Es war einmal die Liebe
Es war einmal die Liebe,
Die himmelklare Liebe,
Sie war in edlem Zorn
Und sprach zum blinden Triebe,
Verzeih, heut kriegst du Hiebe
Ganz ernst mit einem Dorn.
Der Trieb hört dies betroffen,
Doch kaum hat ihn getroffen
Der Liebe Dornenstreich,
Da war die Knospe offen,
Der Dorn ganz ohn' Verhoffen
Schlug aus voll Rosen gleich.
Es war einmal die Liebe
Die himmelklare Liebe
Sie war vom Trieb betrübt,
Sprach drum zum blinden Triebe
An dir dem Friedensdiebe,
Wird Rache heut geübt.
Doch als sie sich wollt' rächen
Da stürzt in Tränenbächen
Das Herz ihr aus der Brust,
Sie kann den Stab nicht brechen
Die Lieb' wird aller Schwächen
Des Triebes sich bewußt.
Es war einmal die Liebe,
Die himmelklare Liebe,
Sie war vom Trieb gekränkt,
Und sprach zum blinden Triebe,
Wenn dir kein Trost auch bliebe,
Heut wird dir's nicht geschenkt.
Und um ihm's zu gedenken
Tut sie ein Füllhorn senken,
Voll von Gerechtigkeit,
Und hat des Triebes Ränken
Den Richtplatz mit Geschenken
Der Gnade überstreut.
Ei sag einmal du Liebe,
Du himmelklare Liebe
Wer hat dich das gelehrt,
Daß man dem blinden Triebe
Für scharfe Dornenhiebe
Nur Rosenglut beschert.
Und daß man für die Rute
Dem blinden Übermute
Nur süßen Zucker giebt
Das lehrte mich der Gute
Der mich mit seinem Blute
Ob meiner Schuld geliebt.
Da sang einmal der Liebe
Der klaren Himmelsliebe
Der Trieb dies Liebeslied,
Daß sich dem blinden Triebe
Ein Licht ins Aug' er schriebe,
Daß er im Auge sieht.
Und als sie es gehöret,
Da fühlt sie sich erhöret,
Und sprach in Demut fromm
Wer hat mich dir gelehret
Wer hat dich mir bescheret,
Trieb sei der Lieb willkomm.
Da faßt einmal die Liebe
Die himmelklare Liebe
Sich einen frischen Mut,
Und war dem blinden Triebe
Daß er nicht irrend bliebe
Ein Blindenführer gut.
Da lernt der Trieb das Lieben,
Da ward die Lieb' getrieben
Bis sehend er, sie blind,
Und beide sind's geblieben,
Und ich hab dir's geschrieben,
Merk auf, und bleib ein Kind.
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