An eine junge Sängerin

Ach, noch einmal diese Töne,
Die mir Flügel in das schöne
Zauberland der Jugend sind!
Laß sie schwellen voll und leise!
Diese Weise
Sang einst deine Mutter, Kind.

Am Klavier dort in der Nische
Saß sie, wenn des Abends Frische
Klar ins offne Fenster drang;
Golden wob's um ihre Locken,
Und wie Glocken
Schwebte wogend ihr Gesang.

Ach, das war vor langen Jahren,
Eh' ich in die Welt gefahren,
Hoch im Sturm noch trieb mein Herz;
Aber stets bei ihrem Liede
Kam ein Friede
In des Jünglings Lust und Schmerz.

Grau jetzt, mit gedämpftem Feuer,
Einsam kehr' ich; die mir teuer,
Gingen alle fast zur Ruh';
Sie auch schläft, die süße Rose,
Unterm Moose,
Doch ihr Ebenbild bist du.

Singe, Kind, und in die blauen
Augen laß mich tief dir schauen!
Jugendheimwärts träumt mein Sinn,
Und von längst entschwundnen Lenzen
Zieht ein Glänzen
Durch die müde Brust dahin.

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