Schicksalslied

Starr und unwandelbar
Mit ehernen Füßen
Durch Zeit und Wechsel
Schreitet das Schicksal,
Nach ewiger Satzung
Unerbittlich
Segen lohnend mit Segen,
Fluch mit Fluch.

Hat die Erde
Blut getrunken,
Aus der rauchenden Scholle
Mit dem Schlangengelock
Steigt die Erinnys;
Nimmer müde,
Dem lechzenden Spürhund gleich,
Keucht sie nach der Fährte des Frevlers
Und singet Eulengesang
In seine Träume.

In selbstgewürktem Netze
Unentrinnbar
Fesselt sie den Flüchtling;
Sein einzeln Haupt
Trifft sie grollend,
Trifft zugleich
Des fluchgezeugten Enkels Schläfe;
Sie legt die Fackel
An den Prachtbau
Ganzer Geschlechter;
Riesig wachsend
Über Völker und Reiche
Gießt sie die volle
Schale des Zorns.

Aber neben
Der Hochherdräuenden,
Wie Mond durch Nächte,
Wandelt auf schwebenden
Sohlen die Gnade,
Himmlisch Erbarmen im Angesicht.

Wehe, wer trotzig
Finsteren Auges
Vorüberschreitet
Der lichten Gestalt;
Verfallen ist er
Dem eisernen Spruche
Der unerbittlichen Rächerin,
Und seiner Frevel
Wird ihm keiner geschenkt.

Aber den Reuigen,
Der mit flehenden Armen
Sich an den Saum
Der Himmlischen klammert
Und selbst die achtlos
Weiterschreitende
Nimmer losläßt:
Lächelnd endlich
Hebt sie empor ihn,
Und wie einst Pallas
Mit dem Gorgoschilde
Den fluchbeladnen
Orestes deckte,
Deckt sie ihn
Mit silbernem Schleier,
Daß ihn die zürnende
Schwester nicht schaut.

Leis auch verwandelt
Sie den Geretteten;
Sein blutig Gewand
Wird weiß wie Wolle
Junger Lämmer,
Und den Entsühnten
Führt sie geflügelt
Hinauf an das Herz
Des ewigen Vaters.

Wähl', o Sterblicher:
Willst du wohnen
Im Bann des Schicksals,
Untertan
Unbeugsamer Satzung?
Willst in der himmlischen
Retterin Arme
Gläubig dich flüchten?
Dein ist die Wahl.

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