Es ist der laute Tag hinabgesunken
Es ist der laute Tag hinabgesunken,
Er lächelte in stiller Dämmrung nieder;
Die Dunkelheit hat sich um ihn gewölbet,
Wie um Mathildens kurzes Wachen sorglich
Die Mutter stilles Wiegendunkel hüllet,
Wenn sie die zarten, holden Augenlider
Mit leisen Küssen rührend ihr geschlossen.
Das Leben träumte schon vom Wiedersehen,
Umarmte schon die Rosenglut der Küsse,
Die ihm des jungen Morgens goldene Lippen,
Voll heiliger Scham auf seinen runden Wangen,
Wie züchtigen Kuß der Braut entgegenbeben.
Und alle Äußrung war zurückgekehrt;
Sie ruhte still im innern Leben schaffend.
Es war die Form vom unerkannten Leben
In allgemeine Einigkeit verschwunden,
Von jedem Reize sank der Gürtel nieder,
Und alles ist nur ein und einzig da.
Ohn' eine Farbe löste sich der Wechsel
In eine Ruhe aller Farbenspiele.
Das Wort war in sich selbst zurückgekehrt
Und die Geschlechter starben mit Entzücken
Den süßen Tod, der alle Trennung bindet.
Das Leben lag dem Leben an dem Busen,
In tiefen Schlaf und Traum zerschmolz die Täuschung,
Die das Geschaffne schaffend überraschet.
Da hatte ich den lieben Brief erhalten,
Aus dem ein heitres Leben zu mir spricht,
Das durch des Sinnes düstere Gestalten
Wie Sternenglanz durch weite Nacht sich flicht,
Und lichter will sich meine Bahn entfalten
Und freundlich spielen mit dem holden Licht,
Das durch des Tages Dunkel sich verbreitet
Und heute mich zur stillen Nacht begleitet.
Die ruhige Nacht, dir hab' ich sie zu danken,
Sie blüht aus deinem trauten Wirken auf,
Umfaßt das weite Leben mir mit Schranken,
Die nimmer ich mit Träumen mir erkauf',
Und stille durch der regen Seele Ranken
Sproßt freundlich eine Blume mir herauf,
Sie soll dir voll erblühn und ich verspreche,
Daß, welkt sie nicht, nur deine Hand sie breche.
Du reichst mit deiner Liebe im Akkorde
Ein Lebenslied, das sich zu dir gesellt;
Erstorben ist die Sprache, wenige Worte
Durchirren, sich verspätend, meine Welt;
Da öffnest du in stiller Nacht die Pforte,
Willkommen sind sie dir, und wohlbestellt
Ist deine Hütte, meine Töne klingen
Zu deinen gut ein sanftes Lied zu singen.
Ein zartes Lied, es kann es keiner lehren,
Es schaffet sich im inneren Gemüt,
Wo Sehnsucht, Lieb' und himmlisches Verkehren
Beisammen sind. In Liedes Busen glüht
Ein leises Bitten und ein still Gewähren,
Um die wie Blumenkelch dein Leben blüht;
Und an dem Rande schwebe ich und schwelge,
Ein Schmetterling, vom Lied im Blumenkelche.
Es harrte still dein mütterlich Verlangen;
Du siehst ein Zähnchen in dem kleinen Mund,
Und große Freude hat dich nun umfangen,
Du tust es fröhlich seinem Vater kund,
Du zeigst des Kindes runde, volle Wangen,
Wie es so fröhlich ist und so gesund;
Doch ich, ich weine, habe nichts zu zeigen,
Und was ich weine, muß ich still verschweigen.
Noch zweimal wird das Kind dich überraschen,
Einmal, wenn ihm der Muttersorge Blick
Im Gehn zum Vater folgt, der froh es haschen
Und küssen wird, er leitet es zurück,
Du lohnst das Kind und gibst ihm was zu naschen,
Und lebend geht und kehret schon dein Glück.
Doch mir, mir wandelt nie ein solches Leben,
Um mich wird nie sich stille Heimat weben.
Und wenn es einst die heiligen Worte spricht,
Dich stammelnd Mutter und ihn Vater nennet,
Der Sinn durch die Gestalt in Worte bricht
Und es des Wechsellebens Geist bekennet,
Dann scheint des dritten Tages festlich Licht,
Es ist von dir ein fertig Bild getrennet;
Doch ich werd' ewig mich zum Spiegel bücken
Und nie ein neues Leben drin erblicken.
Und ewig soll ich stillen Kummer wiegen,
Erreich' wohl nie das freundlich holde Bild,
Das, göttlich aus sich selbst emporgestiegen,
Ein zartes Licht, die rohe Nacht erfüllt,
An das sich bang all meine Wünsche schmiegen;
Mein bißchen Gutes, all mein Denken quillt
Von diesem Licht, und seh' ich's nicht mehr wallen,
Dann ist die Nacht. Ins Grab muß ich dann fallen.
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