Deprekation
Stets von allem Geschäft in der Welt das verhaßteste war mir,
Briefe zu schreiben. So leicht mir das Wort in lebendiger Rede
Fließt, wenn die Sache mich reizt, so schwer entströmt es der Feder,
Langsam, brüchig und kalt, als ob auf dem längeren Umweg
Aus dem Herzen aufs Blatt mir Gefühl und Gedanke gefrören.
Kaum, daß ich munter begann, gleich blickt die verwünschte Kritik mir
Über die Schulter herein, und den Ausdruck allzu bedenklich
Wägend verpfusch' ich ihn leicht zu farblos steifer Korrektheit,
Statt im behaglichen Fluß frischweg von der Leber zu plaudern
Ganz, wie der Schnabel mir wuchs. Zum Teil wohl hab' ich's vom Vater,
Der, ob Meister des Worts, sich besann, zwei Zeilen der Post nur
Anzuvertraun, und, an Freundschaft reich, nie Briefe gewechselt.
Drum dafern ihr im Ernst, wie ihr sagt, mir freundlich gesinnt seid,
Drängt unnötig mich nicht zum Schreiben und fordert insonders
Antwort nicht auf jedes Gefühl. Gern send' ich euch Auskunft,
Bündige, gilt's ein Geschäft, doch zu brieflicher Herzensergießung
Fehlt mir fürwahr das Geschick und fehlt vor allem die Neigung.
– »Aber es glückte dir doch manch Lied; wie darfst du behaupten,
Daß dir die kleinere Mühe zu viel?« – Nun, jeglicher hat ja
Seine Begabung für sich, und der schnell hinschießende Habicht
Ist schwerfällig zu Fuß. Niemals auch hab' ich am Schreibtisch
Mühsam, was ich gesungen, erdacht. Stets kam es von selbst mir,
Draußen im Freien, auf schweifendem Gang, wenn der Odem des Frühlings
Leis hinzog durch den Wald, mich bezaubernd, oder zur Herbstzeit,
Wenn von den Wipfeln das Laub sacht rieselte, goldenen Tränen
Ähnlich, und tief im Gemüt die entschlummerte Schwermut weckte.
Oder im Bette, des Nachts, aufdämmert' es mir, und am Morgen
War es zu Rhythmen erblüht, und fertig schrieb ich es nieder.
Freilich ändert' ich wohl mit Bedacht, und die Feile des Künstlers
Braucht' ich mit Fleiß, doch zuvor in geheimnisvoller Empfängnis
Ward mir immer das Beste zuteil als himmlische Gabe.
Nie willkürlich darum, wenn die innere Nötigung ausblieb,
Hab' ich zu dichten gewußt, auf Begehr, wie der Meister des Handwerks
Rasch das Verlangte beschafft, zu Geburtstagsfeier und Hochzeit
Oder zum Neujahrsgruß. Und versucht' ich es dennoch, der Bitte
Weichend, so ward es darnach: ein zusammengestoppeltes Machwerk
Statt des lebendigen Lieds. Nur wenn in beglückender Stunde,
Wie sie dem Alternden, ach, nur noch selten erscheint und im Fluge,
Mir freiwillig die Muse genaht, da vermocht' ich zu schaffen,
Was mich selber erfreut' und vielleicht auch anderen echt schien.
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