Die Unschuld
Mutter.
Ja, liebes Kind, bisher hab ich dich selbst bewacht:
Nun bist du sechzehn Jahr, nun nimm dich selbst in Acht!
Flieh aller falschen Schäfer List:
Sie sagen dir, wie schön du bist,
Wie sehr ihr Herz von dir entzündet ist!
Doch darfst du ihnen niemals traun,
Und schwören sie, auf ihren Schwur nicht baun;
Denn wenn man ihnen nur den mindsten Kuß erlaubt,
So ist uns schon die Unschuld halb geraubt!
Tochter.
So, Mutter? giengs euch so? ey warum sagtet ihr
Mir dieses nicht schon längst: was kann ich nun dafür,
Daß sie mir halb geraubet ist?
Denn Damon hat mich, welche List!
Zehnmal, ja hundertmal geküßt.
Schön ists: o wär es doch erlaubt!
Wie schön muß es erst seyn, wenn man sie ganz uns raubt!
Sagt Mutter, wie mans macht; sonst schweig ich etwan still,
Wenn Damon kömmt, und mir sie rauben will.
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