Abschied von Lindau
Valet muß ich dir geben,
Du alte Lindenstadt;
Schon glüht an deinen Reben
Wie Purpur Blatt um Blatt;
Schon stiebt es von den Wipfeln,
Und dunkler treibt der See,
Und auf der Berge Gipfeln
Erglänzt der erste Schnee.
Du bist mir hold gewesen;
So nimm des Gastes Dank,
Der hoffnungsvoll Genesen
Aus deinen Lüften trank,
Den nach verjährter Plage
Am grünen Flutenring
Durchsonnter Frühherbsttage
Beglückte Rast umfing.
Da lernt' ich fromm aufs neue
Die Stimmen all verstehn,
Die durch des Himmels Bläue
Im Zug des Windes gehn;
Was in den Wellen schauert,
Was in des Waldes Grund
Sehnsüchtig glänzt und trauert,
Noch einmal ward's mir kund.
Ich sah, wenn längst versunken
In Schwarz der Täler Grün,
Am Schneehorn purpurtrunken
Ein heiß Erinnern glühn;
Wo grimm durch Klippenbogen
Der Gießbach Bahn sich schuf,
Erscholl mir's aus den Wogen
Wie trotz'ger Jubelruf.
Und wie im segelhellen,
Besonnten Griechenschiff
Mich einst auf blauen Wellen
Das Lied Homers ergriff,
Sprach hier in dunklen Zungen
Aus Felsgeklüft und Tann
Der Geist der Nibelungen
Geheimnisvoll mich an.
Versenkt in tiefes Lauschen
Oft saß ich bis zur Nacht;
Da kam's wie Adlersrauschen
Auf mich herab mit Macht;
Durch meinen Busen zückte
Verwandter Drang und Klang,
Und was mich hob und drückte,
Ward flutender Gesang.
O stillvertiefte Stunden,
Labsal der Sängerbrust,
Wohl seid ihr hingeschwunden
Rasch mit des Sommers Lust.
Doch wallt das Herz lebendig
Mir auf nach eurer Ruh',
Und frohgekräftigt wend' ich
Der Heimat heut mich zu.
Dort winkt mir nach der Muße
Manch liebgewordne Pflicht;
Es winkt mit hohem Gruße
Des Herrschers Angesicht,
Der, jedem Flügelschlage
Des deutschen Geistes hold,
Der Hoffnung künft'ger Tage
Ein licht Panier entrollt.
Die Kunst in Laub und Blume
Umwob des Vaters Thron;
Nun ringt mit solchem Ruhme
Gedankenvoll der Sohn.
Den Ernst der Weisheitschule
Gesellt er jenem Flor
Und neigt vom Königstuhle
Dem deutschen Lied sein Ohr.
Wohl mag ich treu ihm danken,
Der für den Wanderstab
Mir frommen Wirkens Schranken,
Mir Herd und Heimat gab,
Und, weil er selbst tiefinnen
Die heil'ge Flamme nährt,
Mit fürstlich hohen Sinnen
Des Dichters Freiheit ehrt.
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