> <p>»Im Reich der Gottesfurcht allhie<br /> Zur Zeit der Schmach ward schwanger sie.<br /> Ihr Mann fiel in des Satans Krallen,<br /> Da hat es Gott dem Herrn gefallen,<br /> Und nahm sie zu sich in der Nacht<br /> Der majestätischen Niedertracht.«</p> </div></div></div><div class="field field-name-field-author field-type-taxonomy-term-reference field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" rel="schema:author"><a href="/karl-henckell" typeof="skos:Concept" property="schema:name" datatype="">Karl Henckell</a></div></div></div><div class="field field-name-field-releasedate field-type-number-integer field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" property="schema:datePublished">1921</div></div></div><span rel="schema:url" resource="/karl-henckell/majestaetsbeleidigung" class="rdf-meta element-hidden"></span><span property="schema:name" content="Majestätsbeleidigung" class="rdf-meta element-hidden"></span> Fri, 02 Mar 2018 22:10:06 +0000 mrbot 9424 at https://www.textarchiv.com Zukunftsblüte https://www.textarchiv.com/karl-henckell/zukunftsbluete <div class="field field-name-body field-type-text-with-summary field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" property="schema:text content:encoded"><p>Ich weiß eine purpurne Blüte,<br /> Die auf Wellen der Zukunft sich wiegt,<br /> Das ist die reinmenschliche Güte,<br /> Die Jammer und Elend besiegt.</p> <p>Aus köstlichen Kelchen flimmern<br /> Die Fäden der weltlichen Lust,<br /> Die frischen Blätter schimmern<br /> Auf silberner Flutenbrust.</p> <p>Schaummöwen der Freiheit schwingen<br /> Und kreisen glanzerhellt,<br /> Fern in der Tiefe verklingen<br /> Die Klagen der sinkenden Welt.</p> </div></div></div><div class="field field-name-field-author field-type-taxonomy-term-reference field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" rel="schema:author"><a href="/karl-henckell" typeof="skos:Concept" property="schema:name" datatype="">Karl Henckell</a></div></div></div><div class="field field-name-field-releasedate field-type-number-integer field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" property="schema:datePublished">1921</div></div></div><span rel="schema:url" resource="/karl-henckell/zukunftsbluete" class="rdf-meta element-hidden"></span><span property="schema:name" content="Zukunftsblüte" class="rdf-meta element-hidden"></span> Fri, 09 Feb 2018 22:10:02 +0000 mrbot 9437 at https://www.textarchiv.com Statistik https://www.textarchiv.com/karl-henckell/statistik <div class="field field-name-body field-type-text-with-summary field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" property="schema:text content:encoded"><p>Scheu vom Nachtwind flackert der Lampe Schein,<br /> Müde schwankt das rote Löschblatt nieder.<br /> Meines Buches tote Ziffernreihn<br /> Knicken wunderlich die hagern Glieder;<br /> Riesenmassen schütteln Fleisch und Bein,<br /> Millionen Zahlen zuckend schrein:<br /> Dichter, weckt dein warmes Blut uns wieder?<br /> Fühle, fühle deiner Zahlen Pein,<br /> Unsrer Qualen hochgesummte Summen!<br /> Wühle, wühle sie zum Hirn hinein,<br /> Daß wir nimmer, nimmermehr verstummen!</p> <p>Sieh die Linie, wie sie Zickzack steigt,<br /> Hunger, Wahnsinn und Verbrechen zeigt!<br /> Wandle sie, die dunklen Spuren!<br /> Sei dem Geisterlumpentroß,<br /> Dieben, Mördern, Säufern, Huren,<br /> Spießgesell und Mordgenoß!<br /> Wo der Fleischtopf üppig dampft,<br /> Reibt die »Tugend« sich den Wanst,<br /> Mägen, die der Hunger krampft,<br /> Hält der Teufel schlau umschanzt.<br /> Wie sie grinsen, meine Zahlen,<br /> Nackt und spindeldürre hupfen,<br /> Aus zerschossnen Idealen<br /> Federn über Federn rupfen!<br /> Sieh, nun reihen sich zwei Lager,<br /> Hier die »Guten«, dort die »Schlechten«,<br /> Meistens sind die »Sünder« mager,<br /> Fett sind meistens die »Gerechten«.<br /> Habe nie den Gott ergründet,<br /> Der von »Schuld« und »Unschuld« weiß,<br /> Besser scheint mir schon verkündet:<br /> »Gott und der Getreidepreis.«<br /> Und in toll und tollerm Ritte<br /> Überschlagen sich die Laster,<br /> Wuchert Reichtum, welkt die Sitte,<br /> Hungersünden heilt kein Paster.<br /> Wie die Branntweinfluten schwellen!<br /> Wie die Brenner Satan grüßen!<br /> Kahlgeschorene Gesellen<br /> Müssen für uns alle büßen.<br /> Kindesunschuld, wüst geschändet,<br /> Wirbelt in der Hölle Strudel,<br /> Bürgerbauch stolziert verblendet<br /> Wie ein wohl dressierter Pudel.<br /> Ach, der gute, der honette Rentner,<br /> Unbescholten, strahlt er weiß wie Schnee,<br /> Trostlos schleppt der Strolch den Schicksalszentner,<br /> Ehrlos frißt er in sich Wut und Weh.<br /> »Arbeit! Arbeit!« Seine Faust, sie zittert,<br /> Klirrend schmettert sie durchs Ladenfenster.<br /> Gott Gesellschaft hält ihn gut vergittert,<br /> Gott Gesellschaft kettet die Gespenster.<br /> Gott Gesellschaft, Gott Jehova,<br /> Sein Gebot dräut unerbittlich –<br /> Lady Shocking auf dem Sofa<br /> Gähnt gesetzlich, schämt sich sittlich.<br /> Sittlich vornehm schlürft sie teuren Brändy,<br /> Süß ins Mündchen quillt das feine Schläuchlein,<br /> Suckelt hold ein Stückchen Zuckerkändy,<br /> Legt sich schlummern auf ihr – shocking – Bäuchlein.</p> <p>Aber fern den Lustpalästen,<br /> Aus der Vorstadt finsterm Schoß,<br /> Wo die Ratten auf den Resten<br /> Schmutziger Not die Luft verpesten,<br /> Ringt der Schrei der Scham sich los.<br /> Wimmernd winden Millionen Zahlen<br /> Schwer sich fort, ein Mammutsungeheuer,<br /> Plötzlich aus erloschnen Blicken strahlen<br /> Der Erlösung Freiheitsfeuer.<br /> Schwarz umrauscht es die Tribünen,<br /> Gläubig lauscht&#039;s dem neuen Heil,<br /> Das die kämpfenden, die kühnen<br /> Führer mit dem Rettungsbeil<br /> Rosig durch die Notnacht lichten –<br /> Hell durchs Dickicht kracht der Keil,<br /> Freude blüht den Gramgesichtern,<br /> Die noch kauern scheu und schüchtern,<br /> Wollen nimmermehr verzichten,<br /> Leben leuchten Millionen Zahlen,<br /> Glühend wallt&#039;s zu neuen Idealen.<br /> Wie sie das Volksblatt vom Haken raffen!<br /> Wie sie hohnlachend die Ziffern durchmessen!<br /> »Zählt ihr den Überfluß, den wir schaffen,<br /> Den sie aus Knochen und Mark uns pressen?<br /> Zählt ihr des Geldpolypen Profite?<br /> Zählt ihr den Eiweißgehalt unsrer Nahrung?<br /> Ist das Gerechtigkeit? Ist das Sitte?<br /> Ist das die christliche Offenbarung?<br /> Zählt ihr die Kinder, die täglich sterben,<br /> Kläglich aus gottserbärmlicher Not?<br /> Zählt ihr die Frauen, die nächtlich verderben,<br /> Preisgegeben ums liebe Brot?« – – – – –<br /> – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –</p> <p>Fee Statistik, die der Bonzen Muse<br /> Mit dem keuschen Heuchelblick nicht nennt,<br /> Milde Fee, versteinernde Meduse,<br /> Dich verklärt, wer deine Kraft erkennt.<br /> Schmerzstarr übergraun mich deine Züge,<br /> Massenzahl verzehrten Menschenglücks –<br /> Heil, Statistik, Heil! Du höhlst die Lüge,<br /> Missest der Gerechtigkeit Gefüge,<br /> Schön einst lenkst du Wogen des Geschicks.<br /> Deiner Zahlarmeen Donnerzungen<br /> Schmettern Wälle grauen Wahns zu Staub,<br /> Um die Pfeiler, die dein Maß geschwungen,<br /> Kränzt die Menschheit frisches Siegeslaub.<br /> Götterlos, nach deinen Grundgesetzen,<br /> Wie der Weltallsfreude Rhythmus schwillt!<br /> Die Dreieinheitsrechnung fliegt in Fetzen,<br /> Und des Denkers Sehnsucht wird gestillt ...<br /> Zahlen, die das Ziel der Schönheit suchen,<br /> Segnen laßt euch! – Laßt die Pinsel fluchen!</p> </div></div></div><div class="field field-name-field-author field-type-taxonomy-term-reference field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" rel="schema:author"><a href="/karl-henckell" typeof="skos:Concept" property="schema:name" datatype="">Karl Henckell</a></div></div></div><div class="field field-name-field-releasedate field-type-number-integer field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" property="schema:datePublished">1921</div></div></div><span rel="schema:url" resource="/karl-henckell/statistik" class="rdf-meta element-hidden"></span><span property="schema:name" content="Statistik" class="rdf-meta element-hidden"></span> Mon, 05 Feb 2018 22:10:02 +0000 mrbot 9440 at https://www.textarchiv.com Den Feinden https://www.textarchiv.com/karl-henckell/den-feinden <div class="field field-name-body field-type-text-with-summary field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" property="schema:text content:encoded"><p>O wären wir ihr Verderben,<br /> O wären wir Rächer der Schmach,<br /> Wie selig wollten wir sterben,<br /> Wenn unsre Feder einst brach!<br /> Wenn einst das Haupt uns zur Erde<br /> Im andern Jahrhundert sich beugt,<br /> Wie herrlich, wenn unser: Werde!<br /> Die blühende Menschheit bezeugt!<br /> Wir sind die Scheide der Welten,<br /> Wir sind die Wende der Not,<br /> Schwarzpurpurn ob unsern Zelten<br /> Sturmbannert Leben und Tod.<br /> Der Tod, das ist das Versinken<br /> In ekler Wirbel Getos,<br /> Das Leben, das ist das Trinken<br /> Aus schimmernder Ströme Schoß.<br /> Wie schleudern die Wirbel uns gräßlich!<br /> Besinnung und Sehkraft zerschellt.<br /> Der Irrsinn treibt unermeßlich<br /> Sein Spiel mit der keuchenden Welt.<br /> Doch aus unterirdischen Gründen<br /> Fährt mit Getöse die Schuld,<br /> Weltenbrand zu entzünden<br /> Den Schuldigen wahnumlullt.<br /> Es rennt die feurige Schlange<br /> Der knisternden Glut ohne Ruh<br /> Mit unbezwinglichem Zwange<br /> Dem neuen Ozean zu.<br /> O Weltmeer, winkendes Weltmeer<br /> Der hochaufrauschenden Lust,<br /> Wo keine Verzweiflung gellt mehr<br /> Besudelter Menschenbrust!<br /> Wo kein verruchtes Betrügen<br /> Die Liebeseinheit zerstört,<br /> Wo dem Schönheitsschwung sich zu fügen,<br /> Kein Selbstling plump sich empört ...<br /> Wo freie Menschen krönen<br /> Des Lebens heiliges Spiel ...<br /> Sing, meine Seele, dem schönen,<br /> Dem weltverjüngenden Ziel!</p> </div></div></div><div class="field field-name-field-author field-type-taxonomy-term-reference field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" rel="schema:author"><a href="/karl-henckell" typeof="skos:Concept" property="schema:name" datatype="">Karl Henckell</a></div></div></div><div class="field field-name-field-releasedate field-type-number-integer field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" property="schema:datePublished">1921</div></div></div><span rel="schema:url" resource="/karl-henckell/den-feinden" class="rdf-meta element-hidden"></span><span property="schema:name" content="Den Feinden" class="rdf-meta element-hidden"></span> Thu, 01 Feb 2018 22:10:02 +0000 mrbot 9442 at https://www.textarchiv.com Verdämmernde Zeiten https://www.textarchiv.com/karl-henckell/verdaemmernde-zeiten <div class="field field-name-body field-type-text-with-summary field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" property="schema:text content:encoded"><p>Graue Gespenster verdämmernder Zeiten!<br /> Schwellende Schöne der grüßenden Welt!<br /> Näher und näher seh ich sie schreiten,<br /> Die das Gewaltreich der Knechtschaft zerschellt.<br /> Tief im Moraste des Mammons verloren<br /> Ging uns des Lebens beglückender Mut,<br /> Blühende Anmut der Liebe geboren<br /> Wird aus der Freiheit erlösender Flut.</p> <p>Massen, die hungernd im Elend geschmachtet,<br /> Wimmernd im Frondienst der Not sich gemüht,<br /> Von ihren Peinigern schamlos verachtet,<br /> Welk und gebrochen, noch eh sie geblüht.<br /> Freudeberaubt und verstoßen vom Schönen,<br /> Fern von den Höhen des Lebens verbannt,<br /> Mütter mit Töchtern und Väter mit Söhnen<br /> Eisern ins Joch der Entbehrung gespannt.</p> <p>An die Maschine zeitlebens geschmiedet,<br /> Beute dem nimmersatten Koloß,<br /> Wütend umschmettert, umzischt und umsiedet,<br /> Keuchten sie dumpf, ein betrogener Troß.<br /> Darbend erzeugten sie drohende Fülle,<br /> Weh! und von Überfluß strotzte die Welt –<br /> Aber ein übergewaltiger Wille<br /> Schneidet die Klauen dem gierigen Geld.</p> <p>Hört ihr die Flüsse, die Meerwasser brausen?<br /> Seht die geschmeidigen Metalle gehäuft?<br /> Spürt die elektrischen Funken ihr sausen?<br /> Fühlt, wie der Segen des Weltalls träuft?<br /> Hilfreiche Kräfte zermalmen den Schrecken,<br /> Fluch der Vergangenheitsarbeit verdröhnt,<br /> Wonne wird unser Schaffen erwecken,<br /> Freude, die liebliche, lächelt versöhnt.</p> </div></div></div><div class="field field-name-field-author field-type-taxonomy-term-reference field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" rel="schema:author"><a href="/karl-henckell" typeof="skos:Concept" property="schema:name" datatype="">Karl Henckell</a></div></div></div><div class="field field-name-field-releasedate field-type-number-integer field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" property="schema:datePublished">1921</div></div></div><span rel="schema:url" resource="/karl-henckell/verdaemmernde-zeiten" class="rdf-meta element-hidden"></span><span property="schema:name" content="Verdämmernde Zeiten" class="rdf-meta element-hidden"></span> Sat, 27 Jan 2018 22:10:02 +0000 mrbot 9441 at https://www.textarchiv.com