Zum neuen Jahr
In Herrlichkeit, wie sie die Welt nicht sah
Seit grauer Zeit des Altertumes,
Mein deutsches Vaterland, stehst du nun da
Auf Sonnenhöhen deines Ruhmes.
Verderben schleudert auf den Feind und Tod
Das Falten deiner mächt'gen Stirne,
Und doch spielt milder Glanz um sie, wie Rot
Des Morgens um der Alpen Firne.
Wohl! Um die Schläfe, die der Siegesaar
Umkreist mit den gewalt'gen Schwingen,
Magst an des Friedens duftendem Altar
Du dir der Kränze reichsten schlingen!
Ihr, die als schönster Schatz der Menschheit gilt
Und sie der Geisterwelt verkettet,
Der heil'gen Kunst in Klang und Wort und Bild
Sei Hütrin, die sie schützt und rettet!
Schritt nicht die Dichtung durch den Schatten schon,
Den deine Urwaldeichen warfen,
Und rauschten ihre Wipfel nicht beim Ton,
Dem ehernen, der Bardenharfen?
Gedenk, wie dich von früher, nie versiegt,
Der Melodieen Strom durchflutet,
Auf dem Beethoven sich, der Schwan, gewiegt,
In dem sich Mozarts Herz verblutet!
Strahlt nicht als heller Morgenstern der Kunst,
Der andern lichter Reigenführer,
Zu uns aus finstrer Zeiten Nebeldunst
Herüber der erhabne Dürer?
Und länger könnte dich, die das besitzt,
Bethören noch der Tand der Seine?
Vom eitlen Bildwerk, das der Franke schnitzt,
Auflesen möchtest du die Späne?
Nein! Aufwärts schau, zu jener Riesenwelt,
Die sich, ein Werk der Feen und Gnomen,
Nur durch ein ew'ges Wunder aufrecht hält,
Zu Kölns und Straßburgs hohen Domen!
So wie hochauf ihr Wald von Pfeilern steigt
Und mit den Aesten, Ranken, Reben
Zur mächt'gen Säulenlaube sich verzweigt,
Soll deine Kunst gen Himmel streben.
Ein hoher Tempel sollst du selber sein,
Und, wenn ringsum der Schönheit Blüten
Im Sturm des Herbstes sinken, noch allein
Des Geistes Heiligtümer hüten.
Und flieht an andre Küsten einst der Tag,
Der wechselnde, der Weltgeschichte:
Vergoldend lang auf deinen Zinnen mag
Er ruhen noch mit letztem Lichte!
So spielt um die Ruinen Griechenlands
Noch heut ein Abendrot, als küßte
Der untergeh'nden Sonne Scheideglanz
Des Mäoniden Marmorbüste.
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