Adelgunde
Die Liebe ist was Süßes zwar,
doch schlägt sie manche Wunde;
dies nahm am eignen Leibe wahr
die Jungfrau Adelgunde.
Bedenklich ist's insonderheit,
steht liebevolle Zärtlichkeit
mit Unbedacht im Bunde.
Sie, die aus gutem Hause war,
war gleichwohl etwas luftig.
Ein Mann nahm diesen Umstand wahr,
und der betrug sich schuftig.
Er warb, wie's so zu gehen pflegt,
um Adelgunden unentwegt.
Ihr Körper roch so duftig.
Er hieß mit Namen Theodor
und war von Stand ein Schlosser.
Die Brust wölbt sich ihm breit hervor,
von Kräften überfloß er.
Gestützt auf seine Lendenkraft,
hat Adelgunden er errafft.
Die Lieb ins Herz ihr goß er.
Zwar sträubte sie sich lange Zeit
mit Händen und mit Füßen.
Doch endlich fand sie sich bereit,
die Tugend einzubüßen.
Seitdem im Bann der Liebesmacht,
ließ sich die Jungfrau Nacht für Nacht
den holden Schlaf versüßen.
Doch gar zu tief hat Adelgund
enthüllt, was an ihr weiblich,
und eines Tages tat sich kund,
sie liebten sich zu leiblich.
Ein Unwohlsein macht ihr bekannt
den Fall, in dem sie sich befand –
ihr Schmerz war unbeschreiblich.
Der Theodor jedoch bedacht
des Abenteuers Kosten
und drückte sich in stiller Nacht
von ihres Bettes Pfosten;
und mocht es auch verwerflich sein,
er ging nach Haus und schlief allein
und ließ die Liebe rosten.
Bei solchen Schenkeln hat sogleich
sich anderwärts beweibt er.
Das Mägdlein aber wurde bleich
und jeden Tag beleibter.
Sie lief vom Fenster bis zur Tür
und jammerte nur für und für:
Mein Theodor – wo bleibt er?!
Auf ihren Lippen dieses Wort,
so harrt sie Stund um Stunde.
Inzwischen wuchs ihr fort und fort
der Körper in die Runde.
Und eines Tages war's soweit,
ein kluges Weib kam hilfsbereit
zur armen Adelgunde.
Die aber schrie vor Schmerz und Zorn,
daß alles ringsum krachte,
und grämte sich um Theodorn,
was sie bewußtlos machte.
Und daher sah sie nicht genau,
was unterdes die kluge Frau
ans Licht der Erde brachte.
Ein Knäblein war es allerliebst,
das sich dem Leib entwunden.
Das strampelte im Bett und piepst
und weckte Adelgunden.
Jedoch von Schmerzen übermannt,
hat sie die Lage kaum erkannt
und drum nicht schön gefunden.
Gleich wieder das Bewußtsein schwund.
Da spritzt die Hebemuhme
sie auf die Stirn und auf den Mund
mit kölnischem Parfume.
So ward sie wiederum bewußt.
Jedoch es stach ihr in der Brust
wie eine dornige Blume.
Das Kindlein aber in dem Bett
schrie froh an ihrer Seite.
Da lachte sie und fand es nett
und herzte es und eite.
Und wie sie es so küßt und kost,
gab ihr die Mutterliebe Trost.
Dann fuhr ihr Sinn ins Weite.
Der Sinn, er fuhr zum Theodor,
zum Rabenmann und -vater,
und leise kam das Wort hervor:
»Oh, Theodor, was tat er!
An mich schleicht nun der Tod heran,
was aber fängt mein Söhnchen an?
Wo ist ihm der Berater?
Wer gibt ihm Hemdchen, Milch und Geld?
Ist er nicht brav und niedlich?
O Gott, wie ist doch in der Welt
das Schicksal unterschiedlich! –
Auch er soll heißen Theodor!« –
Dann blickt sie noch mal um und fror
und stöhnt und starb ganz friedlich.
Auf Armenkosten schickte man
sie auf die letzte Reise.
Das Knäblein aber wuchs heran
als elternlose Waise.
Ein Köhlerpaar mußt ihn erziehn
für Armengeld. Das prügelt ihn
bei wenig Trank und Speise.
Mit sieben Jahren mußt er schon
im Walde Brennholz stehlen
und mußte sich für Prügellohn
im Köhlerdienste quälen.
Und als er groß geworden war,
erschlug er einen Juden gar
am Tage Allerseelen.
Sehr bald fand ihn die Polizei
und bracht ihn vor den Richter.
Der fand, daß Theo schuldig sei,
und nannt ihn Mordgelichter.
Am Galgen hing zur Morgenstund
der Sohn der guten Adelgund. – –
Ich aber ward ihr Dichter.
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